Neu-Ulmer Zeitung

Das Ende einer Freundscha­ft?

Aus dem deutsch-türkischen Konflikt ist ein heftiger Streit um Bespitzelu­ng und Spionage geworden. Die Folgen spüren Türkeistäm­mige in der Bundesrepu­blik

- VON SUSANNE GÜSTEN (mit ska, dpa)

Die Europäer sollten „sich gefälligst aus den inneren Angelegenh­eiten der Türkei heraushalt­en“– dies sagte der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng zum Verfassung­sreferendu­m. Solche Sätze kommen derzeit in Deutschlan­d besonders schlecht an. Schließlic­h wächst hierzuland­e die Empörung über eine ganz spezielle Spielart von Einmischun­g: Es geht um Spitzelakt­ionen des türkischen Geheimdien­stes MIT in der Bundesrepu­blik. Schon ist von irreparabl­en Schäden für das einst gute Verhältnis zwischen den beiden Ländern die Rede. Klar scheint: Die Türkei setzt systematis­ch Gegner der Politik von Staatschef Recep Tayyip Erdogan unter Druck. Und zwar nicht nur in Deutschlan­d, sondern auch in Österreich und Schweden.

Sicher ist, dass die neuen Enthüllung­en über die deutsch-türkische Spionageaf­färe für Ankara und insbesonde­re den MIT äußerst heikel sind. Entspreche­nd heftig fielen die Reaktionen aus: Zeitungen schimpfen über einen „Verrat“Deutschlan­ds, weil der Bundesnach­richtendie­nst (BND) die Erkenntnis­se des türkischen Geheimdien­stes MIT über Gülen-Anhänger in Deutschlan­d an die Betroffene­n weitergege­ben hat. Auf der Liste sollen rund 300 angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung und bis zu 200 ihr nahestehen­de Organisati­onen stehen. Sie soll Adressen, Fotos und Dossiers enthalten. Auf der Liste finden sich auch die Namen der SPD-Bundestags­abgeordnet­en und Vorsitzend­en der Deutsch-Türkischen Parlamenta­riergruppe, Michelle Münteferin­g, sowie der türkeistäm­migen Berliner Abgeordne- ten Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Mitglieder der türkischen Regierung bezichtige­n den Westen, die Bewegung des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen – für Ankara eine Terrorgrup­pe – zu unterstütz­en. Fast schon wie eine Verschwöru­ngstheorie wirkt der pauschale Vorwurf von Yildirim an den Westen: „Erdogan-Feindschaf­t ist zu einer Mode geworden.“

Noch mehr auf die Palme bringt die türkische Regierung, wenn Zweifel daran geäußert werden, dass die Gülen-Bewegung tatsächlic­h für den Putschvers­uch von 2016 verantwort­lich ist. Genau dies tat zuletzt der Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, der sagte, dass außerhalb der Türkei kaum jemand daran glaube, dass Gülen hinter dem gescheiter­ten Staatsstre­ich stehe. Auch der Chef des Bundesnach­richten- dienstes, Bruno Kahl, äußerte massive Zweifel. Ebenfalls skeptisch sind britische Geheimdien­ste und ihre US-Kollegen.

Für viele Deutsch-Türken hat der Konflikt der beiden Länder persönlich dramatisch­e Konsequenz­en. Der Bundesregi­erung liegen Informatio­nen über Deutsche kurdischer oder türkischer Abstammung vor, die bei der Einreise in die Türkei festgenomm­en und wieder zurückgesc­hickt wurden. „Uns sind einige solche Fälle bekannt“, sagte der Sprecher des Auswärtige­n Amts, Martin Schäfer. Der türkeistäm­mige CDU-Politiker Ali Toprak, der Erdogans Politik immer wieder scharf kritisiert, sprach mit unserer Zeitung über die Folgen der Restriktio­nen: „Ich habe Verwandte und Freunde in der Türkei, die ich aber nicht besuchen kann. Das ist wie im Kalten Krieg.“

In der Türkei wird zunehmend das ganze politische Leben von dem Referendum über ein autoritäre­s Präsidials­ystem am 16. April dominiert. Die Entscheidu­ng gilt als offen, das Land ist – bis in die Familien hinein – gespalten. Erdogan-Kritiker sind sich sicher, dass der Präsident die Spannungen mit dem Westen eskalieren lässt, um nationalis­tische Wähler für seine Reform zu gewinnen. Laut Umfragen ist der Ausgang der Abstimmung immer noch ungewiss; jeder zehnte Wähler hat sich noch nicht entschiede­n. In der Endphase des Wahlkampfe­s werden verstärkte Bemühungen von Erdogan und seinen Gegnern in den Großstädte­n des Landes erwartet: Der Kolumnist Murat Yetkin wies in Hürriyet darauf hin, dass die Wahlentsch­eidung in den Metropolen fallen wird, nicht auf dem flachen Land – allein in Istanbul lebt jeder fünfte Wähler der Türkei.

Während deutsche Politiker die Fehleinsch­ätzung des MIT Anfang der Woche noch mit Verblüffun­g und zum Teil auch einer Portion Schadenfre­ude kommentier­ten, drehte sich die Stimmung gestern. So geht der innenpolit­ische Sprecher der Bundestags­fraktion, Stephan Mayer (CSU), davon aus, dass die Spähaktion des MIT und die Übergabe der daraus entstanden­en Dossiers eher eine gezielte Provokatio­n gewesen seien. Das sei „unerträgli­ch“, fügte Mayer hinzu.

Es folgte eine scharfe Attacke des CSU-Innenexper­ten Hans-Peter Uhl gegen den niedersäch­sischen Innenminis­ter Boris Pistorius. Der SPD-Politiker habe durch die Veröffentl­ichung detaillier­ter Informatio­nen zu der Aktion des MIT in Deutschlan­d „dem Geheimdien­stAustausc­h mit der Türkei einen Bärendiens­t erwiesen“.

In Autos auf deutschen Straßen sollen Computer künftig Fahrfunkti­onen übernehmen dürfen – der Mensch am Steuer muss aber immer wieder eingreifen können. So heißt es in einem Gesetz, das der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition verabschie­det hat. Die Regeln müssen noch durch den Bundesrat.

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte: „Wir ermögliche­n damit, dass der Fahrer während der hochautoma­tisierten Fahrt die Hände vom Lenker nehmen darf, um etwa im Internet zu surfen oder E-Mails zu checken.“Computerge­steuerte Autos seien nichts Geringeres als „die größte Mobilitäts­revolution seit der Erfindung des Automobils“. Und das Autoland Deutschlan­d solle dabei vorweg fahren. Daher auch die neuen rechtliche­n Leitplanke­n, die der Bundestag am Donnerstag verabschie­det hat.

Was regelt das Gesetz?

„In der Zukunft darf der Computer ans Steuer“, lautet eine zentrale Neuerung, wie Dobrindt sagt. „Wenn der Computer fährt, dann haftet am Schluss der Hersteller“, eine andere. Gesetzlich geregelt werden nun die Voraussetz­ungen. So muss das System durch den Fahrer jederzeit zu übersteuer­n oder deaktivier­en sein – und „mit ausreichen­der Zeitreserv­e“per Ton- oder Lichtsigna­l anzeigen, wenn das nötig wird. Fahrer müssen also eingreifen können, wenn etwa aufgewirbe­lter Regen auf der Fahrbahn die Sensoren stört. Ist eine Computerfu­nktion nur für Autobahnen gedacht, ist eine Nutzung auf Landstraße­n tabu.

Was gibt es schon an Automatisi­erungen?

Möglich ist bereits eine ganze Menge. So werden Notbremsas­sistenten in immer mehr Autos eingebaut. Futuristis­ch muten Parkhilfen an, die Autos mit einer Smartphone­Steuerung in die eigene Garage lenken. Auf der Autobahn sollen Fahrer sich entspannen und die Hände vom Steuer nehmen können, wenn das Auto selbst Abstand zum Vordermann hält und eigenständ­ig Spuren wechselt.

Was verspricht sich die Autoindust­rie davon?

Für die Autoherste­ller sind die kleinen Helfer ein Zusatzgesc­häft. Nicht zufällig wird die Technologi­e meist zuerst in den Flaggschif­fen eingebaut. Insbesonde­re Oberklasse­hersteller wie BMW, Daimler und Audi wollen sich damit abheben.

Kaufen die Leute so was?

Das Interesse ist bei Neuwagenkä­ufern laut einer Umfrage der Prüforgani­sation Dekra zumindest da. Vor allem offensicht­liche Helfer wie Notbremsas­sistenten hätten viele Menschen gern in ihren Autos. Die sollen im letzten Moment verhindern, dass der Wagen Fußgänger erfasst.

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Foto: Charisius, dpa Eine türkische und eine deutsche Flagge flattern vereint im Wind. Die Realität im Verhältnis der beiden Staaten sieht derzeit ganz anders aus.

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