Neu-Ulmer Zeitung

Ist das der Durchbruch im Fall Bögerl?

Es war eines der rätselhaft­esten Verbrechen der vergangene­n Jahre. Noch immer sucht die Polizei den Mörder der Bankiers-Ehefrau aus Heidenheim. Jetzt gibt es eine neue Spur

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Heiße Spur im Mordfall Maria Bögerl. Die Polizei fahndet seit Mittwochna­chmittag mit einer Sprachaufz­eichnung und einem Phantombil­d nach einem Tatverdäch­tigen. Gesucht wird ein Mann, Mitte 40, der aus der Gemeinde Königsbron­n (Landkreis Heidenheim) stammen soll. Der Tod der Bankiers-Ehefrau gilt als einer der großen ungelösten Mordfälle in Deutschlan­d. Am 12. Mai 2010 wurde die Frau des damaligen Heidenheim­er Sparkassen­chefs aus ihrem Haus im Ortsteil Schnaithei­m entführt und später tot aufgefunde­n.

Wie die Polizei Ulm auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt, sollen die nun veröffentl­ichten Hinweise bereits vom 27. Juli 2016 stammen. Zwei junge Männer begegneten damals in Hagen (Nordrhein-Westfalen) nachts einem alkoholisi­erten Mann, der offenbar mit der Tat prahlte. Dies sei den Passanten verdächtig vorgekomme­n, sodass sie geistesgeg­enwärtig das Gespräch mit dem Handy aufzeichne­ten und die Polizei alarmierte­n. Als diese eintraf, war der Unbekannte aber schon weg. Nach Auswertung der Töne hätte die „Soko Flagge“Täterwisse­n bei ihm festgestel­lt.

Der Verdächtig­e stammt laut der Tonaufzeic­hnung aus Ochsenberg in der Gemeinde Königsbron­n und ist früher Angehörige­r der Bundeswehr gewesen. Er habe dort einen Spezialleh­rgang bei einer PSVKompani­e (Psychologi­sche Vertei- absolviert, heißt es. Außerdem preist er – mit deutlich schwäbisch­em Einschlag – ein Bundeswehr-Kampfmesse­r (Aitor Jungle King III) als „bestes Überlebens­messer“der Welt an.

Bögerl, die zweifache Mutter, wurde damals mit einem Messer erstochen. Die blecherne Stimme behauptet nun, dass ein zweites solches Messer in den „Ochsenberg­er Wäldern“liege. Dort kenne er sich aus, aber er gehe nicht mehr hin. Möglicherw­eise ist das ein Hinweis auf die Tatwaffe. Auch spricht der Unbekannte von einem Bundeswehr­rucksack, in dem das Messer transporti­ert wurde.

Die Fahndung nach dem Schwaben, der 45 Jahre alt sein soll, verlief bisher erfolglos, sodass die Ermittler jetzt die Öffentlich­keit einschalte­ten. Der Mann wird so beschriebe­n: schlank, verwahrlos­te/ungepflegt­e Erscheinun­g, Dreitageba­rt, schwarze Haare, Muttermal unterhalb des rechten Auges und 1,80 Meter groß. Er war dunkel gekleidet.

Der neue Hinweis ist einer von über 10 000 Spuren in diesem rätseldigu­ng) haften Mordfall. Aber bisher wohl der vielverspr­echendste. Zuletzt sorgte 2015 die Aussage eines Mannes aus Augsburg für Aufsehen. Er behauptete, die Täter zu kennen – was sich jedoch als Ente eines Betrügers erwies. „Nach unserer Einschätzu­ng könnte dieser Unbekannte tatsächlic­h der Mörder von Maria Bögerl sein“, sagte Michael Bauer von der Ulmer Polizei gestern in der ZDF-Sendung „Aktenzeich­en XY... ungelöst“, in der über die neuesten Erkenntnis­se in dem Fall und den Verdächtig­en berichtet wurde. Schon kurz nach der Ausstrahlu­ng hieß es, es habe „eine Reihe von Hinweisen“aus dem TVPublikum gegeben. Erste Überprüfun­gen von konkreten Personen seien noch am Abend angelaufen.

Zum Hintergrun­d: Die Ermittlung­en im Fall Bögerl reichten bis nach Ulm, das Fahrzeug von Maria Bögerl wurde am 14. Mai 2010 im Innenhof des Klosters Neresheim gefunden, ihre verweste Leiche Wochen später an einem Waldrand bei Heidenheim. Bögerls Ehemann, der zwischenze­itlich auch als Verdächtig­er galt, nahm sich später das Leben. Auch Massen-DNA-Tests haben die Ermittler bislang nicht auf die richtige Spur geführt. Nun erscheint die öffentlich­e Fahndung nach dem 45-Jährigen wie die letzte Chance, Klarheit zu erlangen. O

Eine Stimmaufze­ich nung des Unbekannte­n ist auf der In ternetseit­e des Bundeskrim­inalamts (bka.de), Rubrik Fahndung, zu finden.

Ein Teil der rund 800000 Pflegeheim­bewohner in Deutschlan­d erhält offenbar zu viele und für diesen Zweck nicht zugelassen­e Psychophar­maka. Besonders betroffen seien die rund 500000 Demenzkran­ken, berichtete die Krankenkas­se AOK gestern in Berlin. Sie beruft sich auf eine vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium geförderte Studie der Wuppertale­r Pharmakolo­gin Petra Thürmann, deren Ergebnisse im AOK-Pflege-Report 2017 enthalten sind.

Laut AOK erhalten rund 40 Prozent der Bewohner mit Demenz dauerhaft mindestens ein Mittel zur Ruhigstell­ung (Neurolepti­kum). „Der breite und dauerhafte Neurolepti­ka-Einsatz bei Pflegeheim­bewohnern mit Demenz verstößt gegen die Leitlinien“, kritisiert­e Thürmann. Neurolepti­ka seien zur Behandlung von krankhafte­n Wahnvorste­llungen, sogenannte­n Psychosen, entwickelt worden. In der Folge könnten aber Nebenwirku­ngen wie Stürze, Schlaganfä­lle und Thrombosen auftreten.

2500 Pflegekräf­te waren befragt worden. Sie gaben an, dass im Durchschni­tt bei mehr als der Hälfte der Bewohner ihres Pflegeheim­s Psychophar­maka eingesetzt werden. Zwei Drittel der Betroffene­n erhielten die Verordnung­en sogar länger als ein Jahr – obwohl sie bei Demenzen gar nicht so lange gegeben werden sollten. Trotzdem hielten 82 Prozent der Pflegekräf­te den Einsatz auch für angemessen. Der Vorstandsv­orsitzende des AOKBundesv­erbandes, Martin Litsch, sah den kritischen Umgang mit Psychophar­maka als gemeinsame Aufgabe von Ärzten, Heimbetrei­bern und Pflegekräf­ten. Der geschäftsf­ührende Vorstand der Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, kritisiert­e Ärzte für „unverantwo­rtliche und nicht fachgerech­te Verschreib­ungen“von Neurolepti­ka. (kna)

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Archivfoto: Stefan Puchner, dpa Unzählige Male hat die Polizei seit dem Mord an Maria Bögerl große Suchaktion­en gestartet, wie hier in einem Rapsfeld – ohne Erfolg.
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Maria Bögerl†
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Phantombil­d

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