Ist das der Durchbruch im Fall Bögerl?
Es war eines der rätselhaftesten Verbrechen der vergangenen Jahre. Noch immer sucht die Polizei den Mörder der Bankiers-Ehefrau aus Heidenheim. Jetzt gibt es eine neue Spur
Heiße Spur im Mordfall Maria Bögerl. Die Polizei fahndet seit Mittwochnachmittag mit einer Sprachaufzeichnung und einem Phantombild nach einem Tatverdächtigen. Gesucht wird ein Mann, Mitte 40, der aus der Gemeinde Königsbronn (Landkreis Heidenheim) stammen soll. Der Tod der Bankiers-Ehefrau gilt als einer der großen ungelösten Mordfälle in Deutschland. Am 12. Mai 2010 wurde die Frau des damaligen Heidenheimer Sparkassenchefs aus ihrem Haus im Ortsteil Schnaitheim entführt und später tot aufgefunden.
Wie die Polizei Ulm auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt, sollen die nun veröffentlichten Hinweise bereits vom 27. Juli 2016 stammen. Zwei junge Männer begegneten damals in Hagen (Nordrhein-Westfalen) nachts einem alkoholisierten Mann, der offenbar mit der Tat prahlte. Dies sei den Passanten verdächtig vorgekommen, sodass sie geistesgegenwärtig das Gespräch mit dem Handy aufzeichneten und die Polizei alarmierten. Als diese eintraf, war der Unbekannte aber schon weg. Nach Auswertung der Töne hätte die „Soko Flagge“Täterwissen bei ihm festgestellt.
Der Verdächtige stammt laut der Tonaufzeichnung aus Ochsenberg in der Gemeinde Königsbronn und ist früher Angehöriger der Bundeswehr gewesen. Er habe dort einen Speziallehrgang bei einer PSVKompanie (Psychologische Vertei- absolviert, heißt es. Außerdem preist er – mit deutlich schwäbischem Einschlag – ein Bundeswehr-Kampfmesser (Aitor Jungle King III) als „bestes Überlebensmesser“der Welt an.
Bögerl, die zweifache Mutter, wurde damals mit einem Messer erstochen. Die blecherne Stimme behauptet nun, dass ein zweites solches Messer in den „Ochsenberger Wäldern“liege. Dort kenne er sich aus, aber er gehe nicht mehr hin. Möglicherweise ist das ein Hinweis auf die Tatwaffe. Auch spricht der Unbekannte von einem Bundeswehrrucksack, in dem das Messer transportiert wurde.
Die Fahndung nach dem Schwaben, der 45 Jahre alt sein soll, verlief bisher erfolglos, sodass die Ermittler jetzt die Öffentlichkeit einschalteten. Der Mann wird so beschrieben: schlank, verwahrloste/ungepflegte Erscheinung, Dreitagebart, schwarze Haare, Muttermal unterhalb des rechten Auges und 1,80 Meter groß. Er war dunkel gekleidet.
Der neue Hinweis ist einer von über 10 000 Spuren in diesem rätseldigung) haften Mordfall. Aber bisher wohl der vielversprechendste. Zuletzt sorgte 2015 die Aussage eines Mannes aus Augsburg für Aufsehen. Er behauptete, die Täter zu kennen – was sich jedoch als Ente eines Betrügers erwies. „Nach unserer Einschätzung könnte dieser Unbekannte tatsächlich der Mörder von Maria Bögerl sein“, sagte Michael Bauer von der Ulmer Polizei gestern in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“, in der über die neuesten Erkenntnisse in dem Fall und den Verdächtigen berichtet wurde. Schon kurz nach der Ausstrahlung hieß es, es habe „eine Reihe von Hinweisen“aus dem TVPublikum gegeben. Erste Überprüfungen von konkreten Personen seien noch am Abend angelaufen.
Zum Hintergrund: Die Ermittlungen im Fall Bögerl reichten bis nach Ulm, das Fahrzeug von Maria Bögerl wurde am 14. Mai 2010 im Innenhof des Klosters Neresheim gefunden, ihre verweste Leiche Wochen später an einem Waldrand bei Heidenheim. Bögerls Ehemann, der zwischenzeitlich auch als Verdächtiger galt, nahm sich später das Leben. Auch Massen-DNA-Tests haben die Ermittler bislang nicht auf die richtige Spur geführt. Nun erscheint die öffentliche Fahndung nach dem 45-Jährigen wie die letzte Chance, Klarheit zu erlangen. O
Eine Stimmaufzeich nung des Unbekannten ist auf der In ternetseite des Bundeskriminalamts (bka.de), Rubrik Fahndung, zu finden.
Ein Teil der rund 800000 Pflegeheimbewohner in Deutschland erhält offenbar zu viele und für diesen Zweck nicht zugelassene Psychopharmaka. Besonders betroffen seien die rund 500000 Demenzkranken, berichtete die Krankenkasse AOK gestern in Berlin. Sie beruft sich auf eine vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Studie der Wuppertaler Pharmakologin Petra Thürmann, deren Ergebnisse im AOK-Pflege-Report 2017 enthalten sind.
Laut AOK erhalten rund 40 Prozent der Bewohner mit Demenz dauerhaft mindestens ein Mittel zur Ruhigstellung (Neuroleptikum). „Der breite und dauerhafte Neuroleptika-Einsatz bei Pflegeheimbewohnern mit Demenz verstößt gegen die Leitlinien“, kritisierte Thürmann. Neuroleptika seien zur Behandlung von krankhaften Wahnvorstellungen, sogenannten Psychosen, entwickelt worden. In der Folge könnten aber Nebenwirkungen wie Stürze, Schlaganfälle und Thrombosen auftreten.
2500 Pflegekräfte waren befragt worden. Sie gaben an, dass im Durchschnitt bei mehr als der Hälfte der Bewohner ihres Pflegeheims Psychopharmaka eingesetzt werden. Zwei Drittel der Betroffenen erhielten die Verordnungen sogar länger als ein Jahr – obwohl sie bei Demenzen gar nicht so lange gegeben werden sollten. Trotzdem hielten 82 Prozent der Pflegekräfte den Einsatz auch für angemessen. Der Vorstandsvorsitzende des AOKBundesverbandes, Martin Litsch, sah den kritischen Umgang mit Psychopharmaka als gemeinsame Aufgabe von Ärzten, Heimbetreibern und Pflegekräften. Der geschäftsführende Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte Ärzte für „unverantwortliche und nicht fachgerechte Verschreibungen“von Neuroleptika. (kna)