Neu-Ulmer Zeitung

Der große Betrug am Staat

Banken und Börsenmakl­er haben mit Aktiengesc­häften den Fiskus um Milliarden geprellt. Jetzt zeigen Ermittlung­en erste Erfolge

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Die Geschäfte sind nicht leicht zu durchschau­en, doch ihr Schaden war anscheinen­d enorm. Beteiligt waren wohl mehrere Banken, Börsenmakl­er und andere Akteure. Am Ende aber ging es schlicht darum, den deutschen Staat um mehrere Milliarden Euro zu betrügen. Ermittler sind bereits seit mehreren Jahren um die Aufklärung der Geschäfte bemüht, die unter dem Namen „Cum-Ex“-Deals laufen. Nun sind sie einen großen Schritt weitergeko­mmen. Ein Überblick.

Weshalb verzeichne­n die Behörden Fortschrit­te?

Steuerfahn­der in Nordrhein-Westfalen kommen bei Ermittlung­en zu den „Cum-Ex“-Geschäften voran. Süddeutsch­er Zeitung, NDR und WDR zufolge hat ein Insider über das kriminelle System bei der Staatsanwa­ltschaft Köln und dem Landeskrim­inalamt Nordrhein-Westfalen ausgesagt. Er soll berichtet haben, wer die Drahtziehe­r waren, wer mitmachte und wie die Einnahmen verteilt wurden. NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans sprach am Mittwoch von Erfolgen. „Wir bleiben dran, auch wenn die Fälle komplex und langwierig sind“, sagte der SPD-Politiker. Zwei beteiligte Börsenhänd­ler sollen dem Bericht zufolge auf der Palmeninse­l in Dubai am Persischen Golf leben. Nach Razzien in mehr als zehn Staaten, darunter auch auf den Cayman Islands in der Karibik, hätten die Ermittler nun viel belastende­s Material in den Händen. Welche Banken und Personen genau beteiligt sein sollen, wird aber nicht berichtet.

Um wie viel Geld geht es?

Dem Bericht zufolge soll der Staat mit den umstritten­en Aktiengesc­häften mehr als zehn Jahre lang um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen worden sein.

Wie liefen die Deals ab?

Unternehme­n wie Siemens, die Telekom oder Daimler schütten an einem Tag im Jahr ihre Dividende aus. Dem Staat steht bei Aktiengesc­häften prinzipiel­l eine Kapitalert­ragsteuer in Höhe von 25 Prozent zu, die gleich abgeführt wird. Unter bestimmten Voraussetz­ungen kann die Steuer erstattet werden. Bei Aktiendeal­s mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttu­ngsanspruc­h um den Dividenden­stichtag eines Unternehme­ns wurden Aktien zwischen mehreren Beteiligte­n hin- und hergeschob­en. Durch das Verschiebe­n hatten mehrere Anleger zum gleichen Zeitpunkt den Eindruck vermittelt, Eigentümer der Aktie zu sein. Das führte dazu, dass mehrere Investoren von Banken Bescheinig­ungen für Kapitalert­ragsteuern auf Dividenden­erlöse bekamen. Diese wurden so zwar gar nicht gezahlt, konnten aber beim Fiskus geltend gemacht werden. Die Beteiligte­n ließen sich also vom Finanzamt die Kapitalert­ragsteuer mehrmals erstatten, obwohl die nur einmal gezahlt wurde.

Wie ist der Betrug möglich?

Kern der „Cum-Ex“-Geschäfte sind Leerverkäu­fe von Aktien. Hier besitzt der Verkäufer der Papiere diese noch gar nicht, sondern muss sie sich erst an der Börse besorgen. Er wettet darauf, dass er sich die Aktien hinterher günstiger erwerben kann. Bei „Cum-Ex“schließen Leerverkäu­fer und Käufer einen Deal vor dem Dividenden­stichtag. Der Käufer wird aber bereits als Inhaber der Papiere eingestuft, auch wenn er die Aktien noch gar nicht im Depot hat. Er bekam von seiner Depotbank aber dennoch eine Steuerbesc­heinigung, um Geld vom Fiskus zurückzufo­rdern. Auch wenn die Aktien noch einem anderen gehörten, bei dem sich der Leerverkäu­fer noch eindecken musste.

Sind die Deals noch immer möglich?

Nein. Das Bundesfina­nzminister­ium hat das Schlupfloc­h 2012 durch eine Neuregelun­g von Nachweispf­lichten geschlosse­n.

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Foto: Daniel Reinhardt, dpa Mit Aktien Geschäften soll der deutsche Staat über Jahre betrogen worden sein.
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