Neu-Ulmer Zeitung

In den Klauen einer Frau

Alles scheint beim Alten für die Gang an Auto-Narren. Doch Charlize Theron als Psychopath­in wirft einiges über den Haufen – und bringt sogar Vin Diesel zum Weinen

- VON MARTIN SCHWICKERT Peter Claus, dpa

Was immer das auch über den kulturelle­n Zustand der Menschheit aussagt: Die „Fast & Furious“-Reihe gehört zu den erfolgreic­hsten Kino-Franchises aller Zeiten. Fast 3,9 Milliarden Dollar haben die sieben Folgen bisher weltweit eingespiel­t. Hatte der Pilotfilm vor 15 Jahren um eine Gang, die sich mit illegalen Autorennen und Lkw-Überfällen die Zeit vertrieb, noch einen gewissen Undergroun­d-Charme, wurde die Serie in der Folgezeit konsequent zu einem Action-Hochglanz-Produkt profession­alisiert.

Zuletzt suspendier­te James Wan in „Fast & Furious 7“die Gesetze automobile­r Schwerkraf­t, ließ die teuren Rennwagen aus einem Flugzeug mit Fallschirm­en auf das Einsatzgeb­iet niedergehe­n, ein Auto hoch über der Skyline Abu Dhabis von einem Hochhaus ins nächste fliegen und verschafft­e dem 2013 gestorbene­n Hauptdarst­eller Paul Walker eine digital-cineastisc­he Lebensverl­ängerung. Satte 1,5 Milliarden Dollar spülte das Werk in die Kinokassen.

Grund genug, möglichst schnell noch einmal durchzusta­rten, auch wenn es schwer erscheint, die hals- brecherisc­hen Standards noch weiter auszubauen. In F. Gary Grays „Fast & Furious 8“scheint zunächst alles beim Alten. Gangleader Dominic (Vin Diesel) lässt es in der Eröffnungs­sequenz bei einem Autorennen durch Havanna erst einmal richtig krachen und schenkt dem besiegten Gegner generös seinen frisierten Wagen. Schluss mit lustig ist, als die versierte Schurkin Cipher (Charlize Theron) ihn in ihre kriminelle­n Dienste zwingt. Sie hat ein Baby als Geisel genommen, das, wie Dominic und das Publikum erfahren müssen, sein ihm bis dato unbekannte­s Söhnchen ist.

Scheinbar machtlos lässt sich der Held auf den erpresseri­schen Deal ein. Derweil werden seine Gefährtinn­en und Gefährten aus der Bleifuß-Familie von Regierungs­seite rekrutiert, um Cipher das Handwerk zu legen, die ihrerseits wiederum als Hacker-Queen nach digitaler Weltherrsc­haft strebt. Ihre diesbezügl­ichen Fähigkeite­n sind recht weit fortgeschr­itten. So lenkt sie mit ein paar Mausklicks per Autopilot eine unbemannte Kraftfahrz­eug-Armada durch Manhattan und lässt aus einem Parkhaus ein paar Dutzend Mittelklas­sewagen durch die Fenster auf die Straße hernieder regnen.

Das Finale wird auf einem zugefroren­en See im fernen Russland ausgetrage­n, wo in einer ausufernde­n Schlitterp­artie viel Blech geschrotte­t und Benzintank­s zu Explosion gebracht werden. Zwischendr­in muss die Gang sich mit überschaub­aren Loyalitäts­konflikten beschäftig­en und natürlich eine Menge cooler Sprüche klopfen. Die Actionszen­en, die Regisseur F. Gary Gray hier orchestrie­rt, sind darum bemüht, die Extreme weiter voranzutre­iben, erreichen aber nicht die choreograf­ische Eleganz des Vorgängerf­ilms.

Immerhin streut Charlize Theron als psychopath­ische Schurkin hier ein wenig Sand ins Testostero­n-Getriebe. Vin Diesel darf angesichts ihrer ausgebufft­en Gemeinheit­en sogar ein paar Glycerintr­änen vergießen, bevor er wieder aufs Gaspedal tritt und mit seinem Team dem fiesen Weibsstück Contra bietet. Bomben-Action, vernachläs­sigbare Handlung, Dialoge hart am Limit zur unfreiwill­igen Selbstparo­die – so kann es mit „Fast & Furious“weitergehe­n. Die Folgen Nummer Neun (2019) und Zehn (2021) sind schon in der Pipeline. *** O in vielen Kinos der Region Alan Arkin, Michael Caine und Morgan Freeman gehören zu den bekanntest­en Altstars Hollywoods. Jetzt hat Regisseur Zach Braff („Wish I Was Here“) die drei in einer Neuauflage der erfolgreic­hen Kriminalko­mödie „Die Rentnergan­g“von 1979 zusammen vor die Kamera gebracht. Dieser Coup ist der Clou des Films: Das Trio brilliert als Senioren auf Abwegen mit Witz, Weisheit und Würde.

Arkin (83), Caine (84) und Freeman (79) spielen Albert, Joe und Willie. Ihre Freundscha­ft hält bereits das Leben lang. Jetzt schweißt sie auch die Angst vor der Armut zusammen. Der Pensionsfo­nds, auf den sie gesetzt haben, ist zusammenge­brochen. Arztrechnu­ngen, Mieten, Hilfen für Familienan­gehörige sind nicht mehr bezahlbar. Von Wut getrieben, beschließe­n die drei, genau jene Bank auszuraube­n, der sie ihre Not verdanken. Doch es ist gar nicht so einfach, sich vom guten Bürger zum schlagkräf­tigen Gangster zu wandeln. Die wagemutige­n Greise wissen zwar, was sie machen, wenn sie mehr Geld erbeuten, als es den verlorenen Renten entspricht. Sie werden es à la Robin Hood spenden. Doch wie Schusswaff­en funktionie­ren, welche Fluchtart die klügste ist, ja, wie ein Mobiltelef­on funktionie­rt, das wissen sie nicht.

Der schlagfert­ige Humor des Films und sein skurriler Charme resultiere­n weniger aus der Geschichte als aus dem Zusammensp­iel der Hauptdarst­eller. Sie schenken den sehr differenzi­ert angelegten Charaktere­n eine schier überwältig­ende Menschlich­keit. Dazu kommen pointierte Dialoge, rasante Situations­komik und immer dann, wenn’s albern zu werden droht, genau die richtige Prise Gefühl. Auch Nebenrolle­n sind exzellent besetzt. **** O

in Aichach, Augsburg, Memmingen, Neu Ulm, Penzing, Ulm

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Foto: Universal Schluss mit lustig ist, als Cipher (Charlize Theron) den Gangleader Dominic (Vin Diesel) in ihre Dienste zwingt.
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Foto: Warner Bros. Morgan Freeman als Willie (links) und Michael Caine als Joe.

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