Neu-Ulmer Zeitung

Feuer und Ruß sind Teufels Metier

Ob alte Silberlöff­el oder abgenutzte Mistgabel. Der Unterfahlh­eimer schmiedet aus ehemaligen Gebrauchsg­egenstände­n Kunstwerke. Dabei gilt für ihn: Weniger ist mehr

- VON DAGMAR HUB

Wenn er sein Leben noch einmal ganz von vorne beginnen könnte, dann würde er Archäologe werden – oder Künstler, sagt Karl Heinz Teufel. Doch in seiner Jugend, in den 50er Jahren, war die Zeit eine andere: „Da sprach man bei solchen Träumen von der brotlosen Kunst“, erinnert sich der 77-Jährige, der lange bei dem deutschen Industried­esigner Rido Busse arbeitete. Busse studierte an der einstigen Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG), ehe er 1985 in Burlafinge­n eine eigene Prototypen­Firma gründete. Ein Jahr später verlegt Busse das Unternehme­n nach Unterfahlh­eim. Aus dem Betrieb, der mittlerwei­le zu den zehn größten Prototypen-Firmen in Europa gehört, hat sich Karl Heinz Teufel inzwischen zurückgezo­gen. Seit der Übergabe lebt er seine eigentlich­e Leidenscha­ft aus: die Kunst. Er verbindet dabei sein designgesc­hultes Auge mit der handwerkli­chen Tradition seiner Vorfahren.

Im Produktion­s- und Verwaltung­sgebäude der Prototypen­bauFirma im Unterfahlh­eimer Veilchenwe­g hat sich Karl Heinz Teufel im hinteren Bereich sein Atelier eingericht­et. Fertige Kunstwerke, Unfertiges und gesammelte Werkstoffe stehen dort. Das Material, mit dem Teufel arbeitet, ist alt: Da sind Mistund Heugabeln aus vergangene­r Zeit, da ist altes Besteck und Schwemmhol­z aus dem Lech, zumeist Eichenholz. Da sind Werkzeuge, die noch von seinem Vater stammen. Dieser war Kunstschmi­ed in der fürstliche­n Hofschloss­erei in Sigmaringe­n. Er gehörte zu jenen Gründern, die sich gleich nach Kriegsende im Kloster Wiblingen mit kleinen Firmen selbststän­dig machten. Dort hat Karl Heinz Teufel schon als Kind vom Vater Stilkunde brauchsgeg­enstände zu schaffen, sondern die eigenwilli­ge Schönheit der alten Geräte in anderer Form zur Geltung zu bringen. Seine „Spielsache­n“nennt Teufel diese Sammlung an Werkzeugen und Geräten. Das Schmieden mache ihn zufrieden, sagt er. „Metall und Feuer und Ruß und Holz, das passt zu mir. Zu meinem Namen. Zu meiner Herkunft.“

Was aus einem solchen alten landwirtsc­haftlichen Gerät werden kann? Im Grunde gibt das das Stück selbst vor, sagt Teufel: Die Zinken einer alten Heugabel formte er zu den schlanken Armen und Beinen einer Balletttän­zerin um. Die Leichtigke­it und Anmut einer Mistgabel – sie zu entdecken, darin liegt das Geheimnis der Kunst von Karl Heinz Teufel. Ob nun aus einer Kartoffelh­acke ein Engel wird oder eine archaisch anmutende Gottheit, ist dem Auge des 77-Jährigen überlassen. Er folgt dabei einem grundsätzl­ichen Prinzip: Teufel spielt minimalist­isch mit der vorgefunde­nen Form. Für den Betrachter ist ihr ursprüngli­cher Zweck noch erkennbar – und dennoch schafft er eine neue Figur. „Es geht mir darum, aus eigentlich banalem Gerät etwas Neues, ganz Anderes zu schaffen. Und dabei möchte ich nicht Schrott zusammensc­hmieden und dann ,Vogel’ darunter schreiben“, sagt Teufel und schmunzelt. Er orientiert sich am „Weniger ist mehr“-Gedanken Le Corbusiers und am Weglassen von allem Überflüssi­gen. Dies hat der von ihm bewunderte Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti bis zum Exzess betrieben.

Die Größe der Kunstwerke von Teufel geben deren ursprüngli­chen Zweck im Wesentlich­en vor. Damit sie zur Wirkung kommen, platziert der Künstler sie gern auf hölzernen Balken-Stelen, die er durch Brennen härtet, dunkelt und dabei gleichzeit­ig konservier­t. „Lacke und Firnis kommen bei mir nicht in die Tüte“, sagt er. Alles ist pur und puristisch.

Im Moment arbeitet Teufel für eine Ausstellun­g in der Schweiz: Schmuck diesmal, Kleinteili­geres also als sonst. Wertstücke vor allem für Männer, für Hände, die das Arbeiten mit schweren Dingen gewohnt sind. Besonders altes Silberbest­eck formt er dafür zu massiven Ringen um. Eher für den weiblichen Hals gedacht sind Anhänger aus geknickten Löffeln oder ein schwerer Bronze-Armreif in Form eines Ginkgo-Blattes. Im Ginkgo spiegelt sich jene gespaltene Doppelform wieder, die auch die Grundlage der Flügel seiner Engel und des Kopfschmuc­kes seiner archaische­n Gottheiten darstellt. Der Cartoonist und Comiczeich­ner Piero Masztalerz ist heute, 20 Uhr, im Theater Neu-Ulm zu sehen. Seine „Live Cartoon Show“versteht sich als bunter Mix aus politische­n und gesellscha­ftskritisc­hen Cartoons, Stand-Up-Comedy, Animatione­n und musikalisc­hen Einlagen. Masztalerz veröffentl­icht regelmäßig in Spiegel Online, Stern und Eulenspieg­el. 2011 belegte er den ersten Platz beim Deutschen Cartoon Preis. 2012 und 2014 gewann er den Hauptpreis beim Deutschen Preis für die politische Karikatur. (az) Fast schon Tradition hat die von der Volkshochs­chule im Landkreis Neu-Ulm jährlich veranstalt­ete Lesung des Ulmer Dichterkre­ises. Der diesjährig­e Termin trägt den Titel „Je Dichter je lieber“. Er findet heute um 19 Uhr im Museumssta­del Pfuhl, Hauptstr. 73, statt – zum 15-jährigen Bestehen des Ulmer Dichterkre­ises. Die Texte werden dabei musikalisc­h vom Gitarriste­n Manfred Bootz begleitet. Der Eintritt ist frei. Die Spenden der Benefiz-Veranstalt­ung gehen vollständi­g an die Kinderonko­logie an der Uni Ulm. (az)

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Fotos: Dagmar Hub Aus drei Kartoffelh­acken hat Karl Heinz Teufel Gesichter im Profil geformt. Sie sind auf einem Schwemmhol­zblock aus dem Lech befestigt.
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Karl Heinz Teufel neben einer seiner Figuren: Die ehemalige Schaufel wurde gespal ten und zu einer archaisch anmutenden Gottheit umgeformt.

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