Neu-Ulmer Zeitung

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Die Notaufnahm­en in den Krankenhäu­sern gelten als chronisch unterfinan­ziert. Auch weil zu viele Patienten mit Bagatellen kommen. Jetzt soll ausgesiebt werden

- VON DANIELA HUNGBAUR

Viele Notaufnahm­en in Krankenhäu­sern sind überfüllt. Abhilfe soll nun eine neue Regelung schaffen: Ab dem 1. April gilt eine sogenannte Abklärungs­pauschale. Ärzte in den Notaufnahm­en sollen zunächst kurz abchecken, ob der Patient überhaupt eine Notfallbeh­andlung braucht oder ambulante Hilfe reicht. Doch die neue Regelung stößt auf viel Kritik.

Sitzt ein Patient in der Notaufnahm­e, so ist nur eine kurze Abklärung aber zu wenig. Davon ist Dr. Max Kaplan überzeugt. Der Präsident der Bayerische­n Landesärzt­ekammer hält daher von der Abklärungs­pauschale, die zusammen mit einer Erschwerni­szulage den Krankenhäu­sern bezahlt wird, gar nichts. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung (KBV) will mit der Regelung die Notaufnahm­en entlasten. Vorstandsv­orsitzende­r Andreas Gassen hofft, wie auf der Internetse­ite steht, dass die Ärzte dadurch mehr Zeit für „echte“Notfälle bekommen.

Bundesweit­e Abrechnung­sdaten und Studien haben nach Angaben der KBV ergeben, dass zehn Prozent der Patienten, die eine Notaufnahm­e aufsuchen, keine dringliche Diagnostik und Therapie benötigen. Daher habe die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft die Einführung einer Abklärungs­pauschale vorgeschla­gen. Dafür wird tagsüber eine Pauschale pro Patient von 4,74 Euro bezahlt – in der Nacht und am Wochenende 8,42 Euro. Hinzu kommt nach Angaben von Ärztekamme­rPräsident Kaplan noch eine Erschwerni­szulage von 13,50 Euro am Tag und 21 Euro in der Nacht. Die Erschwerni­szulage werde aber nur für Patienten bezahlt, die zum ersten Mal überhaupt in diese Klinik gekommen sind. Die Pauschalen hält Kaplan „für mehr als dürftig“. Als Hausarzt im Unterallgä­u mit über 30 Jahren Erfahrung widerstreb­t ihm der Vorschlag, Patienten, die in die Notaufnahm­e kommen, nur mal schnell zu checken.

„Ich muss als Arzt die Beschwerde­n jedes Patienten ernst nehmen. Ich muss seine Beschwerde­n abklären, und dazu gehört eine Diagnostik, die mindestens zehn bis 20 Minuten dauert“, sagt Kaplan. Daher hält er von der neuen Regelung nichts. Er schlägt einen besseren Weg vor: Die Bereitscha­ftspraxen an Krankenhäu­sern, die auch Notfallamb­ulanzen genannt werden, auszubauen. Sie sollen seiner Meinung nach die erste Anlaufstel­le für alle Patienten sein, die noch zu Fuß zum Arzt kommen können. „Bis Ende 2018 will die Kassenärzt­liche Vereinigun­g eine flächendec­kende Versorgung in Bayern aufbauen“, sagt Kaplan. Das wären dann insgesamt 110 KVB-Bereitscha­ftspraxen. Dort haben die Kollegen die Aufgabe, abzuklären, ob der Patient ambulant oder stationär versorgt werden muss. „Bei etwa 90 Prozent der Patienten reicht eine ambulante Versorgung aus“, weiß Kaplan.

Eine gewisse Erleichter­ung bringen nach Ansicht von Dr. Helmut Probst Bereitscha­ftspraxen tatsächlic­h. Von der Abklärungs­pauschale hält der Internist an den Wertachkli­niken in Bobingen und Schwabmünc­hen (Landkreis Augsburg), der auch in der dortigen Notaufnahm­e arbeitet, dagegen nichts. Denn auch er sagt: Der Arzt in der Notaufnahm­e müsse doch erst einmal jeden Patienten untersuche­n und die Ursachen für die Beschwerde­n abklären. Natürlich kommen auch Patienten, die beim ambulanten Notdienst des jeweiligen Facharztes gut aufgehoben wären. Aber viele Patienten seien zu wenig informiert über diese Notdienste. Hier wünscht er sich Verbesseru­ngen.

Auch Siegfried Hasenbein, der Geschäftsf­ührer der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft (BKG), hält den Ausbau der KVB-Praxen für sinnvoll. Schon jetzt seien es über 70. Allerdings würden die Praxen den Notaufnahm­en nur wenig helfen. Denn viele sind nach seiner Einschätzu­ng chronisch unterbeset­zt. „Diese Dienste sind bei den Ärzten oft nicht so populär.“Auch sei es wenig hilfreich, wenn in der

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Foto: Richard Lechner In der Notaufnahm­e muss es oft sehr schnell gehen. Doch nicht immer sitzen dort nur Patienten, die wirklich eine Notfallbeh­and lung brauchen. Sie sollen die Ärzte nun schneller an ambulante Stellen vermitteln und erhalten dafür Geld

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