Ja zu Erdogan als Protest gegen deutsche Politik?
Neue Debatte über Integration von Türken. Grünen-Abgeordnete Deligöz kritisiert das Verhalten der jüngeren Wähler
Das klare Ja der türkischen Wähler in Deutschland zur Alleinherrschaft von Präsident Recep Tayyip Erdogan heizt die politischen Debatten an. Schon wird befürchtet, dass in einem zweiten Referendum auch hierzulande über die von Erdogan verfochtene Wiedereinführung der Todesstrafe abgestimmt werden könnte. Das würde die Auseinandersetzungen weiter zuspitzen und die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wären spätestens dann endgültig erledigt.
Gut 412 000 der in Deutschland lebenden Wähler haben beim Referendum für die Verfassungsreform gestimmt. Das war bei der geringen Wahlbeteiligung eine Mehrheit von fast zwei Dritteln. Ein Ergebnis, auf das auch die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Neu-Ulm) zunächst mit Entsetzen reagierte. Im Gespräch mit unserer Zeitung betonte die Grünen-Politikerin dann aber, dass diese 412000 Ja-Sager eben nur ein Bruchteil der mehr als drei Millionen hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln seien. Darauf weist auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hin. „Das muss man mal zur Kenntnis nehmen“, fordert die SPD-Politikerin.
Auch zwei Tage nach dem Votum über die türkische Verfassungsänderung wurde gestern noch nach Ursachen für das Abstimmungsverhalten – speziell in Deutschland – gesucht. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland führte das Ergebnis auf ein Gefühl der Ausgrenzung bei vielen Türken zurück. „Sie wollten dadurch Protest zum Ausdruck bringen gegen das, was sie seit Jahrzehnten aus ihrer Sicht hier empfinden“, sagte er im Südwestrundfunk. Die Grünen-Abgeordnete Deligöz zeigte hingegen wenig Verständnis – vor allem für die jungen Türken, die für Erdogans autokratische Ziele gestimmt haben. Da sei „viel Dummheit und Unwissenheit“im Spiel. Diese Generation bekomme einen „Traum vom Osmanischen Reich über Sitcoms und Filme im Fernsehen vermittelt“und glaube, eine Türkei verteidigen zu müssen, die es so gar nicht gibt, sagt Deligöz. Den jungen Menschen fehle historisches Wissen und genau diese Unwissenheit sei im Wahlkampf auch instrumentalisiert worden.
Viele verunsicherte junge Wähler hätten sich mit ihrem „Ja“zu einem starken Führer in der Türkei wohl auch für eine nicht definierbare gefühlte Ungerechtigkeit in Deutschland rächen wollen. Was insbesondere im Süden der Republik unverständlich sei, wo fast jeder eine