Groß und stark, der Rest egal
In New York zeigt die US-Autobranche, was Amerikaner so lieben. Die deutschen Hersteller halten sich zurück – mit einer Ausnahme
Ein Neuheiten-Feuerwerk zünden die Hersteller auf der New York Auto Show nicht gerade, eher wedeln sie mit ein paar Wunderkerzen. Dennoch ist die Messe am Hudson River, unweit von Donald Trumps Privat-Wohnsitz, eine der meistbesuchten Autoschauen überhaupt. Gut eine Million Kunden und Interessierte strömen jährlich rund um Ostern in das nach dem republikanischen Politiker Jacob K. Javits benannte Messezentrum.
Zu sehen gibt es dort noch bis Sonntag vor allem das Portfolio der amerikanischen Hersteller. Die Deutschen halten sich auch 2017 – wenngleich die Nachfrage nach ihren Produkten in Amerika groß ist – eher zurück. Während VW, Audi, BMW und Porsche mit überschaubaren Messeständen und maximal US-Premieren aufwarten, holt lediglich Mercedes das große Besteck raus und bringt, neben dem ersten Auftritt des E-Klasse Cabrios in Amerika, zwei echte Neuheiten mit nach Big Apple. Wobei die beiden Neuheiten eigentlich nur eine sind: In New York zeigt die Mercedes-eigene Leistungsschmiede AMG nämlich die Top-Versionen des Kompakt-SUV GLC und dessen CoupéAblegers.
Wenn die beiden GLC-63-Modelle optisch nicht unterschiedlicher sein könnten – der eine ein stattliches SUV, der andere schon fast Limousinen-artig, flach geduckt –, so steckt in ihnen doch das gleiche Technikpaket. Herzstück ist der doppelt aufgeladene Vierliter-V8, der es im „Standard“-Modell auf 476 PS, in der S-Version sogar auf 510 PS bringt. Zusammen mit einer schnell schaltenden Neun-GangAutomatik sollen die Fast-Zweitonner in knapp vier Sekunden auf Tempo 100 sprinten – und dabei weniger als elf Liter Sprit verbrauchen; zumindest auf dem Papier.
Damit von der Kraft so viel wie möglich auf die Straße kommt und sich nicht in Rauch und GummiAbrieb auflöst, bedient sich der AMG-GLC im E-63-Regal. Von der Sportlimousine mopste er sich den neu entwickelten Allradantrieb mit vollvariabler Momentverteilung den beiden Achsen. Äußerlich warten die Stark-SUV nicht nur mit den typischen AMG-Insignien wie großen Lufteinlässen und breiten Radhäusern auf, sondern dürfen sogar den PanamericanaKühlergrill mit den Längsstreben tragen, der bislang dem AMG GT vorbehalten war. Preise gibt es für den ab September erhältlichen GLC 63 allerdings noch nicht.
Dass AMG, die dieses Jahr übrigens ihren 50. Geburtstag feiern, in New York aufs richtige Pferd gesetzt haben, zeigt ein Blick durch die Messehallen. Die wenigen Neuheiten drehen sich fast alle um ein und dasselbe Thema: Leistung – sei es in echten Pferdestärken unter der Haube oder auch mal nur optisch, wie zum Beispiel bei Lexus. Gleich neben dem Mercedes-Stand präsentieren die Japaner die Sport-Version ihrer Luxuslimousine LS. Als F-Sport fährt das Flaggschiff zwar mit dem Standardantrieb, dafür aber mit neuen 20-Zöllern, Aerodynamik-Anbauteilen und überarbeitetem Fahrwerk vor; innen sorgen Alupedale und Sportsitze für etwas mehr gefühlte Dynamik.
Ganz anders sieht es bei den FiatTöchtern Jeep und Dodge aus. Zwar setzen auch der Jeep Grand Cherozwischen kee Trackhawk und der Dodge Challenger SRT Demon auf brachiale Sportoptik, dahinter steckt aber auch eine umfassend modifizierte Hardware. Im Falle des Jeeps ist das ein 6,2 Liter großer Kompressor-V8, der dem fast zweieinhalb Tonnen schweren Geländewagen 717 PS und 875 Newtonmeter Drehmoment einhaucht und ihn bis zu 290 km/h schnell macht. Um die Kraft zu bändigen, verstecken sich 400er-Bremsscheiben hinter den 20 Zoll großen Rädern. Noch brachialer geht der Demon ans Werk: Er nutzt das gleiche Aggregat, aber in einer auf 852 PS und 1044 Newtonmeter aufgebohrten Variante. Damit legt der Dodge die Amerika-typische Paradedisziplin, den Viertelmeilen-Sprint, in 9,55 Sekunden zurück – schneller als ein Bugatti Veyron. Außerdem ist der Hecktriebler das erste Serienauto, das genügend Power hat, um beim Kavalierstart die Vorderräder abheben zu lassen.
Neben starken Autos lieben die Amerikaner vor allem eins, nämlich große Autos. Abgesehen von Toyota, die mit der kantigen Studie FT-4X Concept einen Ausblick auf ein neues SUV geben, punktet auf der Messe allerdings nur Lincoln mit einem der so beliebten Geländewagen – aber mit was für einem! 5,30 Meter misst der neue Navigator, der nicht nur Platz ohne Ende bietet, sondern auch jeden erdenklichen Luxus und Komfort. Selbst in Reihe drei können Erwachsene hier ordentlich sitzen. Nach Deutschland allerdings wird es der Riese, wie schon seine Vorgänger, wieder nicht schaffen.
Das gilt auch für die wichtigste Hybrid-Neuheit der Messe: den Ford Responder. Eigens für die Polizei in Los Angeles und New York hat Ford jetzt einen Streifenwagen mit Doppelherz-Technologie gefertigt, der bis knapp 100 km/h rein elektrisch auf Verbrecherjagd gehen kann. Im Durchschnitt soll der neue Streifenwagen nur noch rund sechs Liter Sprit konsumieren – das ist etwa die Hälfte von dem, was die bisherigen Polizeiautos in den USA schlucken. Ob sich allerdings auch Sheriffs außerhalb der beiden Küstenregionen dafür begeistern können, bleibt abzuwarten.