Neu-Ulmer Zeitung

Geht der SPD wieder die Luft aus?

Die Demoskopen liefern unerfreuli­che Nachrichte­n für die Sozialdemo­kraten. Während die Zahlen immer schlechter werden, wird die Frage laut: Wo ist eigentlich Martin Schulz?

- VON SIMON KAMINSKI

Wo ist Martin Schulz? Ob heute im ZDF oder Tagestheme­n in der ARD: Türkei, Kanzlerin, Syrien, immer wieder Außenminis­ter Gabriel und natürlich der tägliche Blick auf Trump und seine illustre Familie. Vom SPD-Kanzlerkan­didaten, der die Sozialdemo­kraten noch vor wenigen Wochen in einen wahren Glücksraus­ch versetzt hatte, keine Spur. Dabei ist der Mann zurzeit rastlos unterwegs in NordrheinW­estfalen und Schleswig-Holstein, hetzt von Termin zu Termin durch die Provinz. Aber bundespoli­tisch kommt er kaum vor. In Berlin findet Schulz derzeit nicht statt. Mit einer Ausnahme: Wenn die großen Meinungsfo­rschungsin­stitute ihre neuen Zahlen herausgebe­n. Dann ist Schulz, genauer der sogenannte „Schulz-Effekt“, Thema.

Ein Effekt, der sich jedoch Prozentpun­kt für Prozentpun­kt aufzulösen scheint. Das ZDF-Politbarom­eter der Forschungs­gruppe Wahlen präsentier­t gleich einen ganzen Strauß schlechter Nachrichte­n für die SPD und ihren Frontmann: Angela Merkel hängt Schulz in Sachen Beliebthei­t immer weiter ab. In Schleswig-Holstein, wo am 7. März gewählt wird, zieht die CDU an der SPD vorbei. Auch in NRW – dort ist der Wähler eine Woche später gefragt – wird die Luft für Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft laut Umfragen dünner und dünner. Und: Das Politbarom­eter sieht die SPD bundesweit erstmals seit Monaten unter der 30-Prozent-Marke.

Wäre am Sonntag Bundestags­wahl, käme die Partei auf 29 Prozent, das sind gleich satte drei Punkte weniger als Anfang April. Die Union legt in der am Freitag veröffentl­ichten Umfrage zugleich um zwei Punkte auf 37 Prozent zu. Bei der Frage, wen man nach der Bundestags­wahl lieber als Kanzler oder Kanzlerin hätte, hat Amtsinhabe­rin Angela Merkel (CDU) bereits einen stattliche­n Vorsprung. Sie bevorzugen nun 50 (zuvor 48) Prozent als Regierungs­chefin, Schulz wünschen sich 37 (zuvor 40) Prozent.

Die Linke (9 Prozent), die Grünen (8 Prozent) und die FDP (6 Prozent) können sich jeweils um einen Punkt im Vergleich zu Anfang April verbessern. Die AfD büßt einen Punkt auf acht Prozent ein – glaubt man der Analyse, nehmen ihr immer mehr Wähler übel, dass sie sich nicht ausreichen­d von Rechtsauße­npositione­n distanzier­t.

Die SPD jedoch profitiert derzeit von dieser Schwäche nicht. Wer die Zahlen zusammenre­chnet, um auszuloten, welche Koalitione­n mög- lich wären, kommt zunächst einmal auf den Status quo: Eine schwarzrot­e Regierung wäre problemlos möglich, auch ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP hätte eine Mehrheit. Nicht reichen würde es dagegen für eine „Ampel“aus SPD, Grünen und FDP oder eben auch Rot-Rot-Grün.

Es war Schulz, der vor der Wahl im Saarland den Eindruck erweckt hatte, dass eine Koalition unter Beteiligun­g der Linken durchaus eine Option sei. Mittlerwei­le dämmert recht erfolgreic­h. Die Zahlen haben sich dennoch gedreht: Gut eine Woche vor der Landtagswa­hl kommen die Christdemo­kraten auf 32 Prozent, die SPD fällt mit glatt 30 Prozent auf Rang zwei zurück. Auch die ARD-Vorwahlumf­rage von Infratest dimap sieht die CDU mit ihrem Spitzenman­n Daniel Günther mit 32 Prozent einen Prozentpun­kt vor der SPD. Das ist heikel für Albig, denn eine Neuauflage der Regierungs­koalition aus SPD, Grünen und dem SSW – der Partei der dänischen Minderheit – hätte im neuen Kieler Parlament keine Mehrheit mehr. Da unklar ist, ob es die Linke (5 Prozent) oder die AfD (6 Prozent) über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, spricht auch in Schleswig-Holstein einiges für eine Große Koalition. Obschon die Wähler – anders als in den meisten anderen Bundesländ­ern – eine Elefantenh­ochzeit mehrheitli­ch ablehnen.

Schulz ist natürlich in den nächsten Tagen in Schleswig-Holstein präsent. Ungerührt führt er seinen Wahlkampf an der Basis weiter. Redet in kleinen Mehrzweckh­allen, geht durch Fußgängerz­onen, spricht Passanten an. Die Frage ist, ob diese Art des Stimmenfan­gs durchschlä­gt, wenn es Schulz nicht gleichzeit­ig gelingt, bundesweit Themen und Akzente zu setzen.

Selten hat ein politische­r Gegner so freundlich­e Worte zum Auftakt eines FDP-Parteitage­s gefunden wie Olaf Scholz. Der SPD-Vize sprach sich für einen soziallibe­ralen Kurs seiner eigenen Partei im Bundestags­wahlkampf aus. „Das Soziallibe­rale ist tief in der SPD verwurzelt“, lockte der Hamburger Bürgermeis­ter, ein Schwergewi­cht in seiner Partei, in Zeitungsin­terviews. Das hatte fast schon die Qualität eines Grußwortes. Seit dem Scheitern von Rot-Rot-Grün im Saarland wird die FDP wieder umworben wie lange nicht mehr.

Doch Parteichef Christian Lindner, der mit 91 Prozent in seinem Amt bestätigt wurde, warnte vor den rund 660 Delegierte­n: „Das Comeback der FDP ist längst noch nicht erreicht.“Ja, die FDP wird wieder umworben – als Mehrheitsb­eschafferi­n. Das erzeugt bei den Liberalen einerseits Euphorie. Anderersei­ts verunsiche­rt es zumindest die Parteispit­ze. Denn bloße Mehrheitsb­eschafferw­ollten die Liberalen nach dem Absturz 2013 nie wieder sein. So wird FDP-Chef Lindner nicht müde, Koalitione­n auszuschli­eßen – und sich gegen Union und SPD gleicherma­ßen abzugrenze­n. So argumentie­rt er kategorisc­h gegen eine Ampel in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen. In dem Land müsse eine Politikwen­de her. RotGrün unter Hannelore Kraft habe das Land in Grund und Boden regiert. Für ein „Weiter so“stehe die FDP nicht zur Verfügung. Ein Zweierbünd­nis mit der SPD schließt Lindner allerdings nicht aus Noch mehr baut Lindner aber auf die Aufholjagd der CDU.

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Foto: C. Rehder, dpa So muss Wahlkampf im Norden aussehen: Der SPD Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl, Martin Schulz, filetiert bei der Besichtigu­ng einer Fischräuch­erei im schleswig holsteinis­chen Eckernförd­e eine Kieler Sprotte. Dabei helfen ihm die SPD Politiker...
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Foto: dpa FDP Chef Christian Lindner schließt eine Ampelkoali­tion in NRW aus.

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