Warum wir?
Dortmund am Tag nach dem Anschlag. Die Stadt stemmt sich gegen ein mögliches Trauma und die Borussia am Abend vergeblich gegen eine Niederlage in der Fußball-Champions-League. Am Ende bleibt wenigstens eine gute Nachricht
Die beste Nachricht an diesem so beunruhigenden Mittwoch verkündet das Opfer selbst. Der gerade erst operierte Fußballprofi Marc Bartra schreibt im Kurznachrichtendienst Twitter, es gehe ihm „deutlich besser“. Auf einem Foto, das er auf der Internet-Fotoplattform Instagram veröffentlicht, trägt der Spanier einen Gipsarm und reckt den Daumen der gesunden linken Hand in die Luft. Er lächelt. Wenigstens das.
Bartra, der 26-jährige Nationalspieler, hat sich die Hand gebrochen. Eine Verletzung, wie sie so ungewöhnlich nicht ist im harten Profi-Alltag. Ungewöhnlich ist nur eines: Nicht das Foul eines Gegenspielers hat sie verursacht, sondern eine Bombenattacke, womöglich sogar ein islamistischer Terroranschlag. Auf deutschem Boden. Gegen Borussia Dortmund, eine der besten deutschen Fußball-Mannschaften. Und Bartra hat sich nicht nur die Hand gebrochen, sondern darüber hinaus unzählige Splitter abbekommen, die aus einem Arm entfernt werden mussten. All diese Umstände sind es, die so ungemein beunruhigen an diesem Tag.
Marc Bartra schreibt noch: „Meine ganze Kraft widme ich meinen Mannschaftskameraden, den Fans und dem BVB für heute Nacht.“Erzwungenermaßen fehlt er gestern Abend, als Hans-Joachim Watzke das ohnehin mit unberechenbaren Emotionen überladene ChampionsLeague-Spiel des BVB gegen den AS Monaco kurz vor dem Anpfiff in eine neue Dimension hievt. Der Geschäftsführer der Borussia bedankt sich bei der Mannschaft, „dass sie sich zur Verfügung stellt“, und fügt an: „Weil unsere Demokratie und Gesten, die den Dienstagabend im Stadion begleitet hatten. Die „Dortmund, Dortmund“-Rufe der französischen Anhänger, als sich die Nachricht vom Anschlag verbreitete. Oder die spontanen Angebote von BVB-Fans in den sozialen Netzwerken, gegnerischen Anhängern Schlafplätze für die Nacht anzubieten. Es ist auch die Einsicht, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können.
Aber dieser Umstand arbeitet natürlich genauso in den Köpfen der Spieler. Viel mehr von ihnen hätten verletzt werden können. Die Glassplitter, die Marc Bartra am Arm trafen, hätten zu Gesichts- und Augenverletzungen führen können. Die Bomben waren mit Eisenstiften bestückt, von denen einer eine Nackenstütze im Bus durchschlagen hat.
BVB-Geschäftsführer Watzke spricht am Morgen auf dem Trainingsgelände im Brackel erst mit der Mannschaft und sagt dann den Journalisten: „Ich bin sicher, dass wir uns als BVB so stark und geschlossen wie nie zuvor zeigen werden.“Mag sein, dass die Erlebnisse das Team mittelfristig wirklich zusammenschweißt, dass die Gruppe irgendwann Kräfte schöpft aus der gemeinsamen Bewältigung der Anschlagsfolgen. Als kurzfristig wirksamer Balsam für die Spielerseelen taugt der Verlauf des gestrigen Abends wiederum nur bedingt.
Natürlich stellt sich am Tag danach auch diese Frage: Hätten Bartras Verletzungen verhindert werden können, beispielsweise, wenn der Bus mit Panzerglas ausgerüstet gewesen wäre? Das gehe grundsätzlich nicht, heißt es beim Hersteller MAN, der Borussia Dortmund und elf weitere Bundesliga-Vereine – auch den FC Augsburg – mit Mannschaftsbussen versorgt. Der Konzern erklärt das mit Sicherheitsvorschriften.