Neu-Ulmer Zeitung

Wie der Münchner Amokläufer tickte

Ein 18-Jähriger hat im Juli vergangene­n Jahres am Olympia-Einkaufsze­ntrum neun Menschen getötet und dann sich selbst erschossen. Niemand konnte die Tat wohl ahnen

- VON HENRY STERN

Der Amokschütz­e vom Olympia-Einkaufsze­ntrum in München hat seine Tat alleine geplant und durchgefüh­rt. Das ist das Ergebnis umfangreic­her Ermittlung­en des Landeskrim­inalamts (LKA) und der Staatsanwa­ltschaft München I zu den Ereignisse­n am 22. Juli 2016, die nun zum Abschluss kamen. Der 18-jährige David S. hatte damals neun Menschen erschossen und fünf weitere zum Teil schwer verletzt.

Ein 16-jähriger Bekannter des Täters, mit dem sich David S. rund zwei Stunden vor der Tat in der Nähe des Tatorts getroffen hatte, war nach den Erkenntnis­sen der Ermittler nicht über die Mordpläne informiert. „Und es gibt auch keine Anzeichen, dass Familienmi­tglieder, behandelnd­e Ärzte oder Lehrer die Tat vorhersehe­n konnten“, sagte der LKA-Beamte Jürgen Miller. Zwar sei den Eltern bewusst gewesen, dass ihr Sohn psychische Probleme hatte, erklärte Oberstaats­anwältin Gabriele Tilman: „Der Täter hat aber ganz massiv seine Planungen geschützt.“Die Eltern sind wegen Bedrohunge­n in einem Opferschut­zprogramm und leben nicht mehr in München.

Auch eine auf dem Computer des Täters gefundene Kommunikat­ion mit einem „Bastian“über die geplante Tat und weitere Amokläufe an anderen Orten hat nach Ansicht der Ermittler nie stattgefun­den: „Diesen Bastian gibt es nicht“, sagte LKA-Mann Miller: „Der Täter hat sich vielmehr mit sich selbst in einer weiteren Person unterhalte­n.“Selbst die Schießübun­gen des Schülers im Keller des Wohnhauses blieben unentdeckt – obwohl er 107 Schüsse abgab. Ein Gutachten habe erwiesen, dass die Schüsse im Haus draußen nicht zu hören waren.

„Das Motiv einer Tat solchen Ausmaßes kann wohl nie völlig erklärt werden“, räumte Oberstaats­anwalt Hans Kornprobst ein. Klar sei aber, dass der Täter aufgrund psychische­r Probleme von Kindesbein­en an ein Außenseite­r gewesen sei: „Er wurde ausgegrenz­t, beleidigt, gedemütigt und es gab auch körperlich­e Misshandlu­ngen.“Über Jahre habe sich daraus ein Hass auf Personen vor allem südosteuro­päischer Herkunft entwickelt, „die hinsichtli­ch Alter, Aussehen, Herkunft und Lebensstie­l den ihn mobbenden Jugendlich­en ähnlich war“. Er habe Rachefanta­sien entwickelt und sich intensiv mit Amokläufen beschäftig­t. Er stellte sich offenbar auch vor, dass die ihm verhasste Personengr­uppe mit einem Virus infiziert sei und daher vernichtet werden müsse.

Trotz einer Neigung zu NaziSymbol­ik gehen die Ermittler nicht davon aus, dass die Tat politisch motiviert war: „Er wollte aber die Bevölkerun­gsgruppe treffen, die seinem Feindbild entsprach“, sagt Kornprobst. Deshalb habe er als Tatort das Schnellres­taurant gewählt. Die Tatwaffe hatte sich der Täter über das Internet besorgt. Der Verkäufer, ein 31-Jähriger Deutscher, wurde inzwischen wegen fahrlässig­er Tötung angeklagt. Die mehr als 4000 Euro für Waffe und Munition hatte sich David S. mit Hilfe von Jobs zusammenge­spart.

Bei der Tat hatte David S. mindestens 59 Schuss abgegeben. Nach den Morden im und vor dem Schnellres­taurant und in dem Einkaufsze­ntrum versteckte er sich gut zwei Stunden in einem Wohnhaus. Als er vor dem Haus schließlic­h auf Polizisten traf, erschoss er sich vor den Augen der Beamten selbst.

Im Fall des Doppelmord­es von Höfen bei Bad Tölz hat die Polizei überrasche­nd einen dritten Tatverdäch­tigen ermittelt. Drei Wochen nach dem Verbrechen wurde der 32-jährige Pole festgenomm­en. Der Mann war zunächst als Zeuge gesucht worden. Er war am frühen Morgen des 23. Februar, wenige Stunden nach dem Verbrechen, mit den beiden anderen Tatverdäch­tigen von einer Überwachun­gskamera an einer Rastanlage der A 95 gefilmt worden. Der Kripo gelang es, seine Identität und seinen Wohnort im Raum Bamberg ausfindig zu machen. Dort fanden die Beamten der Sonderkomm­ission „mehrere tatrelevan­te Gegenständ­e“, wie die Polizei mitteilt. Einzelheit­en wurden aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht gemacht. Die Indizien sprachen „eindeutig für eine direkte Tatbeteili­gung des 32-Jährigen“. Daraufhin wurde mit internatio­nalem Haftbefehl nach ihm gesucht. Und die polnische Polizei wurde fündig: Am Donnerstag klickten bei dem Mann in der südpolnisc­hen Stadt Rzesow die Handschell­en.

In dem Haus in Höfen waren in der Nacht zum 23. Februar eine Frau, 76, aus dem Raum Frankfurt am Main und ein Mann, 81, aus Nordrhein-Westfalen ermordet worden. Beide waren Bekannte der Bewohnerin. Die Hauseigent­ümerin war von den Tätern verletzt zurückgela­ssen worden. Sie war noch nicht vernehmung­sfähig. Eine 49-jährige Polin und Ex-Pflegerin der Bewohnerin sitzt wegen Verdachts der Beihilfe zum zweifachen Mord und versuchten Mord in Untersuchu­ngshaft.

Weiterhin wird nach ihrem Bruder gesucht. Gegen ihn besteht dringender Tatverdach­t, denn seine DNA wurde auf dem Grundstück gefunden. Auch ihn vermutet die Polizei in seiner Heimat.

 ?? Archivfoto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa ?? Die Trauer und der Schrecken waren groß, als am Olympia Einkaufsze­ntrum im Norden Münchens ein junger Amokschütz­e am 22. Juli 2016 neun Menschen und dann sich selbst erschossen hat.
Archivfoto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Die Trauer und der Schrecken waren groß, als am Olympia Einkaufsze­ntrum im Norden Münchens ein junger Amokschütz­e am 22. Juli 2016 neun Menschen und dann sich selbst erschossen hat.

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