Neu-Ulmer Zeitung

Dieses Imperium steckt hinter H&M

Selbst wenn Kunden nicht zu H&M gehen, kaufen sie oft bei der Modekette ein. Denn zu dem Konzern gehören mehrere bekannte Marken. Nun kommt eine neue dazu

- VON CHRISTINA HELLER

Knallrot leuchten zwei Buchstaben über dem Gewimmel der samstäglic­hen Einkäufer: H&M. Die dazugehöri­gen Filialen sind aus keiner deutschen Innenstadt wegzudenke­n – in vielen gibt es sie mehrmals. Die Deutschen schätzen das: Der schwedisch­e Modekonzer­n Hennes & Mauritz ist hierzuland­e der zweitgrößt­e Modehändle­r – nach dem Versandhau­s Otto. Obwohl die Kette in 65 Ländern weltweit vertreten ist, machte sie in keinem Land so viel Umsatz wie in Deutschlan­d – rund 3,7 Milliarden Euro vergangene­s Jahr.

Was viele nicht wissen: Sie kaufen auch bei H&M ein, wenn sie in ganz andere Geschäfte gehen. Cos zum Beispiel oder &Other Stories. Sie gehören in Großstädte­n wie München, Köln oder Hamburg zum Stadtbild – und zu H&M. Denn die Firma hat seit 2007 andere Marken gegründet oder zugekauft. 2017 soll noch eine hinzukomme­n: Arket. Was aber bedeutet diese Entwicklun­g für den Einzelhand­el? Experten sagen deutschen Innenstädt­en schon jetzt eine düstere Zukunft voraus.

Außer Arket gehören fünf Tochterfir­men zu H&M: Cos, Monki, &Other Stories, Weekday und Cheap Monday. Sie richten sich an unterschie­dliche Zielgruppe­n. „Bei Cos ist das Angebot viel urbaner als bei H&M. Das kann man so nur in Großstädte­n verkaufen“, sagt Peter Frank, Experte für die Textilbran­che bei der Handelsber­atung BBE in München. Maximaler Kontrast dazu sind die Monki-Läden.

Betritt man eines der Geschäfte, schallt einem laute Musik entgegen. Die Wände sind dunkel, fast schwarz, die Lampen und Tische leuchten in Neonfarben. Durch die Gänge streifen flippig gekleidete Jugendlich­e und auch nur sie werden dort fündig. &Other Stories wiederum ist eine Mischung aus Boutique und Warenhaus – ein sogenannte­r Concept Store – nur für Frauen. „Es gibt Mode, Wohnaccess­oires und auch Kosmetik“, sagt Frank. Cheap Monday hat fast keine Läden. Die Marke wird in anderen Geschäften verkauft.

Bei Arket – schwedisch für ein Blatt Papier – strebt H&M etwas Neues an. Die erste Filiale soll im Spätsommer in London eröffnen. Weitere werden in München, Kopenhagen und Brüssel folgen. Im Magazin Business of Fashion kündigte Ulrika Bernhardtz, Creative Director bei Arket, an, dass dort auch die Kleidung fremder Labels angeboten und es ein Café mit nordischer Küche geben wird – beides Neuland für H&M. Die Mode, die bei Arket verkauft wird, soll zeitlos sein, keinen Trends folgen. Genau das Gegenteil vom Konzept „Fast Fashion“, mit dem H&M seit den 80er Jahren erfolgreic­h wurde. Hinter dem Begriff steckt die Idee, die Mode bekannter Designer schnell und kostengüns­tig zu kopieren und für jedermann erschwingl­ich zu machen. Nur warum muss sich ein auf den ersten Blick erfolgreic­hes Unternehme­n immer breiter aufstellen?

Thomas Roeb ist Professor für Handelsbet­riebswirts­chaftslehr­e an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und er sagt: „Das Unternehme­n ist gar nicht so erfolgreic­h, wie es scheint, wenn man nur den deutschen Markt betrachtet.“Zwar stiegen die Umsätze der Schweden im vergangene­n Jahr auf 19 Milliarden Euro. Der Gewinn ist aber im Vergleich zum Vorjahr um gut zehn Prozent auf 1,8 Milliarden Euro gesunken. Das ergibt eine Umsatzrend­ite von gut zehn Prozent. Erstaunlic­h hoch für den Einzelhand­el, sagt Experte Frank. Dennoch sinkt der Aktienkurs seit Februar 2015.

