Neu-Ulmer Zeitung

Münchner „Tatort“mit vielen Patzern

Nicht nur bei den Ermittlung­en der Kommissare Batic und Leitmayr lief am Sonntagabe­nd einiges schief. Die echte Münchner Polizei entlarvt noch weitere Fehler

- VON PHILIPP KOSAK

Für manche Mitarbeite­r der Münchner Polizei war es am Sonntag kein ruhiger „Tatort“-Abend auf dem Sofa. Das Presseteam des Polizeiprä­sidiums kommentier­te die neue Münchner Folge in Echtzeit auf Twitter – und entlarvte dabei manchen Patzer, der in der tatsächlic­hen Polizeiarb­eit niemals vorkommen dürfte.

Die Folge „Der Tod ist unser ganzes Leben“war die Fortsetzun­g einer Episode vom Oktober 2016 („Die Wahrheit“) über einen Zufallsmor­d an einem Familienva­ter. Die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) gaben damals die Suche nach dem Mörder frustriert auf. Das steigerte die Erwartung auf die Fortsetzun­g, die am Sonntagabe­nd mit 7,27 Zuschauern wieder einmal den Quotensieg für die ARD holte. Die Festnahme des damaligen Mörders Thomas Barthold (Gerhard Liebmann) steht – mehr als ungewöhnli­ch für einen Tatort – am Anfang des Films. Doch bei der Überführun­g des Angeklagte­n aus der Untersuchu­ngshaft in ein anderes Gefängnis geht alles schief. Zum Schluss liegt Batic schwer verletzt im Krankenhau­s – und Leitmayr rätselt, warum sein Partner ihn belügt. Die echten Polizisten ermittelte­n derweil Fehler im Plot: ●

Mühsamer als im Film ist meist die Auswertung von Überwachun­gskameras. Auf dem Bildschirm überführen die Kommissare den Täter, weil er gestochen scharf auf der Kamera eines Ladengesch­äfts am Gärtnerpla­tz zu sehen ist. „Wäre schön, wenn Überwachun­gskameras immer so eine Qualität hätten.“● Auch den Umgang der Fernseh-Ermittler mit Zeugen fanden die echten Polizisten unglaubwür­dig. Denn Batic hatte sich schon im ersten Teil aufopferun­gsvoll um die Witwe des Ermordeten und deren Sohn Taro gekümmert. Er aß mit der Familie zu Abend, telefonier­te regelmäßig mit der Frau. „Der Kontakt zwischen Batic und Witwe überschrei­tet die profession­elle Distanz! Opferbetre­uung: Ja! Aber nur dienstlich.“● Die Verhöre sind im Fernsehen dramatisch­er als in der Realität: „Keine ,Schockbild­er‘ bei Vernehmung.“Und zur Befragungs­taktik: Irgendwie sind unsere Ermittler emotional auch ein bissl cooler drauf.“● Im „Tatort“ist vieles actionreic­her dargestell­t als in Wirklichke­it: „Die Festnahme würde anders ablaufen. Schneller, unauffälli­ger und vor allem: ohne Fremdgefäh­rdung von Unbeteilig­ten.“Im Film verhaftet die Polizei den Täter an seinem Arbeitspla­tz, der Archäologi­schen Staatssamm­lung in München, vor den Augen dutzender Besucher. ● Besonders unrealisti­sch sind wohl die Alleingäng­e der Kommissare. Die beiden suchen den geflüchtet­en Täter minutenlan­g allein in einer Fabrikruin­e. „Wo bleiben SEK, Hund, Hundertsch­aft und Hubschraub­er?“, fragten die Experten. ● In diesem „Tatort“steckt Batic selber ganz tief mit im Fall – und verwischt im wahrsten Sinne des Wortes Spuren. Halb verblutend putzt er seine Pistole am Pulli ab. Einziger Kommentar der echten Polizisten: „Einmal kurz abwischen und alle Spuren vernichtet? Nette Idee!“

Umso überrasche­nder fällt das Fazit der Ermittler nach dem Abspann aus, denn trotz inhaltlich­er Mängel sind sie von der Episode begeistert: „Chapeau, Tatort München! Wir diskutiere­n gerade darüber, ob das der beste Tatort überhaupt war.“Twitternut­zer verteilen auch für den Live-Check der Münchner Pressestel­le viel Lob, die für ihre profession­elle Arbeit in den sozialen Medien vor allem durch den Amoklauf im Juli 2016 am Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum bekannt geworden ist: „Chapeau für den Faktenchec­ker! Spannend, informativ und lässig zugleich.“(mit sari)

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Foto: Hagen Keller/BR/X Filme, dpa Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) geht im Tatort vom Sonntag verletzt zu Boden. Hätte er richtig gearbeitet, wäre das wohl nicht passiert, wie die Münchner Polizei jetzt erklärte. Trotzdem sind die echten Ermittler angetan von der Folge.
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