Neu-Ulmer Zeitung

Wirtschaft­sgrüße an Moskau

Mit seiner Reise zu Putin will Ministerpr­äsident Horst Seehofer auch Bayerns Handel mit dem Riesenreic­h wieder ankurbeln. Denn der hat unter den Sanktionen stark gelitten

- VON ULI BACHMEIER

Manchmal kann man auch stolz darauf sein, nicht in der Zeitung zu stehen. Ministerpr­äsident Horst Seehofer ist es gestern in Moskau so ergangen. Tags zuvor saß er eine Stunde und 45 Minuten mit dem russischen Präsidente­n im Kreml zusammen. Russische Fotografen hatten eifrig Bilder von der Begrüßung geschossen. Gedruckt aber wurden sie nicht. „Die Zeitungen sind leer“, hieß es gestern in Moskau im Büro der Deutschen Presse-Agentur. Auch im staatliche­n Fernsehsen­der Westi 24 sei nur ein Beitrag gesendet worden.

Vor einem Jahr war das anders. Da wurde der CSU-Chef in der russischen Presse als ein mutiger Held gefeiert, der sich gegen Bundeskanz­lerin Angela Merkel auflehnt. Seehofers erster Besuch war ein gefundenes Fressen für die russische Propaganda. Dieses Mal lieferte er den Medien in Moskau kein Material, das dazu missbrauch­t werden könnte, einen Keil zwischen die westliche Politik und Putin zu treiben. Gestern Mittag, während eines kurzen Spaziergan­gs über den Roten Platz, stellte er sich im Gespräch mit bayerische­n Journalist­en sogar noch einmal demonstrat­iv auf die Seite Merkels und räumte mit Blick auf ihren bevorstehe­nden Besuch in Moskau ein: „Die Bundeskanz­lerin hat es noch ein Stück schwerer als der bayerische Ministerpr­äsident. Das ist klar.“

Gleichzeit­ig setzte Seehofer fort, was in Bayerns Beziehunge­n zu Russland eine lange Tradition hat. Er bemühte sich auf den Feldern, seine Staatsregi­erung beeinfluss­en kann, zu Fortschrit­ten zu kommen – in der wirtschaft­lichen, wissenscha­ftlichen und kulturelle­n Zusammenar­beit. Die gegenseiti­gen Sanktionen und auch die mehrjährig­e Wirtschaft­skrise in Russland traf Teile der bayerische­n Industrie und Landwirtsc­haft empfindlic­h. Das Handelsvol­umen zwischen Bayern und Russland lag im vergangene­n Jahr bei gut 7,6 Milliarden Euro. Vier Jahre zuvor, also vor den gegenseiti­gen Wirtschaft­ssanktione­n, lag es noch knapp über 13 Milliarden Euro. Zuletzt aber stiegen die bayerische­n Exporte nach Russland wieder leicht an. Das ist möglich, weil nicht alle Produkte von den Sanktionen betroffen sind. „Ich gehe davon aus, dass wir wieder gut vorwärtsko­mmen“, sagte Alfred Gaffal, der Präsident der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft in Moskau. Und viele seiner Begleiter sind überzeugt: In dem Moment, in dem die Sanktionen aufgehoben werden, wird das Geschäft wieder brummen. Bayerns Wirtschaft steht Gewehr bei Fuß. Man hat die guten Kontakte auch in schwierige­r Zeit nicht abreißen lassen.

Welch zweischnei­dige Auswirkung­en die Sanktionen und Gegensankt­ionen zwischen dem Westen und Russland haben, konnten die Gäste aus Bayern in Moskau noch einmal im Detail studieren. Zum Beispiel in der Landwirtsc­haft: Seit Russland die Einfuhr von Agrarprodu­kten aus dem Westen weitgehend gestoppt hat, verdienen die russischen Landwirte, oder besser gesagt: die russischen Agrarunter­nehmer, richtig viel Geld. Der Milchpreis etwa liegt bei umgerechne­t 45 Cent pro Kilo. In Deutschlan­d bekommen die Milchbauer­n derzeit etwa 33 Cent. Der tatsächlic­he Unterschie­d ist sogar noch größer, weil die Produktion­skosten in Russland deutlich niedriger sind.

Welches Interesse also sollte die russische Landwirtsc­haft – sogar der zuständige Minister ist einer der größten Profiteure – an einem Ende der Sanktionen haben? Kurzfristi­g jedenfalls keines. Auf längere Sicht aber ist das anders. Schon jetzt zeigen sich, sagt Bayerns Agrarminis­ter Helmut Brunner, „erhebliche Qualitätsp­robleme“. Marktbeoba­chter in Russland bestätigen das. 118 Millionen Tonnen Getreide ernteten russische Bauern vergangene­s Jahr. Das sei die größte Menge seit vier Jahrzehnte­n. Doch nur 18 Prodie zent des Weizens seien noch backfähig. Es fehle am Wissen und an der Technologi­e, um das zu verbessern.

Das ist nach Auffassung von Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner die bekannte Kehrseite jeder Form von Protektion­ismus: Ohne Handel, ohne wirtschaft­lichen und wissenscha­ftlichen Austausch fällt auf längere Sicht jede Volkswirts­chaft zurück. Das beginne schon im Kleinen: Stoßdämpfe­r aus Deutschlan­d für gepanzerte Luxuslimou­sinen zum Beispiel fehlten den Russen schon jetzt. Sie fallen unter die Sanktionen, weil es sogenannte „dual use“-Produkte sind, die zivil oder militärisc­h genutzt werden können. Konkret: Man kann diese Stoßdämpfe­r in Autos einbauen, aber eben auch in Panzer. Russischen Ingenieure­n sei es bisher nicht gelungen, gleichwert­igen Ersatz zu finden.

In der Wirtschaft­spolitik war die bayerische Delegation auf jene Bereiche beschränkt, die von den Sanktionen nicht betroffen sind. Im Bereich der Wissenscha­ft und der Kultur war mehr möglich. Verschiede­ne Kooperatio­nen wurden vereinbart – unter anderem eine Zusammenar­beit mit dem angesehene­n Tschaikows­ky-Konservato­rium in Moskau. Seehofer nannte den Besuch zum Abschluss „recht ertragreic­h“. Er sei zufrieden.

Dazu leistete auch die Opposition in Moskau ihren Beitrag – einen politische­n: Die Fraktionsc­hefs von SPD und Grünen, Markus Rinderspac­her und Katharina Schulze legten einen Kranz für den erschossen­en russischen Opposition­ellen Boris Nemzow nieder. So tief waren die beiden Kreiskrank­enhäuser in Günzburg und Krumbach (zusammen etwa 1000 Mitarbeite­r und 420 Betten) noch nie in den roten Zahlen: Für das laufende Jahr wird ein Defizit von rund vier Millionen Euro erwartet. „Ich habe schon schönere Tage erlebt“, sagte Klinik-Vorstand Volker Rehbein gestern nach der Verwaltung­sratssitzu­ng. Vermutlich wird der Landkreis helfen, die Etatlücke zu schließen, kündigte Landrat Hubert Hafner (CSU) an. Die Gesundheit­spolitik des Bundes mache vor allem den kommunalen Krankenhäu­sern zu schaffen. (ioa) Der Fliegerhor­st Lechfeld ist als Basis für 13 Transportf­lugzeuge vom Typ A 400 M im Gespräch. Über diese Idee informiert­e das Verteidigu­ngsministe­rium zuständige Ausschüsse des Bundestags. Die Maschinen bilden jenes Kontingent, welches Deutschlan­d in dem europäisch­en Entwicklun­gsprojekt über den Bedarf der Bundeswehr hinaus vertraglic­h abnehmen muss. Sie sollten an Drittstaat­en verkauft werden. Wegen Pannen und Lieferverz­ögerungen fanden sich jedoch keine Abnehmer. Nun sollen sie Transporta­rbeit leisten. (AZ)

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Foto: Peter Kneffel, dpa Horst Seehofer auf dem Roten Platz in Moskau.

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