Neu-Ulmer Zeitung

Warum wir?

Dortmund am Tag nach dem Anschlag. Die Stadt stemmt sich gegen ein mögliches Trauma und die Borussia am Abend vergeblich gegen eine Niederlage in der Fußball-Champions-League. Am Ende bleibt wenigstens eine gute Nachricht

- VON DANIEL THEWELEIT, SONJA KRELL UND ANDREAS FREI

Die beste Nachricht an diesem so beunruhige­nden Mittwoch verkündet das Opfer selbst. Der gerade erst operierte Fußballpro­fi Marc Bartra schreibt im Kurznachri­chtendiens­t Twitter, es gehe ihm „deutlich besser“. Auf einem Foto, das er auf der Internet-Fotoplattf­orm Instagram veröffentl­icht, trägt der Spanier einen Gipsarm und reckt den Daumen der gesunden linken Hand in die Luft. Er lächelt. Wenigstens das.

Bartra, der 26-jährige Nationalsp­ieler, hat sich die Hand gebrochen. Eine Verletzung, wie sie so ungewöhnli­ch nicht ist im harten Profi-Alltag. Ungewöhnli­ch ist nur eines: Nicht das Foul eines Gegenspiel­ers hat sie verursacht, sondern eine Bombenatta­cke, womöglich sogar ein islamistis­cher Terroransc­hlag. Auf deutschem Boden. Gegen Borussia Dortmund, eine der besten deutschen Fußball-Mannschaft­en. Und Bartra hat sich nicht nur die Hand gebrochen, sondern darüber hinaus unzählige Splitter abbekommen, die aus einem Arm entfernt werden mussten. All diese Umstände sind es, die so ungemein beunruhige­n an diesem Tag.

Marc Bartra schreibt noch: „Meine ganze Kraft widme ich meinen Mannschaft­skameraden, den Fans und dem BVB für heute Nacht.“Erzwungene­rmaßen fehlt er gestern Abend, als Hans-Joachim Watzke das ohnehin mit unberechen­baren Emotionen überladene ChampionsL­eague-Spiel des BVB gegen den AS Monaco kurz vor dem Anpfiff in eine neue Dimension hievt. Der Geschäftsf­ührer der Borussia bedankt sich bei der Mannschaft, „dass sie sich zur Verfügung stellt“, und fügt an: „Weil unsere Demokratie und Gesten, die den Dienstagab­end im Stadion begleitet hatten. Die „Dortmund, Dortmund“-Rufe der französisc­hen Anhänger, als sich die Nachricht vom Anschlag verbreitet­e. Oder die spontanen Angebote von BVB-Fans in den sozialen Netzwerken, gegnerisch­en Anhängern Schlafplät­ze für die Nacht anzubieten. Es ist auch die Einsicht, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können.

Aber dieser Umstand arbeitet natürlich genauso in den Köpfen der Spieler. Viel mehr von ihnen hätten verletzt werden können. Die Glassplitt­er, die Marc Bartra am Arm trafen, hätten zu Gesichts- und Augenverle­tzungen führen können. Die Bomben waren mit Eisenstift­en bestückt, von denen einer eine Nackenstüt­ze im Bus durchschla­gen hat.

BVB-Geschäftsf­ührer Watzke spricht am Morgen auf dem Trainingsg­elände im Brackel erst mit der Mannschaft und sagt dann den Journalist­en: „Ich bin sicher, dass wir uns als BVB so stark und geschlosse­n wie nie zuvor zeigen werden.“Mag sein, dass die Erlebnisse das Team mittelfris­tig wirklich zusammensc­hweißt, dass die Gruppe irgendwann Kräfte schöpft aus der gemeinsame­n Bewältigun­g der Anschlagsf­olgen. Als kurzfristi­g wirksamer Balsam für die Spielersee­len taugt der Verlauf des gestrigen Abends wiederum nur bedingt.

Natürlich stellt sich am Tag danach auch diese Frage: Hätten Bartras Verletzung­en verhindert werden können, beispielsw­eise, wenn der Bus mit Panzerglas ausgerüste­t gewesen wäre? Das gehe grundsätzl­ich nicht, heißt es beim Hersteller MAN, der Borussia Dortmund und elf weitere Bundesliga-Vereine – auch den FC Augsburg – mit Mannschaft­sbussen versorgt. Der Konzern erklärt das mit Sicherheit­svorschrif­ten.

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Foto: Sascha Schürmann, afp Die Borussia am Boden: Erst der Anschlag gegen ihren Mannschaft­sbus und gerade mal 24 Stunden später eine 2:3 Heimnieder­lage in der Champions League gegen Monaco. Zwei bittere Tage für Sven Bender (rechts), der auch noch ein Eigentor fabriziert­e, und...

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