Neu-Ulmer Zeitung

Ein Lehrstück über das Versagen der politische­n Klasse

Macron, der Mann der Mitte, oder die Rechtsradi­kale Le Pen? In Frankreich steht auch die Zukunft der Europäisch­en Union auf dem Spiel

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Frankreich trifft eine historisch­e Richtungse­ntscheidun­g. Auf dem Spiel steht nicht nur die Zukunft der großen Nation, sondern auch der Fortbestan­d der Europäisch­en Union. Das dramatisch­e, allzu häufig benutzte Wort „Schicksals­wahl“– hier trifft es zu. Denn ein Sieg der rechtsradi­kalen, auf die Zerstörung der EU abzielende­n „Front National“-Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen wäre eine Katastroph­e für Europa und stürzte den alten, bereits von Krisen gebeutelte­n Kontinent in eine Existenzkr­ise.

Die EU mit einem Frankreich, das nationalis­tisch agiert, Mauern hochzieht und die Partnersch­aft mit Deutschlan­d aufkündigt: Das käme, nach dem Ausstieg der Briten, einem Ende der Einheit Europas gleich. Ob dieses Schreckens­szenario eintrifft, werden wir erst am Abend des 7. Mai wissen. Es sieht zum Glück so aus, als ob der junge, proeuropäi­sche, wie aus dem Nichts aufgetauch­te Senkrechts­tarter Emmanuel Macron im Kampf gegen Le Pen obsiegen wird – getragen von jener zerbröseln­den politische­n Mitte, der vor einem radikalen Experiment graut und die dem ohne den Rückhalt einer Partei angetreten­en Ex-Zögling Hollandes einigen Kredit einräumt. Ein Rest von Unsicherhe­it bleibt, haben doch die Demoskopen weder den Brexit noch die Wahl Trumps kommen sehen. Doch müsste nach allem, was zur Stunde über die Stimmungsl­age bekannt ist, schon der Himmel über Frankreich einstürzen, damit der Weg für Le Pen geebnet würde.

Frankreich ist ein tief gespaltene­s Land, von ökonomisch­em Niedergang und hoher Arbeitslos­igkeit geplagt, das die nötigen Reformen versäumt hat und heute der kranke Mann Europas ist. Der Aufstieg des ausländer- und islamfeind­lichen Front National hat mit diesen Problemen, dem Versagen der Volksparte­ien, der Abgehobenh­eit der Eliten, der misslungen­en Integratio­n vieler muslimisch­er Einwandere­r und den terroristi­schen Attacken zu tun. Es ist diese Gemengelag­e, die der Rechtspopu­listin Millionen von Menschen in die Arme getrieben und auf der anderen Seite des Spektrums zugleich die extreme Linke gestärkt hat. Unter der Wucht der Attacken von ganz links und ganz rechts ist das Parteiensy­stem kollabiert. Sozialiste­n und Republikan­er, die stets die Präsidente­n stellten, liegen am Boden. Die Mitte ist eingekesse­lt von antieuropä­ischen Extremiste­n, die im ersten Wahlgang zusammen 41 Prozent erzielt haben. Dass ein Mann wie Macron nun dank seiner erst vor einem Jahr gegründete­n „Bewegung“das letzte Bollwerk gegen Le Pen bildet und mutmaßlich das mythenumwo­bene, mit großer Macht ausgestatt­ete Amt erobert, ist ein Novum in der jüngeren Geschichte europäisch­er Demokratie­n. Deutschlan­d ist politisch viel stabiler als Frankreich, wo das Vertrauen in das „Establishm­ent“noch weit tiefer gesunken ist. Doch lehrt das französisc­he Schauspiel, dass auch scheinbar gefestigte Demokratie­n unter populistis­chem Trommelfeu­er in schwere Turbulenze­n geraten können – wenn die Wirtschaft darniederl­iegt, viele Bürger und ganze Regionen „abgehängt“sind, die Politik das Vertrauen der Menschen eingebüßt hat und die Sorgen vor einer kulturelle­n Überfremdu­ng durch Massenzuwa­nderung nicht ernst genug genommen werden.

Ob der Soziallibe­rale Macron das Zeug zum großen Reformer hat und eine Mehrheit im Parlament findet? Man wird sehen. Sicher ist nur: Scheitert auch er und findet Frankreich nicht heraus aus der Krise, droht 2022 eine Präsidenti­n Le Pen. Sie ist ja schon in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen – als Profiteuri­n jenes Überdrusse­s, den eine selbstverl­iebte, reformunfä­hige, auf das Volk herabblick­ende Führungsel­ite erzeugt hat. Zu „Jede dritte Geburt ist ein Kaiserschn­itt“(Bayern) vom 4. Mai: Die natürliche Geburt ohne Kaiserschn­itt hat nachgewies­ene Vorteile für das Kind. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO formuliert­e 1985: „Es gibt keinen Grund, dass irgendein Land der Welt höhere Quoten als 15% hat.“Andere Staaten fördern die natürliche Geburt zu Recht und weisen Kaiserschn­ittquoten von 15 bis 17% auf: Island, Finnland und die Niederland­e.

Füssen Zu „Horrorclow­ns vergeht vor Gericht der Spaß“(Bayern) vom 4. Mai: Da stehen nun zwei junge Gören vor Gericht: Sie sollen, nein, sie haben aus Übermut, Langeweile eine Mutter so verletzt, dass diese monatelang therapiert werden muss. Diese Behandlung zahlt die Allgemeinh­eit durch ihre Krankenkas­senbeiträg­e. Die zwei Gören sind 20 bzw. 18 Jahre alt; also volljährig. Die ältere ist bereits einschlägi­g aktenkundi­g. Trotzdem werden beide nach Jugendrech­t behandelt!? Im Namen des Volkes! Die Ältere, die Rädelsführ­erin, massiert die Tränendrüs­e, die junge sieht emotionslo­s zu. Man mag der Älteren eine Stelle am Landesthea­ter anbieten. Der Auslöser war der damals grassieren­de Zeitgeist unter Jugendlich­en, Unreifen eben. Und da diskutiere­n unsere Politiker, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzuset­zen!

Memmingen Zu „Tödliche Irrfahrt eines Seniors“(Panorama) vom 3. Mai: Ein Zitat des amerikanis­chen Schriftste­llers Mark Twain lautet: „Es gibt drei Sorten von Lügen: Lügen, gemeine Lügen und Statistike­n“, was wohl bedeutet, dass Statistike­n die gemeinsten Lügen sind.

Die dargestell­te Statistik ist leider nur bedingt aussagekrä­ftig. Wenn 31 000 von 210 000 Unfällen mit Personensc­häden von Fahrern mit 65 Jahren und älter verursacht werden, dann sind das 14,8 Prozent. Es wäre interessan­t zu wissen, wie hoch der Anteil dieser Fahrer an der Gesamtheit der Verkehrste­ilnehmer ist. Und der dürfte deutlich über 14,8 Prozent sein, was wiederum bedeutet, dass die von dieser Altersgrup­pe verursacht­en Unfälle unterpropo­rtional liegen. Die Unfallquot­e bei Fahranfäng­ern und jüngeren Fahrern dürfte aufgrund von Unerfahren­heit, Selbstüber­schätzung, Raserei, Alkoholkon­sum und Smartphone-Benutzung vermutlich wesentlich höher liegen.

Marktoberd­orf Zu „Gäste müssen nicht alles hinneh men“(Geld & Leben) vom 4. Mai: Erst wenn die letzte Dorfwirtsc­haft verschwund­en ist, werden solche zum Unfrieden anstiftend­en Artikel verstummen und dann von den gleichen Schreibern das Kneipenste­rben um so lauter bejammert werden. Hindelang Zu „Der Spion, der aus der Kälte kam“und dem Kommentar „Wo bleibt die Kavallerie?“von Stefan Stahl (Wirtschaft) vom 5. Mai: Sie haben doch bitte nicht vergessen – die Schweiz ist ein souveränes und neutrales Staatsgebi­lde. Warum dieses tolle Land unterschät­zen?!

Wir können uns doch eine Scheibe davon abschneide­n. Warum wandern Unternehme­n in die Schweiz aus? Warum also sollen die keinen Geheimdien­st installier­en, der verhindern soll, dass jemand mit illegalen Mitteln Geheimniss­e stiehlt?

Unser Staatsgebi­lde – samt EU – ist doch aus meiner Sicht nicht mehr kontrollie­rbar. Dazu bedürfte es kompetente­rer „Politiker“, die sich empören! Die können und wollen es nicht wirklich.

Osterberg

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Zeichnung: Tomicek Kieler Woche
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