Leitartikel
63 Prozent für den Mann, der mit antideutscher Hetze Stimmung macht: Das zeigt die innere Distanz vieler Deutschtürken zu dem Land, in dem sie leben
Erdogans antideutsche, mit Nazivergleichen betriebene Wahlpropaganda ist bei den in Deutschland lebenden Türken auf fruchtbaren Boden gefallen. Von den Deutschtürken, die am Referendum über die türkische Verfassung teilnahmen, haben 63 Prozent für eine Präsidialdiktatur votiert. Das ist insofern keine Überraschung, als die AKP hierzulande über starke Bataillone verfügt und schon bei den Wahlen 2014 ein besseres Ergebnis erzielte als in der Türkei selbst. Aber es ist gerade nach allem, was zuletzt an nationalistischer Hetze gegen Deutschland betrieben wurde, doch ein alarmierendes Signal dafür, dass sich viele der bei uns lebenden Türken nicht nur ihrer alten Heimat zugehörig fühlen, sondern auch vom antidemokratischen Kurs Erdogans fasziniert sind. Die große Mehrheit der deutschtürkischen Wähler, die das Leben in einer freien Gesellschaft schätzen, will für die Türkei ein autoritäres System und betrachtet den Demagogen Erdogan als ihren wahren Regierungschef – jenen Mann also, der Deutschland als „nazistisch“beschimpft und sich seit Jahren als Schutzherr der Auslandstürken aufspielt.
Wenn es noch eines Beweises für die mangelnde Integration eines beträchtlichen Teils der mehr als drei Millionen Türkischstämmigen bedurft hätte, ist er mit diesem Wahlergebnis erbracht. Es bestätigt alle Studien, wonach sich gerade Deutschtürken der dritten Generation mehr mit der Türkei als mit Deutschland identifizieren und allenfalls „mit den Zehenspitzen“(Grünen-Chef Özdemir) auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Es wäre töricht, deshalb den Erfolg der Integrationsbemühungen überhaupt in Zweifel zu ziehen. Die Mehrheit der Türken hat sich, wovon die vielen Erfolgsgeschichten zeugen, gut eingefügt. Aber es gibt eine wachsende Gruppe, die in innerer Distanz zu Deutschland verharrt, zur Abschottung neigt und sich, wie es der Bundestagsabgeordnete Toprak formuliert, „grundlos zum Opfer“angeblicher Ausgrenzung stilisiert. Natürlich gibt es Fälle von Diskriminierung, und ganz sicher ist es so, dass Deutschland in Sachen Integration beizeiten mehr hätte tun müssen. Doch dieses Land bietet jedem Türkischstämmigen, der die hier geltenden Regeln akzeptiert, die faire Chance auf ein gutes Auskommen. Integration ist keine Einbahnstraße. Sie setzt auch die Bereitschaft der Zugewanderten und ihrer Nachkommen voraus, sich anzupassen und sich zur neuen Heimat und ihrer politischen Grundordnung zu bekennen. Bei einem Teil jener Bürger, die Erdogan als ihren Führer verehren, die Demokratie verachten und die Gebote des Islam über die Gesetze stellen, ist das offenkundig nicht der Fall. Sie – und nicht die überwiegend ausländerfreundlichen Deutschen – vertiefen die kulturellen Gräben und spalten zudem die türkische Gemeinschaft.
Mit multikultureller Schönfärberei ist dieser Entwicklung nicht beizukommen. Vonnöten ist eine gründliche Debatte – ohne einseitige Schuldzuweisungen, wohl aber mit einer klaren Ansage, dass dieser Staat Parallelgesellschaften nicht duldet und das integrationsschädliche Treiben von Ankara aus gesteuerter Organisationen unterbindet. Zu reden ist auch über die doppelte Staatsbürgerschaft, die offenkundig nicht der von SPD, Grünen und Linkspartei gepriesene Königsweg zur Integration ist. Der deutsche Pass ist nicht nur ein Stück Papier; er erfordert auch eine gewisse Loyalität des Staatsbürgers. Niemand braucht seine Wurzeln zu leugnen und seine Traditionen abzustreifen. Doch warum sollte jemandem, der hier geboren ist und lange hier lebt, nicht eine Entscheidung darüber abverlangt werden, ob er nun deutscher oder türkischer Staatsbürger sein will? Zu „,Man muss blind gewesen sein‘“(Wirtschaft) vom 15. April: Herrn Mateschitz gebührt Beachtung als erfolgreicher Geschäftsmann. In seinen politischen Kommentaren gebärdet er sich jedoch in meinen Augen als Einfaltspinsel, der weder die Unterschiedlichkeit der Aufgaben eines Wirtschaftsunternehmens und einer Staatsregierung erkennt, noch zwischen den Anforderungen an eine erfolgreiche Betriebswirtschaft und eine gesunde Volkswirtschaft zu differenzieren weiß. Stadtbergen Zu „Droht jetzt ein Krieg gegen Nordko rea?“(Seite 1) vom 15. April: Wo bleibt der Aufschrei der Political-Correctness-Fraktion über den verqueren Begriff „Mutter aller Bomben“? Wer diese Ausgeburt der Kriegshölle mit dem Wort „Mutter“kombiniert, der missbraucht auf zynischste Weise das Synonym für Leben, Güte und selbstlose Fürsorge und hat ganz offensichtlich nie mütterliche Liebe erfahren. Nordendorf Zu „Erdogan will noch mehr Macht“(Sei te 1) vom 15. April: Mit einem Achselzucken akzeptieren wir, dass Deutsche seit Generationen in Deutschland leben, ohne Deutsch zu sprechen. Ebenso haben wir uns in einigen deutschen Städten daran gewöhnt, dass die Geschäfte in ganzen Straßenzügen nicht mehr deutsch, sondern türkisch oder arabisch beschriftet sind.
Dabei sind das Deutsche, die kein Deutsch sprechen. Es sind auch Deutsche, die in Deutschland die Vorzüge einer offenen, aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft genießen. Es sind diese deutschen Staatsbürger, die in ihrem Heimatstaat, dessen Sprache sie sprechen, einem Despoten per demokratischer Abstimmung zur Macht verhelfen dürfen, der sogleich die Todesstrafe einzuführen gedenkt.
Nach deutscher Rechtsprechung verstößt dies gegen das Grundgesetz, was aber wohl nur für Deutsche ohne zweiten Pass gilt.
Bin ich der Einzige, der diese Politik nicht mehr versteht?
Westerheim