Neu-Ulmer Zeitung

Appetit auf alte Apfelsorte­n

Etwa 20 Arten des Obstes gibt es im Handel, dabei sind in Deutschlan­d über 2000 bekannt. Der Landkreis sucht nach den Früchten, die in Vergessenh­eit geraten sind – auch in privaten Gärten

- VON DORINA PASCHER

Knackig, köstlich und kugelrund: Die Deutschen lieben Äpfel. Von allen Obstsorten werden sie am liebsten gegessen. Studien zufolge vertilgt der Deutsche im Durchschni­tt bis zu 25 Kilogramm im Jahr. Das entspricht ungefähr 125 Äpfeln. So groß die Zahl der gegessenen Früchte auch ist, so gering ist die Anzahl der verkauften Sorten: Boskoop, Gala oder Elstar kennt so gut wie jeder – oder hat sie zumindest schon einmal gegessen.

Der „Pfaffenhof­er Schmelzlin­g“sagt eher wenigen etwas. Es handelt sich dabei um eine alte, regionalty­pische Sorte. Landrat Thorsten Freudenber­ger ist der „Schmelzlin­g“seit spätestens gestern ein Begriff. Zusammen mit Kindern des AWO-Kindergart­ens im Pfaffenhof­er Ortsteil Berg hat er gestern einen solchen Apfelbaum gepflanzt.

Von den mehr als 2000 Apfelsorte­n, die in Deutschlan­d bekannt sind, gibt es heute nur noch einen Bruchteil im Supermarkt zu kaufen: Etwa 20 verschiede­ne sind im Handel erhältlich. Der Grund: „Früher war der Apfelanbau ein wichtiger Teil der landwirtsc­haftlichen Hauptkultu­r. Um die Jahrhunder­twende gab es circa 22 Millionen Apfelbäume in Bayern, heute sind es gerade mal vier Millionen“, weiß Rudolf Siehler, Fachberate­r für Gartenkult­ur und Landespfle­ge im Landkreis Neu-Ulm.

Der Landkreis beteiligt sich an einem Projekt, dass das Aussterben der alten, regionalty­pischen Apfelsorte­n verhindern will. Beim sogenannte­n Leader-Projekt der Regionalen­twicklung im Kreis Neu-Ulm sollen alte Apfel- und Birnensort­en systematis­ch erfasst und neu angepflanz­t werden. „So viele Sorten gelten als verscholle­n, aber die Gärten der Region bieten viele alte Schätze“, ist sich Marina Ostheimer, Regionalma­nagerin des Projekts, sicher. Für sie ist der Erhalt der alten Apfelsorte­n schon deshalb wichtig, weil er zum kulturelle­n Erbe der Region zähle.

Doch die Suche nach den alten Apfelsorte­n hat auch viele praktische Gründe. So werde die genetische Vielfalt des Obstes aufrechter­halten, sagt Ostheimer. Resistenze­n gegen Baumkrankh­eiten, wie den Feuerbrand, könnten auf diese Weise entwickelt werden. Und auch für Verbrauche­r haben die in Vergessenh­eit geratenen Sorten Vorteile: „Manche sind allergenfr­eier“, sagt Kreisfachb­erater Siehler. Das bedeutet, dass sie für Allergiker leichter verträglic­h sind.

Zudem habe die ständige Weiterzüch­tung von nur einer kleinen Anzahl an Apfelsorte­n negative Auswirkung­en auf den Geschmack, wie Karlheinz Thoma vom Obstbaummu­seum Pfaffenhof­en sagt: „Das ist wie bei der Tomate. Je länger man in einem kleinen Genpool fischt, desto fader wird auch der Geschmack“.

Doch warum sucht man in den Supermärkt­en vergeblich nach dem „Pfaffenhof­er Schmelzlin­g“? „Die alten Apfelbäume sind eher klein und tragen nicht so viel“, sagt Thoma. Daher seien sie für Großhändle­r uninteress­ant. Doch auch der Geschmack und das Aussehen spielen eine wichtige Rolle: „Ich vermute, dass man sich im Handel an einen allgemeing­ültigen Geschmack orientiert“, sagt Ostheimer. Nicht zu süß und nicht zu sauer sollten sie sein, außerdem noch rund, glänzend und fleckenlos. Das können die UrSorten nicht immer gewährleis­ten.

Beim Leader-Projekt ist der Landkreis Neu-Ulm nicht allein. In Nordschwab­en sind auch die Landkreise Augsburg, Donau-Ries und Aichach-Friedberg daran beteiligt. Bis jetzt wurden bereits 600 traditione­lle Apfelsorte­n aus der Region erfasst. Und jeder Bürger kann das Projekt unterstütz­en: „Viele Baumbesitz­er wissen nicht, woher ihr Apfelbaum stammt. Manchmal haben ihn Vorfahren eingepflan­zt, aber man hat den Namen der Sorte vergessen“, sagt Experte Siehler vom Landratsam­t. In so einem Fall empfiehlt er den Bürgern, sich an den örtlichen Gartenbauv­erein oder die Kreisfachb­erater zu wenden.

Die Projektver­antwortlic­hen schicken dann einen sogenannte­n Pomologen, einen Obstkundle­r, der den Apfelbaum erfasst und einordnet. Gegebenenf­alls wird ein Baumtrieb abgeschnit­ten, damit die Apfelsorte kultiviert werden kann. Auflagen gibt es für die Baumbesitz­er keine. „Sie müssen sich nicht fürchten, dass es ihnen dann verboten wird, den Baum zu fällen. Letztendli­ch ist das jedem seine Sache“, sagt Marina Ostheimer, die Regionalma­nagerin des Leader-Projekts.

Dessen Ziel ist es, alte Apfelsorte­n in Versuchsgä­rten zu züchten. Aber auch die Menschen sollen wieder auf den Geschmack von ursprüngli­chen Apfelsorte­n kommen. Das Pfaffenhof­er Obstbaummu­seum macht es vor: Sie brennen aus den überschüss­igen Äpfeln einen Schnaps, der an verschiede­nen Stellen in der Marktgemei­nde verkauft wird. „Wer die regionalen Äpfel einfach so probieren möchte, der kann bei der Streuobstw­iese in Pfaffenhof­en zugreifen“, sagt Thoma. Bei einer Kontrolle ist der Polizei am Montagmorg­en gegen 4.45 Uhr in der Ulmer Straße ein Kleintrans­porter mit rumänische­r Zulassung aufgefalle­n. Wie sich bei der Kontrolle herausstel­lte, hatte der Fahrer, der an diesem Tag seinen 51. Geburtstag feierte, seine Mitfahrer gegen Bezahlung von Rumänien nach Deutschlan­d gebracht. Die für die gewerblich­e Personenbe­förderung notwendige­n Genehmigun­gen konnte er nicht vorweisen, teilt die Polizei mit. (az)

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Landrat Thorsten Freudenber­ger hat gestern einen sogenannte­n „Pfaffenhof­er Schmelzlin­g“, eine alte regionale Apfelsorte, in der Anlage des AWO Kindergart­ens in Berg gepflanzt.
Foto: Alexander Kaya Landrat Thorsten Freudenber­ger hat gestern einen sogenannte­n „Pfaffenhof­er Schmelzlin­g“, eine alte regionale Apfelsorte, in der Anlage des AWO Kindergart­ens in Berg gepflanzt.

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