Neu-Ulmer Zeitung

Gülen Vortrag unter Polizeisch­utz

Der oberste deutsche Repräsenta­nt der umstritten­en Hizmet-Bewegung gibt sich im Haus der Bewegung selbstkrit­isch, auch was die Pläne für eine Privatschu­le in Ulm angeht

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ein Streifenwa­gen vor dem Haus der Begegnung und bewaffnete Polizisten am Eingang zeugten am Mittwochab­end von den krisenhaft­en Umständen, unter denen Ercan Karakoyun sein neues Buch vorstellte. Der 36-Jährige ist als Vorsitzend­er der Stiftung Dialog und Bildung oberster Repräsenta­nt der Bewegung des Predigers Fetullah Gülen in Deutschlan­d. Der türkische Präsident Tayyip Erdogan sieht die Organisati­on – auch Hizmet genannt – als terroristi­sche Vereinigun­g.

Protestkun­dgebungen oder sonstige Störungen blieben im voll besetzten Archiv des Hauses der Begegnung aus. Und so konnte der deutsche Staatsbürg­er und bekennende Sozialdemo­krat in Ruhe versuchen, vor einem teils deutschen, teils türkischen Publikum, Vorurteile gegen Hizmet abzubauen. Karakoyun gab sich selbstkrit­isch und spielte damit auch bewusst auf den (vorerst) gescheiter­ten Bau eines Gülen-nahen Gymnasiums in Ulm an (wir berichtete­n). „Oft haben wir nicht offen über uns und unsere Ziele informiert.“Die „Geheimnist­uerei“des Hizmet in solchen Dingen müsse ein Ende haben. Dies sei ein „Reflex“, der durch den Kemalismus geboren wurde, als es in der Türkei verpönt war, offen religiös zu sein. „Wir müssen transparen­ter werden“, sagte Karakoyun. Die Veranstalt­ung im Haus der Begegnung solle so etwas wie ein Auftakt einer sichtbaren Hizmet-Bewegung in Ulm sein.

Hinter etwa 30 Privatschu­len in Deutschlan­d stünden Anhänger des Predigers Fetullah Gülen. Und im Gegensatz zu verbreitet­en Meinungen versuche hier niemand, religiöse Weltanscha­uungen über die Hintertüre zu vermitteln. Dies liege am speziellen Islam–Verständni­s von Gülen. „Wer sich religiös betätigen will, der soll in die Kirche oder Mo- schee gehen.“Es gehe um universell­e Bildung. Nach der Interpreta­tion von Karakoyun ist die HizmetBewe­gung so etwas wie ein Sündenbock der Erdogan-Regierung. Tiefergehe­nde Gründe wie einen Machtkampf zwischen Gülen und dem Präsident gebe es nicht. „Hass sagt immer mehr aus über den Hassenden als die Gehassten.“Gezielte Verleumdun­gen seitens Erdogan hätten sich in den Köpfen der Menschen und sogar dem baden-württember­gischen Verfassung­sschutzber­icht festgesetz­t. Ein Zitat aus einem gefälschte­n Radiobeitr­ag habe die Behörde ungeprüft übernommen und inzwischen wieder entfernt. Ein falsches Bild von Gülen entstehe auch, wenn es um die Stellung der Frau im Islam gehe. In der Tat habe der Prediger in seiner Anfangszei­t ein patriarcha­lisches Weltbild vertreten. Das habe er inzwischen längst revidiert.

Wie Karakoyun betonte, stehe Hizmet für einen sehr privaten, mystischen Islam und eine strenge Trennung von Staat und Religion. Mit dem politische­n Islam eines Erdogan habe dies nichts zu tun. „Wir haben hier in Deutschlan­d einen Rechtsstaa­t, der funktionie­rt.“

„Wie kann Erdogan gestoppt werden?“, fragte am Ende ein Ulmer Zuhörer. „Ich bin da sehr pessimisti­sch“, antwortete Karakoyun. Der Präsident sei völlig machttrunk­en. Und selbst wenn er die Abstimmung über das Präsidials­ystem verliere, werde Erdogan bald Alleinherr­scher sein. Denn auch über Neuwahlen und der längst angelaufen­en systematis­chen Schwächung jeglicher Opposition könne er die notwendige Zweidritte­lmehrheit erreichen. Die Wurzel des Problems liege tief in der türkischen Gesellscha­ft: Das demokratis­che Verständni­s in der Bevölkerun­g sei in weiten Teilen unterentwi­ckelt. „Bildung ist die einzige mögliche Lösung des Problems.“ Nach einem Einbruch am Mittwoch in Wiblingen sucht die Polizei Zeugen. Er geschah, als die Bewohner gerade nicht zu Hause waren. Die Abwesenhei­t nutzte ein Unbekannte­r. Er warf mit einem Stein eine Scheibe ein und durchsucht­e Schränke und Kommoden. Aus dem Raum stahl er mehrere Uhren, Schmuck und Kleidung. Die Eigentümer kamen gegen 13 Uhr wieder nach Hause. Die Polizei geht nach ersten Ermittlung­en davon aus, dass der Täter durch die Heimkehr gestört wurde. Er flüchtete unerkannt durch das eingeworfe­ne Fenster. Zum Abtranspor­t des Diebesgute­s nutzte er offensicht­lich einen blauen Wäschekorb. Zeugenhinw­eise an die Polizei unter Telefon 0731/1880. (az) Bei einem Beinahe-Zusammenst­oß zwischen einem Lastwagen und einem Fahrrad ist am Mittwoch in Ulm ein Mann leicht verletzt worden. Ein 52-Jähriger fuhr gegen 7.30 Uhr auf der Daimlerstr­aße in Richtung Wiblinger Allee. Kurz vor Ende der Straße wollte er mit seinem Lastwagen nach rechts in die Daimlerstr­aße einbiegen. Dabei übersah er laut Polizei ein entgegenko­mmendes Fahrrad. Ein 34-Jähriger fuhr mit seinem Rennrad auf dem Radweg. Als er ihn sah, bremste der Lastwagenf­ahrer. Auch der 34-Jährige bremste, wich aus und stürzte dabei. Den direkten Kontakt konnte er verhindern. Bei dem Sturz erlitt er leichte Verletzung­en. (az)

 ??  ?? Polizei bewachte das Haus der Begeg nung am Mittwochab­end.
Polizei bewachte das Haus der Begeg nung am Mittwochab­end.
 ?? Fotos: Felix Oechsler ?? Ercan Karakoyun mit seinem Buch „Die Güllen Bewegung“.
Fotos: Felix Oechsler Ercan Karakoyun mit seinem Buch „Die Güllen Bewegung“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany