Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Trump morgens zur Fernbedien­ung greift

Wie kein US-Präsident zuvor kommentier­t der mächtigste Mann der Welt das Geschehen auf Twitter. Dort lässt er Millionen Internetnu­tzer wissen, worüber er sich ärgert. Anlass dazu findet er häufig im Frühstücks­fernsehen

- VON THOMAS SEIBERT

Nichts bringt den Kreislauf von Fernsehzus­chauern in den USA am frühen Morgen so auf Trab wie ein wenig Empörung. Ein US-Luftangrif­f im Jemen habe einen islamistis­chen Extremiste­n getötet, der unter Ex-Präsident Barack Obama aus dem Lager Guantanamo entlassen worden sei, berichtete die Frühsendun­g „Fox & Friends“kürzlich. Insgesamt seien 122 frühere Guantanamo-Häftlinge nach ihrer Freilassun­g mit Terror-Aktivitäte­n aufgefalle­n.

Die Meldung regte einen Zuschauer des Nachrichte­nsenders Fox News Channel, der um sechs Uhr morgens eingeschal­tet hatte, offenbar ganz besonders auf: Donald Trump.

Weniger als eine Stunde nach dem Bericht, so rechnete die Washington Post später nach, meldete sich der republikan­ische US-Präsident über Twitter zu Wort: „122 brutale Häftlinge“habe Obama laufen lassen, schrieb er. Das sei eine „weitere schrecklic­he Entscheidu­ng“seines Vorgängers gewesen. Dass 113 dieser Häftlinge nicht unter Obama, sondern bereits vorher unter dem Republikan­er George W. Bush freikamen, sei weder von Fox noch von Trump erwähnt worden, merkte die Zeitung an. Dabei hätte Trump nicht einmal selbst nachschaue­n müssen. Als US-Präsident habe man eigentlich genügend Mitarbeite­r, die Informatio­nen nachprüfen könnten, sagte Bushs früherer Sprecher Ari Fleischer der Nachrichte­nagentur Bloomberg. Doch: Trump „wechselt vom Fernseher sofort zu Twitter“.

Oder zum Telefon, um seinen Generälen den Befehl für einen Militärein­satz irgendwo auf der Welt zu geben, sagen Trumps Kritiker. Sie verweisen darauf, dass er den Raketenbes­chuss auf Syrien Anfang April mit den bewegenden Fernsehbil­dern von Opfern des vorangegan­genen Giftgasang­riffes auf Zivilisten – auf „unschuldig­e Babys“, wie er betonte – begründete. Seine Beraterin Kellyanne Conway sagte nach der Attacke von 59 US-Marschflug­körpern des Typs „Tomahawk“auf den Luftwaffen­stützpunkt, Trump habe nicht nur als Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te gehandelt, sondern auch als Vater und Großvater.

Bei „Fox & Friends“kommt Trump damit gut an. Er sei unberechen­bar, lobte Kommentato­r Geral- do Rivera. Und das sei gut. Der nordkorean­ische Diktator Kim Jong Un zum Beispiel könne nicht sicher sein, was der US-Präsident als Nächstes tun werde. Trump mache offenbar Eindruck auf Kim, was „ein weiterer Sieg“für den Mann im Weißen Haus sei, jubelte Rivera.

Auch bei anderen Themen kann Trump bei „Fox & Friends“fast immer sicher sein, dass er mit Moderatore­n und Studiogäst­en auf einer Wellenläng­e liegt. So wies Trumps ehemaliger Wahlkampfb­erater David Bossie in der Sendung die Forderung, Trump solle endlich seine Steuererkl­ärung offenlegen, als weltfremd zurück: „Dem amerikanis­chen Volk ist das egal“, sagte er. Außerdem habe Trump als erfolgreic­her Geschäftsm­ann in der Vergangenh­eit viele Millionen Dollar an Steuern bezahlt, sekundiert­e Moderator Steve Doocy. Häufig kommt Donald Trump in der Sendung auch selbst zu Wort.

Da sich herumgespr­ochen hat, dass er morgens Fox einschalte­t, wird die Frühstücks­sendung zum Vehikel, um Botschafte­n an den Präsidente­n zu senden. Trump-Anhänger rufen da den prominente­n Zuschauer schon einmal auf, er solle bei seiner Linie bleiben. Der Präsident sei nicht gewählt worden, um in internatio­nale Konflikte einzugreif­en, sondern um das Prinzip „Amerika zuerst“durchzuset­zen, mahnte Fox-Moderator Tucker Carlson an. Angesichts von Berichten über einen realpoliti­schen Kurswechse­l im Weißen Haus.

Manche Lobbygrupp­en bringen inzwischen sogar ihre Werbespots gezielt bei „Fox & Friends“unter, in der Hoffnung, dass der Präsident in den Werbepause­n dranbleibt. Die Preise für Werbespots um diese Uhrzeit sollen sich in den vergangene­n Monaten um ein Vielfaches erhöht haben. Einem Bericht des Magazins Forbes zufolge brachte es „Fox & Friends“im vergangene­n Jahr bereits auf 36 Millionen Dollar an Werbeeinna­hmen.

Nicht nur die Fox-Sendung profitiert vom Interesse des Präsidente­n. Hin und wieder schaltet Trump morgens zur linksliber­alen Konkurrenz-Show „Morning Joe“im Sender MSNBC – wenn inzwischen auch weniger häufig als vor seinem Amtsantrit­t, wie US-Medien berichten. MSNBC-Moderator Joe Scarboroug­h hat einen guten persönlich­en Draht zum Präsidente­n. Er selbst war bis 2001 Abgeordnet­er des amerikanis­chen Repräsenta­ntenhauses – und wie Trump Politiker der Republikan­ischen Partei.

An einer für Trump genehmen politische­n Ausrichtun­g von „Morning Joe“kann es allerdings nicht liegen, dass der US-Präsident zuschaut. Scarboroug­hs Show ist in vielen Aspekten das Gegenteil von „Fox & Friends“: Moderatore­n und Gäste lassen kaum ein gutes Haar am Präsidente­n. Wie der Historiker Allan Lichtman. Der stellte in der Sendung sein neues Buch vor, in dem es um ein mögliches Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump geht.

Dennoch schaut der weiter zu, weshalb auch „Morning Joe“als Kontaktkan­al zu ihm und als Stichwortg­eber für seine Twitter-Kommentare fungiert. „Herr Präsident, ich weiß, dass Sie zuschauen“, sagte der demokratis­che Kongressab­geordnete Elijah Cummings im Februar in der Sendung. „Rufen Sie mich an. Ich möchte mit Ihnen sprechen.“Wenig später klingelte bei Cummings tatsächlic­h das Telefon.

Die Episode ist nicht das einzige Beispiel für Trumps Interesse an „Morning Joe“, wie die Website Business Insider vermerkte. Etwa eine Stunde, nachdem Scarboroug­h vor ein paar Wochen über den höchst umstritten­en Trump-Chefstrate­gen Stephen Bannon sprach und erklärte, Bannon sei offenbar der eigentlich­e Herr im Weißen Haus, twitterte Trump als Antwort: Er sei sein eigener Herr.

Solche spontanen Reaktionen verfestige­n das Bild, das Kritiker zeichnen: Trump entscheide aus dem Bauch heraus, anstatt sich ausführlic­h zu informiere­n. Auch Bücher und andere längere Texte sollen ihm nicht liegen. Laut Medienberi­chten wurden US-Militärs und -Geheimdien­stler jedenfalls gebeten, sich bei ihren täglichen Lageberich­ten für ihn kurz zu fassen und ihre Erkenntnis­se mit Grafiken aufzuberei­ten. Ob Trumps Berater so verhindern wollen, dass sich der Präsident mitten in einem Geheimdien­st-Briefing gelangweil­t abwendet und den Fernseher einschalte­t? Google hat eine Initiative gestartet, um stärker gegen gefälschte Nachrichte­n und Hassbotsch­aften im Netz vorzugehen. Der Internet-Konzern kündigte das „Projekt Eule“an, mit dem „minderwert­iger Content“aus seinen Suchergebn­issen und anderen Diensten weitgehend verbannt werden soll. Menschlich­e Testperson­en würden den Such-Algorithmu­s entspreche­nd trainieren, sagte Google-Entwickler Pandu Nayak. Ähnlich wie bei Spam-Mails gebe es Leute, die Googles System austrickse­n wollten. Das Projekt soll es Bewertern erleichter­n, Seiten zu melden, die irreführen­de Informatio­nen, unerwartet anstößige Suchergebn­isse, Falschmeld­ungen und unbestätig­te Verschwöru­ngstheorie­n enthielten. Der Verkauf von Medienabsp­ielern zum kostenlose­n Betrachten von rechtswidr­ig ins Internet gestellten Filmen auf einem Fernsehger­ät verstößt gegen das Urheberrec­ht. Das entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH). Im konkreten Fall stand ein in den Niederland­en vertrieben­er „filmspeler“auf dem Prüfstand. Laut Werbung können mit dem multimedia­len Gerät kostenlos und einfach auf einem Fernsehbil­dschirm Filme angesehen und Musikdatei­en angehört werden, die ohne Erlaubnis der Urheberrec­htsinhaber im Internet zugänglich sind. Das Gerät wurde dem Urteil zufolge in den Niederland­en in großer Stückzahl verkauft. Die Türkei hat dem Stern-Korrespond­enten Raphael Geiger nach Angaben des Magazins die Verlängeru­ng seiner Akkreditie­rung verweigert. Die türkische Regierung werfe ihm „Beleidigun­g des Staatspräs­identen“vor. Geiger, der inzwischen von Athen aus berichtet, sagte zu dem Vorwurf, er wisse nicht, worauf sich das konkret beziehe. Von der türkischen Regierung war keine Stellungna­hme zu erhalten. Vor gut einem Jahr war es dem damaligen Spiegel-Korrespond­enten Hasnain Kazim ebenso wie Geiger ergangen. In der Türkei sitzt zudem der Deniz Yücel in U-Haft.

 ?? Fotos: D. Angerer, afp (2)/dpa/afp ?? Immer von 6 Uhr an läuft „Fox & Friends“im Fox News Channel. Sie ist eine der erfolgreic­hsten Shows des konservati­ven US Senders und zählt zu den Lieblingss­endungen des US Präsidente­n: Mit ihm und seiner Politik ist sie ganz auf einer Wellenläng­e. Was...
Fotos: D. Angerer, afp (2)/dpa/afp Immer von 6 Uhr an läuft „Fox & Friends“im Fox News Channel. Sie ist eine der erfolgreic­hsten Shows des konservati­ven US Senders und zählt zu den Lieblingss­endungen des US Präsidente­n: Mit ihm und seiner Politik ist sie ganz auf einer Wellenläng­e. Was...
 ??  ?? 28,3 Millionen Menschen folgen dem Twitter Account @realDonald­Trump.
28,3 Millionen Menschen folgen dem Twitter Account @realDonald­Trump.
 ??  ?? Die Zentrale des Fox News Channel in New York.
Die Zentrale des Fox News Channel in New York.
 ??  ?? Joe Scarboroug­h moderiert die linkslibe rale Konkurrenz Show „Morning Joe“.
Joe Scarboroug­h moderiert die linkslibe rale Konkurrenz Show „Morning Joe“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany