Vom Kloster zum Knast
Vieles in Niederschönenfeld erinnert noch an die Zeit der Ordensschwestern
Graf Berthold III. war – der Legende nach – kein guter Mensch. Seine Frau Adelheid soll er auf Kriegszug, sozusagen als Beute, in seine Heimat verschleppt haben. Doch er zeigte Reue. Geplagt vom schlechten Gewissen sei ihm die Gottesmutter Maria persönlich erschienen, so die Legende.
Zur Wiedergutmachung seiner Missetat soll Maria dem Grafen befohlen haben, ein Kloster zu errichten. Der gottesfürchtige Graf folgte der Erscheinung und ließ 1241 nahe der Lechmündung mitten in der Natur ein Gotteshaus bauen.
Um das Kloster herum war damals noch nichts, außer Wiesen und Felder. Schönenfeld war der naheliegende Name des Klosters, erklärt der Heimatforscher Adalbert Riehl aus Rain. Bis ein anderes Kloster in der Reischenau, nahe Augsburg, den Namen für sich beanspruchte und das Ordenshaus im heutigen Landkreis Donau-Ries um den Namenszusatz „Nieder“ergänzt werden musste.
Immer wieder wurde der Gründungsbau seither erweitert, umge- niedergerissen und renoviert. Klosterschwestern leben in der Anlage in Niederschönenfeld heute nicht mehr. „Schon seit 1849 wird das ehemalige Kloster als Gefängnis genutzt“, erzählt Adalbert Riehl, der sich, zusammen mit anderen Historikern, ausführlich mit der Geschichte Niederschönenfelds beschäftigt hat.
Seit über 150 Jahren ist das ehemalige Kloster ein Gefängnis
Die heutige Justizvollzugsanstalt (JVA) in Niederschönenfeld hat also schon eine lange Tradition. „Früher saßen hier sogar schon 12-Jährige ihre Strafe ab“, sagt Peter Landauer, Leiter der JVA. Heute sind dort 18 bis 26-jährige Straftäter untergebracht – die meisten wegen Drogenund Gewaltdelikten. Die Klosterzellen, in denen einst Zisterzienserinnen lebten, wurden zu Gefängniszellen. Auf den ersten Blick erinnert in der JVA wenig an die Ordensschwestern und doch haben sie ihre Spuren hinterlassen. Das Büro des heutigen Direktors beispielsweise war einst Schlafraum einer Äbtissin. Es ist ein großer Raum mit hohem, stuckverzierten Gewölbe. „Das ist ein großartiges Büro. Ich weiß das zu schätzen“, sagt Landauer. Anders sei das bei den Gefangenen. Vielen sei die Geschichte des Gebäudes nicht bewusst. „Generell kommt der Altbau hier aber besser an, als der neue Anbau.“Denn unter anderem befinden sich dort die Gefängnisbibliothek und der ehemalige Gefängnis-Kreuzgang, wo die Insassen heute ihre Freizeit verbringen können.
Auch die Heilig-Kreuz-Kapelle befindet sich im Altbau der heutigen JVA. 1659 errichtete Konstantin Pader, der Bildhauer und Baumeister aus München, das Gotteshaus. „Dort, wo die Kapelle gebaut wurde, soll sich während des Dreißigjährigen Kriegs, 1646, ein Lichtwunder ereignet haben“, berichtet Landauer. Als die Nonnen aufgrund des Kriegs flüchteten, soll eine Schwester ein Kreuz in einen verborgenen Winkel der Küche getragen, Brennöl in einer Eierschale davor gestellt und angezündet haben. Als die Schwester nach Ende des Krieges, gut zwei Jahre später, zurückkam, soll sie das Licht noch immer brennend vorgefunden haben. Der Ruf des Ereignisses verbreitete sich rasch und dem Baumeister des Klosters, Konstantin Pader, wurde aufgetragen, das Kreuz an dem Pfeiler in der Küche zu belassen und darüber die Heilig-Kreuz-Kapelle zu erbauen.
Heute dient die Kapelle als Anstaltskirche. Jeden Sonntag feiern die Gefangenen hier nun einen Gottesdienst. Der Öffentlichkeit ist die Kapelle nur zur Feier der Kreuzfeste im Mai und September zugängbaut, lich. Die große Klosterkirche „Maria Himmelfahrt“hingegen kann auch heute noch täglich besucht werden. Sie ist der einzig öffentlich zugängliche Teil des ehemaligen Klosters und gehört zur Pfarreiengemeinschaft Rain. Der Gründungsbau (um 1241) dürfte eine lange, flach gedeckte romanische Pfeilerbasilika gewesen sein, weiß Hobbyhistoriker Riehl. Während des Schwedenkriegs (1618 bis 1648) wurde der ursprüngliche Bau jedoch stark beschädigt. „Damals wurde überlegt, das ganze Kloster nach Rain zu verlegen“, erzählt Riehl. Doch die Verantwortlichen des Kurfürstlichen Geistlichen Rates in München entschlossen sich aufgrund der immensen Bedeutung des Klosters für die Region doch für einen Wiederaufbau. Heute zählt die Klosterkirche Niederschönenfeld zu den größten und bedeutendsten Bauten in Bayern nach dem Dreißigjährigen Krieg. Sie sei kein schöpferischer Neuanfang, sondern stehe in der bayerischen Architekturtradition, erklärt Riehl. Bewusst habe man sich damals für den Wiederaufbau und gegen einen Neubau entschieden. Wer sich für die verschiedenen Baustile dieser Zeit interessiert, kann das noch heute erkennen: So stehe die basilikale Form der Kirche immer noch im Bruch mit der überwiegend barocken Inneneinrichtung.