Sie wollte ihre beiden Kinder abholen. Jetzt ist sie tot
Täter nun auch einen Namen hat: Khalid Masood, ein in der Grafschaft Kent geborener 52-jähriger Mann, den die Behörden aufgrund von Gewaltdelikten und unerlaubtem Waffenbesitz schon kannten. Und der angeblich „im Auftrag“des sogenannten Islamischen Staates handelte, wie dieser behauptet.
Er war es, der auf der Westminster-Brücke im Zentrum Londons mit einem grauen Hyundai Tucson auf den Bürgersteig raste und laut Augenzeugen mehrere Menschen „regelrecht ummähte“. Später krachte das Auto in einen Zaun. Masood stieg aus und stach beim Versuch, in den Westminster-Palast einzudringen, mit einem langen Messer auf den 48-jährigen, unbewaffneten Polizisten und Familienvater Keith Palmer ein, der seit 15 Jahren zu der Einheit gehörte, die mit der Sicherheit des Parlaments betraut ist. Schließlich erschossen Beamte den Angreifer.
Unter den Toten ist Aysha Frade. Die Britin, 43, Lehrerin mit spanischen Wurzeln, wollte gerade ihre beiden Kinder, acht und elf Jahre alt, von der Schule abholen, als sie von dem Auto erfasst wurde. Auch der US-amerikanische Tourist Kurt Cochran verlor auf der Brücke sein Leben. Er und seine Frau, die noch im Krankenhaus liegt, waren nach London gereist, um ihren 25. Hochzeitstag zu feiern. Noch nichts bekannt ist über den 75 Jahren alten Mann, der sehr schwer verletzt wurde und dessen Tod die Londoner Polizei am späten Donnerstagabend mitteilte. Unter den Verletzten sind zwölf Briten und eben eine Deutsche, aber auch Franzosen, Rumänen, Südkoreaner, ein Pole, ein Ire, ein Chinese, ein Italiener und zwei Griechen.
Es überrascht nicht, dass die Opfer aus so vielen Ländern stammen. Die Attacke traf London mitten ins Herz. Hier drängen sich die Touristenmassen auf den Gehsteigen, Parlamentsangestellte hasten in ihre Büros, Bürger treffen auf ihre Abgeordneten. Westminster ist das Zentrum der britischen Demokratie, Wahrzeichen der Stadt und gleichzeitig Pflichtstation aller Besucher. Am Mittwoch jedoch übertönte Sirenengeheul die tiefen Schläge der berühmten Glocke Big Ben.
In den heiligen Hallen des Unterhauses, das am Tag danach wie gewohnt zusammenkommt, sagt Theresa May nach einer Schweigeminute: „Wir haben keine Angst, und unsere Entschlossenheit wird angesichts des Terrorismus niemals wanken.“Die Regierungschefin hat am Abend zuvor zu der Sitzung aufgerufen. Die Londoner würden aufstehen, hat sie gesagt, und ihren Tag wie immer verbringen.
Tatsächlich, die Metropole macht weiter. In einer Mischung aus Schock und Trotz, Trauer und Kampfeslust pendeln die Menschen zur Arbeit, joggen in den Parks, kehren in Cafés ein und gehen shoppen. In U-Bahn-Stationen sollen Botschaften auf Schildern den Fahrgästen Mut machen. „Alle Terroristen werden höflichst daran erinnert, dass das hier London ist und dass wir – egal was ihr uns auch antut – Tee trinken und uns nicht unterkriegen lassen werden“, heißt es etwa. Das Regierungsviertel füllt sich mit Menschen, und selbst die Westminster-Brücke ist schon nach 24 Stunden wieder geöffnet. Es dauert nur wenige Minuten, bis Trauernde hier Blumen zum Gedenken an die Opfer niederlegen.
Und trotzdem: Anspannung und Betroffenheit sind spürbar. „Uns ist schon ein bisschen mulmig zumute“, sagt Ann, 23-jährige Kellnerin eines Fast-Food-Restaurants am Oxford Circus. „Aber wenn wir aufhören, unseren Alltag zu leben, haben die Bösen gewonnen.“Ein spanisches Paar, das Urlaub macht, nickt zustimmend und macht sich auf zum Buckingham-Palast. Am Abend gibt es am Trafalgar Square eine Mahnwache, bei der tausende Kerzen an die Opfer erinnern.
Als es in der Nacht zum Donnerstag endlich Entwarnung gab, herrschte im Regierungsviertel noch gespenstische Stille. Auf der Westminster-Brücke standen in der Dunkelheit die Doppeldecker-Busse und Autos, deren Insassen Zeugen der schrecklichen Minuten am Nachmittag geworden waren. Nun ragten die Fahrzeuge wie Mahnmale