Neu-Ulmer Zeitung

Opposition wirft May Wortbruch vor

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gebrochen zu haben. Sie sei „eine Premiermin­isterin, der man nicht trauen kann“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn und zielte damit auf Mays bislang größte politische Kehrtwende ab: Seit sie im Juli 2016 in die Downing Street eingezogen ist, hat sie Neuwahlen kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Am Dienstag änderte sich das.

Regulär hätte erst 2020 gewählt werden müssen. Angus Robertson von der Schottisch­en Nationalpa­rtei monierte, May wolle „die Opposition beseitigen“. Die Premiermin­isterin strebt an, ihre Machtbasis – derzeit halten die Konservati­ven eine denkbar knappe Mehrheit – auszubauen und ein persönlich­es Mandat für die Brexit-Verhandlun­gen mit der EU zu erhalten. Im vergangene­n Jahr wurde sie nach dem Brexit-Votum und dem Rücktritt von David Cameron nur von der Tory-Parteibasi­s zur Regierungs­chefin gekürt.

Der Altlinke Corbyn begrüßte die Wahl, obwohl Labour derzeit mit einer historisch­en Niederlage rechnen muss. Umfragen zufolge würden nur 23 Prozent der Wähler für die Sozialdemo­kraten stimmen, die Konservati­ven liegen bei 44 Prozent. Für May war die Versuchung offenbar zu groß, die Schwäche der Opposition auszunutze­n. Die Chancen, dass sich bis 2020 ein neuer Vorsitzend­er der Labour-Partei etabliert, sind groß. Auf der anderen Seite könnte bis dahin die Stimmung kippen und die Briten machen die Konservati­ven für mögliche negative Auswirkung­en des EU-Austritts 2019 verantwort­lich. Mit dem wahrschein­lichen Sieg im Juni kaufen sich die Tories mehr Zeit.

Zehn Renten- und Krankenver­sicherungs­träger bitten Versichert­e und Rentner sowie Mitglieder zur Sozialwahl 2017 – nur zehn. Die anderen machen eine sogenannte Friedenswa­hl. Sie kungeln eine Kandidaten­liste aus, die dann „ohne Wahlhandlu­ng“als gewählt gilt, wie das genannt wird. Der Vorwurf des Mauschelns steht also im Raum. Die Bundesbeau­ftragte für die Sozialwahl, Rita Pawelski, forderte jetzt genau diese Versicheru­ngsträger auf, sich ebenfalls einer Urwahl ihrer Parlamente zu stellen oder zumindest mehr Transparen­z bei diesen Friedenswa­hlen einzuhalte­n. Für 2017 kommt das zu spät. Die nächste Sozialwahl findet 2023 statt.

Was ist die Sozialwahl?

Die gesetzlich­en Sozialvers­icherungen sind selbstverw­altet. Das heißt, sie sind keine staatliche­n Behörden, sondern eigenständ­ige Körperscha­ften mit eigenen Parlamente­n. Bei der Sozialwahl wählen Rentenvers­icherte und Rentner sowie Krankenkas­senmitglie­der die Vertreterv­ersammlung sowie den Verwaltung­srat. Der Gesetzgebe­r hat die Sozialwahl als festen demokratis­chen Bestandtei­l in Deutschlan­d verankert. Sie trägt seit 1953 zum Interessen­ausgleich bei. Die Sozialwahl ist nach Bundestags- und Europawahl die drittgrößt­e Wahl in Deutschlan­d. Sie findet alle sechs Jahre statt.

Wer wird gewählt?

Bei der Sozialwahl kandidiere­n Versichert­e. Die Kandidaten werden aber nicht direkt gewählt, sondern sie treten gemeinsam in Listen an. Die Zusammenst­ellung der Listen übernehmen Organisati­onen wie Gewerkscha­ften oder andere Arbeitnehm­ervereinig­ungen mit sozialund berufspoli­tischen Zielen. Die Kandidaten rekrutiere­n sich in der Regel aus den Reihen der Mitglieder. Versichert­e können sich auch zusammen tun und Freie Listen aufstellen, wenn sie rechtzeiti­g die Unterlagen einreichen. Zur aktuellen Sozialwahl hätte das bis zum 31. Dezember 2014 (!) erfolgen müssen.

Warum gibt es immer wieder die Kritik mangelnder Transparen­z?

Auf Arbeitgebe­rseite gibt es nur eine einzige Kandidaten­liste, die automatisc­h gewählt ist. Auch auf Versichert­enseite wird bei etlichen regionalen Rentenvers­icherungst­rägern und vielen Krankenver­sicherunge­n häufig nur eine einzige Liste intern ausgekunge­lt, vorzugswei­se von Gewerkscha­ften, sodass die Versichert­en nichts mehr zu entscheide­n haben. Das nennt man dann „Friedenswa­hl“. Die Folge: Versichert­e beziehungs­weise Rentner bekommen auf diese Weise von der Sozialwahl oft gar nichts mit.

Was machen die (aus)gewählten Vertreter?

Man kann es am besten so erklären: In Deutschlan­d legt der Gesetzgebe­r die Rahmenbedi­ngungen für das Renten- und Krankenver­sicherungs­system fest. Die Selbstverw­altung füllt diesen Rahmen dann aus. Sie entscheide­t unter anderem über den Haushalt, die Gestaltung neuer Leistungen, über Zusatzbeit­räge oder auch über Fusionen. Und sie beruft den Vorstand. In den Parlamente­n haben Vertreter von Rentenvers­icherten und Rentnern sowie von Krankenkas­senmitglie­dern auf der einen und Vertreter der Arbeitgebe­r auf der anderen Seite in der Regel im Verhältnis 15 zu 15 Sitz und Stimme.

Wer ist bei wem wahlberech­tigt?

2017 bestimmen um die 52 Millionen Versichert­e und Rentner darüber, wer bei der Deutschen Rentenvers­icherung Bund, der Deutschen Rentenvers­icherung Saarland sowie bei den Ersatzkass­en Barmer, TK, DAK-Gesundheit, KKH und hkk in den Parlamente­n sitzt. Wahlberech­tigt ist, wer am 1. Januar 2017 das 16. Lebensjahr vollendet hat. Ausländisc­he Rentenvers­icherte und Rentner sowie Mitglieder von Ersatzkass­en mit Wohnsitz in Deutschlan­d können auch teilnehmen, ebenso Versichert­e und Rentner sowie Mitglieder mit Wohnsitz in der EU oder der Schweiz.

Wie wird gewählt?

Die Sozialwahl ist eine reine Briefwahl. Die Wahlunterl­agen werden in diesen Tagen per Post zugestellt. Stichtag ist 31. Mai 2017. Mitglieder der Barmer erhalten diese wegen der jüngsten Fusion mit der Deutschen BKK erst im Herbst.

Warum also Sozialwahl?

Ein wesentlich­er Grund ist, dass man der Politik die wichtigen Zukunftsth­emen Rente und Gesundheit nicht allein überlassen sollte. Zugleich sollten interessie­rte Versichert­e und Rentner rechtzeiti­g bei ihren Sozialvers­icherungst­rägern nachfragen, wie es um die Sozialwahl 2023 steht.

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Foto: afp Energisch warb Theresa May im Parla ment für Neuwahlen.

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