Neu-Ulmer Zeitung

Wie Dobrindt die Maut rettete

Nach jahrelange­m Gezerre hat es der Minister geschafft. Um das Wahlverspr­echen der CSU einlösen zu können, bedurfte es aber eines Kuhhandels. Mittendrin: die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der Weg für die Pkw-Maut für Ausländer ist frei – und damit möglicherw­eise auch der für die Elektrifiz­ierung einer Eisenbahns­trecke in Thüringen. Das eine scheint auf den ersten Blick zwar überhaupt nichts mit dem anderen zu tun zu haben. Doch die Geschichte, wie es die umstritten­e Infrastruk­turabgabe am Freitag durch den Bundesrat geschafft hat, taugt zum Lehrstück für die Kultur des Kuhhandels in der Politik. Um sein Prestigepr­ojekt noch in dieser Legislatur­periode umzusetzen, haben Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) und seine Leute nach Informatio­nen unserer Zeitung mautkritis­ch eingestell­te Landesregi­erungen „bearbeitet“und am Ende erfolgreic­h davon abgehalten, das Gesetz in einem langwierig­en Vermittlun­gsverfahre­n zu verschlepp­en.

35 der 69 Stimmen in der Länderkamm­er wären notwendig gewesen, um die Ausländerm­aut noch einmal zu bremsen. Und vor der Sitzung musste Dobrindt durchaus bangen. Denn mehrere Länder wollten die Vermittlun­g – darunter NordrheinW­estfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, die etwa Einbußen im grenzübers­chreitende­n Handel befürchten. Am Ende gab es allerdings nur 31 Stimmen für das Vermittlun­gsverfahre­n – vier zu wenig.

Über vier Stimmen im Bundesrat verfügt Thüringen, das von einer rot-rot-grünen Koalition unter dem Linken Bodo Ramelow regiert wird. Bis zuletzt hatten Vertreter Thüringens das Mautgesetz heftig kritisiert. Doch bei der Abstimmung gestern enthielt sich das Land und verhindert­e damit letztlich die Anrufung eines Vermittlun­gsausschus­ses. Insider glauben, dass der plötzliche Stimmungsw­echsel mit der Mitteldeut­schen Bahn zu tun haben könnte, die von der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt Erfurt über Gera nach Sachsen führt. Seit 20 Jahren hofft die Politik in Thüringen auf eine Elektrifiz­ierung – bisher vergeblich. Jetzt, so heißt es, habe Dobrindts Verkehrsmi­nisteri- um Entgegenko­mmen signalisie­rt. Eine offizielle Bestätigun­g für eine mögliche Absprache gibt es nicht. Doch laut Benjamin-Immanuel Hoff, dem Chef der Erfurter Staatskanz­lei, hat die bayerische Seite durchaus Druck ausgeübt und gedroht, sich beim Länderfina­nzaus- gleich querzustel­len. Das klamme Thüringen ist auf die Transferza­hlungen aus dem Süden angewiesen. Hoff spricht von einer „unsittlich­en Verknüpfun­g im föderalen Aushandlun­gsprozess“und von „Geiselhaft“. Inhaltlich bleibe Thüringen bei seiner Kritik und hoffe nun eben, dass das Gesetz zur Ausländerm­aut nun vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f scheitere. Österreich kündigte gestern eine entspreche­nde Klage an. Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d sagte, die Maut diskrimini­ere Ausländer. Den Kompromiss zwischen der EU und Deutschlan­d bezeichnet­e er als „Skandal“. Nationalst­aatlichen Regelungen in anderen EU-Staaten werde so der Weg geebnet.

Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Winfried Hermann (Grüne) sieht das wohl ähnlich. Es sei „kein gutes Zeichen für Europa“, wenn Deutschlan­d die „Ausländerm­aut“einführe. Gleichwohl enthielt sich das Land im Bundesrat. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n von den Grünen wollte offenbar den Frieden mit seinem Koalitions­partner CDU nicht gefährden.

Und so durfte sich Verkehrsmi­nister Dobrindt über die Einlösung eines zentralen Wahlverspr­echens der CSU freuen: „Zum allererste­n Mal beteiligen sich alle, die unsere Straßen nutzen, auch an deren Finanzieru­ng.“Der Grenzverke­hr werde nicht beeinträch­tigt, wies er Kritik aus den Ländern zurück. Ursprüngli­ch war sein Mautgesetz schon 2015 besiegelt worden. Doch die EU-Kommission sah eine mögliche Benachteil­igung von Ausländern,

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Verspreche­n eingelöst: Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (links) und Horst Seehofer im Bundesrat.

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