Maria Kagerer braucht nicht einmal eine Brille
nicht mehr. Nachts hat die Mutter oft gerufen. Auch die Treppen machten Probleme. Man darf nicht vergessen: Sieglinde Brunnhuber ist selbst 77 – sieht aber viel jünger aus.
Ist es also doch die Veranlagung, die über ein langes, gutes Leben entscheidet? „Die Gene spielen sicher eine Rolle“, sagt Sieglinde Brunnhuber. „Aber meine Mutter hat auch immer gearbeitet – eine harte Arbeit als Hausangestellte.“Auf die positive Einstellung komme es vor allem an. Fragt man Maria Kagerer, wie es ihr geht, schaut sie einem tief in die Augen, lächelt und sagt: „Ich bin zufrieden.“Woran sie Freude hat? Sie deutet aus dem Fenster. Das Grün der Bäume, die Vögel, das gefalle ihr. Sie liest aber auch noch. Ohne Brille. Nicht irgendetwas. Das Gotteslob. Und ein weiteres Gebetbuch. Dann blickt sie auf ihre Tochter. „Du bist zu warm angezogen“, sagt sie im fürsorglichen Ton. „Man bleibt immer Kind“, erklärt Sieglinde Brunnhuber.
Ob sie selbst auch 108 werden will? „Nein“, antwortet Sieglinde Brunnhuber so schnell, dass man beinahe erschrickt. Irgendwann sei man ja doch auf Hilfe angewiesen. Und geistig nicht mehr so fit. „Meine Mutter lebt jetzt oft in ihrer eigenen Welt.“Doch dann blickt sie zu ihr und beginnt zu erzählen, von deren 107. Geburtstag. Der Landrat habe zu ihrer Mutter gesagt, er bringe einer schönen Frau Blumen, und sie habe sofort geantwortet, das Kompliment könne sie nur zurückgeben. Als der Bürgermeister daraufhin kurz etwas stutzte, habe sie schnell von zwei schönen Männern gesprochen. Dann habe sie zum Pfarrer geblickt und betont: „Aber Sie sind der Schönste!“