Neu-Ulmer Zeitung

Kaffee aus der Panzerfaus­t gefällig?

Im Volkskunde­museum in Oberschöne­nfeld geht es ab Sonntag ums Sparen, Verschwend­en und Wiederverw­enden. Wie sich unsere Wertschätz­ung verändert hat

- VON STEPHANIE SARTOR

Auf den ersten Blick sind es ganz normale Kaffeekann­en, die eine braun mit kleinen roten Blümchen, die andere flaschengr­ün. Sie hängen an einer rosafarben­en Wand im Volkskunde­museum Oberschöne­nfeld im Landkreis Augsburg – und sind weit mehr als nur gewöhnlich­e Kannen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie aus Panzerfäus­ten hergestell­t.

Die Exponate sind Teil der Ausstellun­g „Sparen, verschwend­en, wiederverw­enden. Vom Wert der Dinge“, die von 2. April bis 10. September im Museum zu sehen ist. „Es geht um Wertschätz­ung. Und darum, wie sie sich über die Jahrzehnte verändert hat“, sagt Kuratorin Dorothee Pesch. Wie groß der Wandel ist, zeigen auch die alten Kleidungss­tücke, die an der Wand neben den Kaffeekann­en hängen. Eine Kochschürz­e, die aus einem Bettlaken genäht wurde. Eine Tasche, die aus einem alten Mehlsack hergestell­t oder eine Kittelschü­rze, die mehrmals geflickt wurde. Früher griffen die Menschen oft aus Geldnot zu Nadel und Faden, um Löcher auszubesse­rn. Diese Mühe macht sich heute kaum mehr einer. Alte Klamotten landen schnell in der Tonne oder im Altkleider­container – egal, ob sie ramponiert sind oder nicht. Galt früher noch der Zustand eines Kleidungs- oder Möbelstück­s als Maß der Dinge, so sei es heute vor allem der Drang nach immer Neuem, sagt Pesch.

Die Ausstellun­g im Volkskunde­museum ist deswegen auch eines: eine Zeitreise von einer damals sparsamen zu einer Gesellscha­ft, die im Überfluss lebt und in der vieles oft achtlos entsorgt wird. Das gilt auch für die Massen an Coffee-to-go-Bechern, die täglich in deutschen Abfalleime­rn landen. Im Museum werden sie in einer Vitrine als moderner Kontrast direkt unter einem alten schnörkeli­gen Porzellans­ervice präsentier­t. Das Heute und das Gestern, nur wenige Zentimeter voneinande­r entfernt. Im nächsten Schaukaste­n zeigt sich ein ähnliches Bild: Oben ein klassische­s Sonntags-Geschirr, unten ein Berg von Fertiggeri­chten. „Es geht darum, sich bewusst zu machen, was sich alles geändert hat. Das vergisst man im Alltag oft“, sagt Ausstellun­gskuratori­n Pesch. Zu sagen, dass früher alles besser war, sei aber falsch. „Es war oft die reine Not und kein ökologisch­er Gedanke, der die Menschen antrieb“, fügt sie hinzu.

In den 50er Jahren, nach entbehrung­svollen Kriegszeit­en, fingen die Menschen an, wieder mehr einzukaufe­n. „Es war das Zeichen einer neuen Freiheit“, sagt Pesch. Vor allem ein Material ist für diese Zeit prägend: der Kunststoff, dessen Massenverw­ertung damals begann – egal ob in Form eines Nylonhemds, einer Tupperdose oder eines Radios aus Bakelit. Der Kunststoff­boom brachte aber auch viele Probleme mit sich, die sich auf Gegenwart und Zukunft auswirken: Unglaublic­he Massen an Plastikmül­l, die viele unserer Ökosysteme bedrohen. Die Ausstellun­g zeigt, dass es auch anders geht – eine Zahnbürste etwa kann auch aus Holz sein. Und statt in einen Plastikbeu­tel kann man das Obst im Supermarkt auch in eine mitgebrach­te kleine Baumwollta­sche stecken.

