Neu-Ulmer Zeitung

Wie Assad zum Verbrecher wurde

Im Westen galt der Machthaber vor dem Beginn des Krieges als Hoffnungst­räger und Reformer. Doch das war nur ein Missverstä­ndnis. Heute schaut die Welt fassungslo­s auf sein Regime

- VON SIMON KAMINSKI

Baschar al-Assad ist zu Beginn seiner Amtszeit als „Herrscher wider Willen“bezeichnet worden. Und in der Tat war es ein Zufall, der den damals 34-Jährigen im Jahr 2000 an die Spitze des Staates spülte. Heute ist Syrien ein Land, in dem seit sechs Jahren Krieg herrscht, das zu den gefährlich­sten und düstersten Orten der Erde zählt.

Von 1970 an herrschte Baschars Vaters Hafiz al-Assad mit harter Hand und, wenn er es für nötig erachtete, auch mit großer Brutalität. Eigentlich sollte Hafiz’ ältester Sohn Basil den Vater beerben. So hatte es die Familie, Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten, beschlosse­n. Doch Basil starb 1994 bei einem Autounfall. Nun war die Reihe an Baschar, der in London als angehender Augenarzt medizinisc­he Studien trieb. Nach übereinsti­mmenden Berichten war der junge Mann wenig begeistert, als ihm der Vater eröffnete, dass er in seiner Heimat gebraucht werde. Doch Baschar spurte. Der in solchen Fällen üblichen militärisc­hen Ausbildung folgte der Einstieg in die Politik – in Syrien ist das gleichbede­utend mit einer Karriere in der Baath-Partei.

Als Vater Hafiz nach langer Krankheit zur Jahrtausen­dwende starb, startete Baschar al-Assad mit dem Verspreche­n ins Amt, das verkrustet­e System zu reformiere­n und zu modernisie­ren. Letzteres immerhin erwies sich nicht als leere Formel. Tatsächlic­h begann der junge Herrscher, Neue Medien zu fördern und der Privatwirt­schaft mehr Spielraum einzuräume­n. Der Begriff vom „Damaszener Frühling“ machte die Runde. Die Hoffnungen in Syrien, aber auch in der westlichen Welt waren groß. Doch das war – wie sich zeigen sollte – letztlich nur ein Missverstä­ndnis. Denn auch in der Phase der vorsichtig­en Öffnung wurde jede Kritik am Regime weiterhin rigoros von den Geheimdien­sten verfolgt und bestraft. Bevormundu­ng und Folter in den Gefängniss­en blieben an der Tagesordnu­ng. Ernsthafte demokratis­che Reformen nahm Assad nie in Angriff. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass der Familiencl­an, Militärs und sonstige Profiteure des Systems einen echten Kurswechse­l als existenzie­lle Bedrohung fürchteten.

Doch dann kam die Gefahr für die Führung in Damaskus aus einer ganz anderen Richtung. Die Unzu- friedenhei­t in Teilen der Bevölkerun­g wuchs unmerklich, als sich abzeichnet­e, dass von dem zarten wirtschaft­lichen Aufschwung in erster Linie die mit dem Regime eng verquickte politische und ökonomisch­e Führungssc­hicht profitiert­e – nicht aber das Gros der über 20 Millionen Syrer. Im Frühjahr 2011 flackerten nach friedliche­n Protesten erste Unruhen in mehreren syrischen Städten auf. Demonstrat­ionen endeten in einem Blutbad. Hunderte wurden von Sicherheit­skräften erschossen, Tausende festgenomm­en. AssadGegne­r leisten militärisc­hen Widerstand. Ein Strom von Waffen und Kämpfern flutet seitdem ins Land.

Heute, sechs Jahre später, bleibt ein fassungslo­ser Blick zurück auf einen Krieg mit mehr als 400 000 Toten und Millionen Flüchtling­en. In Syrien kämpfen neben der Armee und dem IS auch unzählige Milizen. Längst ist es ein Krieg, in dem alle Seiten gegen die Genfer Konvention­en verstoßen. Da werden Krankenhäu­ser bombardier­t, Menschen als lebende Schutzschi­lde benutzt

 ?? Archivfoto: dpa ?? Immer gut gekleidet, bei seinen Auftritten kontrollie­rt, zuweilen gar jovial. So inszeniert sich der syrische Diktator Baschar al Assad in der Öffentlich­keit.
Archivfoto: dpa Immer gut gekleidet, bei seinen Auftritten kontrollie­rt, zuweilen gar jovial. So inszeniert sich der syrische Diktator Baschar al Assad in der Öffentlich­keit.

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