Neu-Ulmer Zeitung

Visionäre Werke und ein kleiner Racheakt

Das Philharmon­ische Orchester bewegt sich mit Strauss, Mahler und Zemlinsky an der Grenze zwischen Spätromant­ik und Moderne

- VON FLORIAN L. ARNOLD

Etwas wagen – das war es, was die Komponiste­n Richard Strauss, Gustav Mahler und Alexander Zemlinsky aus ihren Zeitgenoss­en heraushebt. Werke dieser drei Meister bildeten das Programm des vierten Philharmon­ischen Konzerts der Spielzeit im CCU, das erneut die Klasse des Orchesters und seines Leiters, Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh, unter Beweis stellte.

Der am wenigsten bekannte aus dem Komponiste­ntrio ist eindeutig der Österreich­er Zemlinsky (1871-1943). Der Protegé von Johannes Brahms und Anton Bruckner reüssierte als Dirigent, wohingegen seine Komponiste­nkarriere immer wieder ins Stottern geriet – er passte in keine Schublade der „-ismen“und legte mehr Wert auf das Experiment als auf die Meinung der Kritik. Seine zweite Symphonie ist folgericht­ig eine facettenre­iche, an Bruckner und Brahms orientiert­e, dennoch eigenständ­ige Schöpfung. Zemlinskys Melange aus traditione­llerer und moderner Tonsprache mündet in eine geradezu verschwend­erische Vielgestal­tigkeit und präsentier­t sich dennoch als geschlosse­nes Werk.

Für diesen Eindruck bedarf es freilich einer engagierte­n Umsetzung, und die lieferte das Philharmon­ische Orchester der Stadt Ulm unter dem wie stets souveränpu­nktgenauen Dirigat Handschuhs. Der GMD, der gerade seinen Vertrag in Ulm bis 2021 verlängert hat (wir berichtete­n), achtete sehr auf die Übergänge, die über den Gesamteind­ruck des Werks entscheide­n. Gerade im eigenwilli­gen „Scherzo“, das zwischen Idyll und Furor brodelt, hätte eine weniger sensibel ausbalanci­erte Darbietung das Stück zerfallen lassen – nicht so bei den Ulmern, die daraus ein glühendes Stück machten, das sich vorzüglich einklinkte zwischen Kopfund Schluss-Satz, wo Zemlinsky hörbar und originell von Wagner und Bruckner entlehnt.

Den Kern des Abends aber bildeten zweifellos die „Rückert-Lieder“von Gustav Mahler (1860-1911), überaus seelenvoll von I Chiao Shih (Mezzosopra­n) vorgetrage­n. Die Lieder wurden zwischen 1901 und 1902 geschriebe­n – allerdings nicht mermusikal­isch delikat vom Orchester begleitet, „Ich bin der Welt abhandenge­kommen“umsetzt, jagte einem einen wohligen Schauer über den Leib.

„Till Eulenspieg­els lustige Streiche“von Richard Strauss (1864-1949) ist ein amüsanter Racheakt. Weil seine Oper „Guntram“bei Publikum und Kritik durchfiel, rächte sich der Meister mit einer burlesken Nummer, dem umtriebige­n Kurzweiler „Till Eulenspieg­el“. Was einmal eine Oper werden sollte, bietet in 14 Minuten reichlich Spaß für Orchester und Hörer – ein unvergessl­iches Thema, reichlich Einsatz von Blech- und Holzbläser­n und eine dramatisch­e, von heiteren Episoden durchbroch­ene Geschichte. Die Tondichtun­g wurde schnell zum Standard in Konzertpro­grammen und lieferte auch dem 4. Philharmon­ischen Konzert ein Vehikel für geradezu ausgelasse­ne Momente.

Dass das Orchester auch hier bewies, dass es nicht mehr zur „C“-Klasse gehört, belegte auch der anhaltende Applaus des Publikums im CCU.

 ?? Foto: Florian L. Arnold ?? Glanzvolle­r Auftritt: Mezzosopra­n I Chiao Shih (links) und Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh mit dem Philharmon­ischen Orchester.
Foto: Florian L. Arnold Glanzvolle­r Auftritt: Mezzosopra­n I Chiao Shih (links) und Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh mit dem Philharmon­ischen Orchester.

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