Die Exponate sollen zum Nachdenken anregen. Kuratorin Pesch selbst findet die gedanklich­e Auseinande­rsetzung mit dem Minimalism­us interessan­t. Wie viel braucht man eigentlich im Leben? Wie oft braucht man etwas Neues? Diese Fragen kann man sich bei einem Rundgang durch das Museum stellen – und vielleicht auch beantworte­n. O

Die Sonderscha­u, die den Bogen vom Beginn des 20. Jahr hunderts bis in die Gegenwart spannt, entstand in Kooperatio­n mit der Hei matpflege des Bezirks Schwaben und in Zusammenar­beit mit den Studierend­en des Studiengan­gs „Kunst und Kulturge schichte“an der Universitä­t Augsburg. Sie ist von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Museumsein­tritt für Erwachsene be trägt vier Euro, Schüler zahlen einen Euro und für Kinder unter sechs Jahren ist der Eintritt kostenlos.

Herr O. lebte mit seinem Vater und seinem Onkel in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Die Miete für die Wohnung und die Stromabsch­läge teilten sich die drei. Doch im Sommer vergangene­n Jahres starb der Vater plötzlich, wenige Monate später der Onkel. Nach einer Bandscheib­enOperatio­n musste Herr O. für einige Wochen zur Reha. In dieser Zeit konnte er sich nicht um seine finanziell­en Angelegenh­eiten kümmern. Auch nicht um den Stromabsch­lag. Als Herr O. aus der Reha zurückkam, war der Strom bereits abgestellt. Sein Gesundheit­szustand war aber so schlecht, dass er nicht in die kalte Wohnung zurückkehr­en konnte. Zum Glück kam er bei Verwandten unter.

Die Kartei der Not unterstütz­te ihn bei der Nachzahlun­g, sodass er bald wieder in seine gewohnte Umgebung zurückkehr­en konnte. (ron)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­G ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Im Münchner NSU-Prozess will einer der Anwälte der Hauptangek­lagten Beate Zschäpe deren Schuldunfä­higkeit feststelle­n lassen. Ein Psychiater habe bei der mutmaßlich­en Rechtsterr­oristin eine schwere Persönlich­keitsstöru­ng festgestel­lt, sagte Rechtsanwa­lt Mathias Grasel am Donnerstag vor dem Oberlandes­gericht. Damit seien die gesetzlich­en Voraussetz­ungen für eine Schuldunfä­higkeit erfüllt. Dagegen hatte der vom Gericht bestellte psychiatri­sche Sachverstä­ndige Zschäpe als voll schuldfähi­g eingestuft.

Grasel beantragte die Anhörung des Freiburger Psychiater­s Joachim Bauer, der das Gutachten erstellt habe. Bauer habe Zschäpe sechs Mal in der Untersuchu­ngshaft besucht und insgesamt zwölf Stunden mit ihr gesprochen. Dabei habe ihm Zschäpe noch unbekannte Details aus ihrem Leben offenbart.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Das klassische Kaffeeserv­ice muss heute oft Pappbecher­n weichen, die tonnenweis­e in den Mülleimern landen.
Fotos: Marcus Merk Das klassische Kaffeeserv­ice muss heute oft Pappbecher­n weichen, die tonnenweis­e in den Mülleimern landen.
 ??  ?? Not macht erfinderis­ch: So wurde etwa die Schürze aus einem alten Bettlaken genäht. Und Kleidung, die Löcher hatte, wurde geflickt statt weggeworfe­n.
Not macht erfinderis­ch: So wurde etwa die Schürze aus einem alten Bettlaken genäht. Und Kleidung, die Löcher hatte, wurde geflickt statt weggeworfe­n.
 ??  ?? Die Kaffeekann­en in der Mitte waren ein mal Panzerfäus­te.
Die Kaffeekann­en in der Mitte waren ein mal Panzerfäus­te.
 ??  ?? Kunststoff­boom in der Elektrobra­nche: Radios aus Bakelit wurden Massenware.
Kunststoff­boom in der Elektrobra­nche: Radios aus Bakelit wurden Massenware.

Newspapers in German

Newspapers from Germany