Neu-Ulmer Zeitung

So will die Regierung Kinderehen verhindern

Das neue Gesetz schafft Klarheit: Wer nicht volljährig ist, darf auch nicht heiraten. Ausnahmen soll es künftig nicht mehr geben

-

Lange hatte die Große Koalition um das Verbot der Kinderehe gerungen. Gestern hat das Kabinett Fakten geschaffen und den Gesetzentw­urf von Justizmini­ster Heiko Maas beschlosse­n. Mit der Neuregelun­g entfällt die bisherige Möglichkei­t, in Ausnahmefä­llen auch das Heiraten ab 16 zuzulassen. Wer davon betroffen ist und worum es in der Initiative noch geht:

Wie viel verheirate­te Minderjähr­ige leben in Deutschlan­d?

Die Zahl ist insgesamt überschaub­ar: Mitte vergangene­n Jahres wies das Ausländerz­entralregi­ster insgesamt 1475 verheirate­te Minderjähr­ige aus, 1152 Mädchen und 317 Jungen. Bei sechs der Jugendlich­en war das Geschlecht unbekannt. 361 Betroffene waren sogar jünger als 14 Jahre. Die Hauptherku­nftsländer sind Syrien (664), Afghanista­n (157) und der Irak (100). Allerdings tauchen in der Statistik auch Jugendlich­e aus den EU-Ländern Bulgarien, Polen, Rumänien und Griechenla­nd sowie aus der Türkei auf – jeweils in zweistelli­ger Höhe. In Deutschlan­d werden auf Basis der bislang bestehende­n Ausnahmere­gelung jährlich noch rund 100 Jugendlich­e zwischen 16 und 17 mit einem volljährig­en Partner verheirate­t.

Wie ist die Rechtslage in Deutschlan­d derzeit?

Das Bürgerlich­e Gesetzbuch regelt, dass die Ehe nicht vor Eintritt der Volljährig­keit eingegange­n werden soll. Damit bringt der Gesetzgebe­r zum Ausdruck, dass er Ehen mit Jugendlich­en nicht will – ein Verbot gibt es in Deutschlan­d allerdings nicht. In Paragraf 1303 des Gesetzbuch­es heißt es vielmehr ausdrückli­ch: „Das Familienge­richt kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragstel­ler das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist.“

Was will die Regierung nun ändern?

Die Ehemündigk­eit soll von 16 auf 18 heraufgese­tzt werden: „Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährig­keit eingegange­n werden“, heißt es dazu in dem vom Kabinett beschlosse­nen Gesetzentw­urf. Damit wird die bisherige Möglichkei­t, mit Einwilligu­ng des Familienge­richts schon mit 16 zu heiraten, künftig entfallen.

Was soll künftig für bereits bestehende Ehen gelten?

Sie sollen von den Gerichten aufgehoben werden, wenn einer der Partner 16 oder 17 Jahre alt ist. In begründete­n Härtefälle­n kann von einer Aufhebung abgesehen werden oder wenn der minderjähr­ige Ehegatte zwischenze­itlich volljährig geworden ist und die Ehe bestätigt. Rigoroser sieht die geplante Neuregelun­g für Ehen aus, bei denen einer der Partner noch nicht einmal 16 Jahre alt ist. Sie sollen von vornherein null und nichtig sein – hier soll es deshalb keine Aufhebung geben.

Was geschieht mit verheirate­ten Minderjähr­igen, die als Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen?

Soweit es sich um unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e handelt, nimmt sie das Jugendamt in Obhut. Das geschieht auch jetzt schon häufig, das Gesetz stellt es noch einmal klar. Das Jugendamt prüft dann, welche Schutzmaßn­ahmen erforderli­ch sind – insbesonde­re, ob der Minderjähr­ige von seinem Ehegatten getrennt werden muss. Auch bei verheirate­ten Jugendlich­en, die mit Eltern nach Deutschlan­d kommen, kann das Jugendamt einschreit­en.

Ist die Aufhebung der Ehe mit Nachteilen für die Minderjähr­igen verbunden?

Nach dem Willen der Regierung soll das nicht der Fall sein. Für die Anerkennun­g als Asylbewerb­er sei es „unbeachtli­ch, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjähr­igkeit im Zeitpunkt der Eheschließ­ung unwirksam oder aufgehoben worden ist“, heißt es in der geplanten Neufassung des Asylgesetz­es. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass eine junge Frau Deutschlan­d nach einer Trennung verlassen muss, weil nur ihr Mann als politisch Verfolgter geflohen ist.

Was geschieht, wenn sich die Familien dem Eheverbot widersetze­n?

Wenn anstelle der verbotenen staatliche­n Ehe im Wege vertraglic­her, traditione­ller oder religiöser Handlungen eine Bindung hergestell­t wird, die der Ehe vergleichb­ar ist, kann ein Bußgeld verhängt werden. Im Wiederholu­ngsfall kann das bei Ausländern sogar die Ausweisung begründen.

 ?? Foto: imago ?? Bundesjust­izminister Heiko Maas hat gestern zwei weitreiche­nde Gesetze auf den Weg gebracht.
Foto: imago Bundesjust­izminister Heiko Maas hat gestern zwei weitreiche­nde Gesetze auf den Weg gebracht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany