Der Mythos vom Elite Abi
In Gymnasien brüten Schüler ab heute wieder über ihren Abschlussprüfungen. Das Abitur im Freistaat galt lange als das schwerste in Deutschland – ist das noch so?
Ab neun Uhr kratzen heute tausende Bleistifte und Kugelschreiber in Hochgeschwindigkeit über Papier. In Bayern beginnen wieder die Abiturprüfungen. Rund 40 000 Jugendliche brüten am ersten Tag über Mathematik-Aufgaben, am 9. Mai folgt für alle Schüler die Prüfung im Fach Deutsch. Bis in den Juni geht es weiter mit einer dritten schriftlichen Prüfung und mündlichen Examen. Erst dann können die Schüler wieder aufatmen – und auf eine gute Abschlussnote hoffen. Gerade das bayerische Abitur gilt als besondere Auszeichnung, wird es doch weithin als bester Schulabschluss Deutschlands bezeichnet. Doch der Mythos vom Elite-Abi schwächelt.
Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, unterrichtet als Schulleiter am Robert-Koch-Gymnasium im niederbayerischen Deggendorf. Ihm zufolge gehört das bayerische Abitur immer noch zu den anspruchsvollsten in Deutschland, doch andere Bundesländer haben in den vergangenen Jahren aufgeholt: „Bayerns Abitur ist vielleicht nicht mehr das schwerste. Sachsen könnte den Freistaat in diesem Punkt überholt haben.“Gerade in den Naturwissenschaften sei die sächsische Prüfung anspruchsvoll. Auch die Durchfallquote unterscheidet die Bundesländer, in Sachsen scheitern im Schnitt mehr Schüler an der Abiturprüfung als in Bayern. So bestanden etwa im Jahr 2009 5,2 Prozent der Schüler in Sachsen ihre Prüfung nicht – in Bayern war es lediglich ein Prozent. „Die Durchfallquote allein sagt natürlich nicht alles über die Qualität des Abiturs aus“, sagt Meidinger, „aber es ist ein Indiz dafür, dass die Prüfung sehr anspruchsvoll ist.“
Durch das G 8 wurde die Abiturprüfung für Bayerns Schüler in einigen Punkten angenehmer, denkt der Schulleiter. Denn im achtjährigen Gymnasium zählen die Noten der mündlichen Prüfungen genauso viel wie die schriftlichen Tests – im G9 zählten die schriftlichen Leistungen noch doppelt. „Gerade in mündlichen Prüfungen sind die Schüler heutzutage besonders gut. Die Wer- tung kommt den Abiturienten also entgegen“, sagt Meidinger. Seinen Beobachtungen zufolge sei die sprachliche Kompetenz der Jugendlichen hervorragend, besonders in Fremdsprachen wie Englisch: „Ich habe vor etwa 40 Jahren mein Abitur in Englisch gemacht. Mit meinen damaligen Kenntnissen würde ich heute sicher durch die Prüfung fallen.“
In anderen Fächern leide allerdings die Qualität, etwa in der Mathematik. Im G8 müssen alle Schüler eine schriftliche Prüfung in Mathe ablegen, im G 9 konnten Schüler noch wählen. Zudem hatten Schüler im neunjährigen Gymnasium die Möglichkeit, ihr Wissen in Leistungskursen zu vertiefen. All diese Änderungen haben Meidinger zufolge die Qualität der Abiturprüfung in Mathe herabgesetzt. Das bestätigten ihm auch Universitäten. Dort falle Dozenten auf, dass Abiturienten Wissenslücken haben, die es im G 9 noch nicht gab. Daher müssen Universitäten zum Teil Wissen vermitteln, das Schüler im neunjährigen Gymnasium durch ihre Leistungskurse bereits hatten.
Das Niveau des Abiturs hängt allerdings nicht nur von den Prüfungen ab. Denn der größte Teil der Abschlussnote berechnet sich aus den Leistungen, die Schüler in ihren letzten beiden Schuljahren erbringen. Dabei zählen nicht alle Noten – Gymnasiasten müssen also nicht sämtliche Leistungen in ihre Abschlussnote einbringen. „Das ist besonders praktisch, wenn ein Schüler mal eine Klausur verhauen hat“, sagt Meidinger. Dabei ist es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, wie viele Noten die Schüler aus ihrer Abschlussnote ausklammern dürfen. Bayern ist dabei streng, die Schüler müssen die meisten ihrer Noten einbringen – was das Abitur letztendlich schwieriger macht.
Durch die Rückkehr zum G 9 könnte das bayerische Abitur erneut an Qualität gewinnen. Meidinger erlaubt sich noch keine Einschätzung. Er will erst abwarten, wie sich die Lehrpläne entwickeln. Für die Klassenstufen fünf bis zehn soll der Plan im Jahr 2018 fertig sein, im Jahr darauf soll der Lehrplan für die Klassen elf bis 13 stehen.
Ein Donauwörther Student soll im Sommer 2016 seine Mutter in der Toilette der gemeinsamen Wohnung totgeprügelt haben. Die Staatsanwaltschaft Augsburg wirft dem 22-Jährigen Totschlag vor. Er soll den Kopf der Frau mit einer Vielzahl von Schlägen, Tritten oder Stößen mit Händen, Knien oder Füßen oder mit einer stumpfen Tatwaffe malträtiert haben. Die 42-Jährige erstickte letztlich an ihrem eigenen Blut. Seit gestern will nun die Schwurgerichtskammer am Landgericht Augsburg in einem Indizienprozess herausfinden, was sich am Vormittag jenes 2. August ereignet hat. 77 Zeugen und 17 Sachverständige sollen dabei Licht ins Dunkel bringen.
Der Angeklagte, der seit 4. August in Untersuchungshaft sitzt, kann oder will nur wenig zur Erhellung der Umstände beitragen. Er hat die Vorwürfe von Anfang an geleugnet und beteuerte gestern nochmals seine Unschuld. „Ich habe meine Mutter definitiv nicht umgebracht“, sagte er mit brüchiger Stimme. „Ich habe sie geliebt und vermisse sie sehr. Ich kann das alles nicht fassen.“
Zum gestrigen Prozessbeginn waren jene Polizisten und Rettungskräfte als Zeugen geladen, die unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod der Frau an den Tatort gerufen worden waren. Sie schilderten die dramatischen Bilder, die sich ihnen boten. Die Tote sei blutüberströmt am Boden gelegen, die gefliesten Wände der Toilette seien halbhoch „wie mit Blut getüncht gewesen“, so der Notarzt. Die Verfassung des Sohnes, der die Mutter leblos gefunden und den Notruf abgesetzt hatte, haben sie unterschiedlich in Erinnerung. Die einen haben ihn gefasst und ruhig wahrgenommen, andere sprachen von einer „Grundaufregung“und davon, dass er „mit den Nerven am Ende gewesen ist“.
Die Anklage stützt sich nicht zuletzt auf Widersprüche, in die sich der Student verwickelt hat. So habe er zunächst ausgesagt, er sei am Tattag von 9 bis 13 Uhr außer Haus gewesen, was letztlich durch die Angaben des Vermieters widerlegt ist. Der nämlich hat gegen 11.30 Uhr an der Wohnung von Mutter und Sohn geläutet, den 22-Jährigen dort angetroffen und ihn um eine Gefälligkeit gebeten.