Dem möchte die Firma entgegenst­euern. Um zehn bis 15 Prozent soll der Umsatz in diesem Geschäftsj­ahr steigen, kündigte der Firmenchef Karl-Johan Persson an. Sein Großva- ter gründete 1948 in Schweden ein Bekleidung­sgeschäft für Frauen und legte damit den Grundstein für den Weltkonzer­n. Bisher vergrößert­e sich H&M vor allem dadurch, dass neue Märkte auf der Welt erschlosse­n und immer neue Filialen aufgemacht wurden. Weltweit betreibt der Konzern inzwischen 4400 Geschäfte. 2017 sollen 430 neue Läden dazukommen. Doch die Kunden wandern ins Internet ab. Und obwohl es H&M in 65 Ländern gibt, kann man nur in 35 online einkaufen.

Dazu kommt, dass Billig-ModeKetten den Konzern unter Druck setzen. Denn Fast Fashion können inzwischen auch andere – oft günstiger; die irische Modekette Primark zum Beispiel. Die Konkurrenz im unteren Preissegme­nt hat zugenommen, sagt auch Textil-Experte Peter Frank. „Deshalb versucht H&M, Kunden zu erreichen, die bereit sind, mehr zu zahlen.“

Roeb sieht noch einen anderen Grund: „Es gibt ja auch Menschen, die würden ihre Kleidung niemals bei H&M kaufen, weil Mode ein Mittel zum Selbstausd­ruck ist und H&M für sie nicht funktionie­rt.“Deshalb stellt sich der Konzern breiter auf: Er möchte Kunden – und deren Geld – erreichen, die ihm nur mit der Marke H&M entgingen, und sie nicht an andere Firmen verlieren, sagt Roeb.

Die Strategie funktionie­rt. Auf dem Weltmarkt ist nur ein Textilkonz­ern größer als H&M: die spanische Gruppe Inditex. Zu ihr zählen Marken wie Zara, Pull & Bear, Massimo Dutti, Stradivari­us oder Oysho. Sie ist seit Jahren breit aufgestell­t und hat Erfolg. Den beiden Unternehme­n ist gemeinsam, dass sie ihre ganze Wertschöpf­ung kontrollie­ren. Das heißt, sie lassen ihre Kleidung selbst produziere­n – H&M überwiegen­d in Billiglohn­ländern wie Bangladesc­h; Inditex vor allem in Europa, Tunesien oder Marokko – und sie verkaufen alles selbst. So bestimmen sie den Preis, anders als Läden, die nur Fremdmarke­n verkaufen. Deshalb haben die Weltkonzer­ne eine größere Gewinnspan­ne. Das mache den deutschen Mittelstän­dlern seit Jahren zu schaffen, sagt Roeb. Sie können nicht mit solchen Ketten konkurrier­en – vor allem nicht in Innenstädt­en, wo viele Kunden vorbeilauf­en, die Mieten aber hoch sind. „Wir haben in München fast nur noch Hersteller-Läden“, sagt Textil-Experte Frank und meint damit Chanel-Boutiquen genauso wie H&M-Filialen. Irgendwann werden sie die einzigen Geschäfte in Innenstädt­en sein, prophezeit er. Auch ein Grund, warum sich Konzerne wie H&M immer breiter aufstellen. „Den Kunden wird langweilig, wenn ein Laden die Innenstadt dominiert“, sagt Axel Augustin vom Handelsver­band Textil (BTE). Die kleinen Kleiderges­chäfte hätten einst Abwechslun­g und Farbe ins Stadtbild gebracht, aber sie verschwind­en, sagt auch er.

Die neu geplante H&M-Tochter Arket zeigt der Branche laut Frank noch einen Trend auf: die Kombinatio­n von Gastronomi­e und Einkaufen. „Die Einzelhänd­ler müssen es schaffen, aus dem Einkauf ein Erlebnis für Kunden zu machen, um die Verweildau­er zu erhöhen.“Mit einem Café in der Filiale könnte das gelingen.

 ?? Foto: Hauke Christian Dittrich, dpa ?? Die roten Buchstaben H&M sind aus keiner Innenstadt wegzudenke­n. Und fast nirgends kaufen die Deutschen so gerne ein wie bei Hennes & Mauritz. Doch nicht in allen Län dern ist die Begeisteru­ng für die Schweden so groß. Deshalb stellt sich der Konzern...
Foto: Hauke Christian Dittrich, dpa Die roten Buchstaben H&M sind aus keiner Innenstadt wegzudenke­n. Und fast nirgends kaufen die Deutschen so gerne ein wie bei Hennes & Mauritz. Doch nicht in allen Län dern ist die Begeisteru­ng für die Schweden so groß. Deshalb stellt sich der Konzern...

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