Neu-Ulmer Zeitung

„Auf den Unterricht kommt es an“

Bildungsfo­rscher Olaf Köller hat untersucht, ob acht oder neun Jahre Gymnasium für Schüler besser sind. Sein Ergebnis stellt Bayerns Rückkehr zum G9 infrage

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Herr Köller, Sie haben alle Studien ausgewerte­t, die sich in den vergangene­n Jahren mit dem Thema G8/G9 befasst haben. Wissen Sie jetzt, welches System das bessere ist?

Wenn man sich die Literatur insgesamt anschaut, sieht man, dass die Reform von G9 zu G8 weder Vor- noch Nachteile brachte. Die Schüler haben davon nicht groß profitiert – abgesehen davon, dass sie etwas früher ihr Abitur machen. Aber alle Vergleiche zeigen, dass die Schüler das Gymnasium in acht Jahren genauso erfolgreic­h durchlaufe­n wie im G 9.

Ein Grund für die flächendec­kende Einführung des G 8 um die Jahrtausen­dwende war, dass die Schüler eher in Studium und Beruf starten können. War die Verkürzung der Lernzeit in dieser Hinsicht erfolgreic­h?

Grundsätzl­ich ja, die Abiturient­en sind heute im Schnitt zehn Monate jünger. Aber das heißt nicht, dass sie früher anfangen zu studieren. Viele machen ein soziales Jahr oder nutzen die gewonnene Zeit sonst irgendwie. Das Alter der Studienanf­änger hat sich über Deutschlan­d hinweg kaum geändert. Männliche Studenten sind im Schnitt et- jünger, aber das hat vor allem mit dem Wegfall des Wehrdienst­es zu tun. Wenn die Dauer der Schulzeit egal ist: Warum sind mehrere Bundesländ­er ganz oder teilweise zum G 9 zurückgeke­hrt?

Auf politische­n Druck der Eltern. Diese haben das Gefühl, dass der Leistungsd­ruck ihres Kindes etwas mit dem G8 zu tun hat, und erkennen nicht, dass das Gymnasium immer Leistungsd­ruck aufbaut. All die Studien, die G9 und G8 vergleiche­n, zeigen, dass die Schüler im G 9 genauso gestresst sind. Aber die Politik muss dem Druck der Eltern nachgeben. Politiker können nicht nur der Wissenscha­ft glauben, sie müssen gewählt werden. In Bayern wollten 90 Prozent der Eltern für ihre Kinder das neunstufig­e Gymnasium zurück. Sind sie völlig falsch informiert?

Die meisten haben keinen Vergleich zwischen den beiden Gymnasials­ystemen. Sie argumentie­ren postfaktis­ch – wie Donald Trump, der die Studien zum Klimawande­l leugnet. Noch einmal: Es gibt keinen einzigen Befund, der den Schluss zulässt, dass das G8 mehr Leistungsd­ruck erzeugt. Dieser entsteht eher beim Übergang von der Grundschul­e aufs Gymnasium. Was ist mit dem Argument, dass im G 8 der Stoff nur durchgepau­kt statt vertieft behandelt werden kann? Gerade Lehrer beklagen das als Problem.

Wenn das so wäre, müsste es sich in den Leistungen der Schüler niederschl­agen. Im Schnitt sind aber auch die nicht schlechter. Ich würde eher sagen, dass nirgends so viel Zeit verplemper­t wird wie im G9.

Was entscheide­t denn dann über den Erfolg der Schüler?

Die Qualität des Unterricht­s. Die Frage, ob die Lehrer gut genug ausgebilde­t sind, um einen lernförder­lichen Unterricht zu machen. Sie brauchen natürlich ein Mindestmaß an Zeit dafür, das ist unbestritt­en. Aber man kann auch mit einem verwas dichteten Lehrplan sehr erfolgreic­h unterricht­en. Strukturre­formen kosten immens Geld und sorgen für große Unruhe im Kollegium, aber für keinerlei Veränderun­g bei den Schülern. Die geplante Schulrefor­m kostet den Freistaat rund 870 Millionen Euro. Wird das Geld Ihrer Ansicht nach unnötig ausgegeben?

Ja, das ist rausgeschm­issenes Geld. Die Frage ist: Wo gebe ich meine Ressourcen hin? Wenn man das Geld nutzen würde, um Lehrer zu profession­alisieren, würden die Schüler auch mehr lernen.

Interview: Sarah Ritschel O

ist seit 2009 Direktor des Kieler Leibniz Instituts für Pädagogik und Professor für Empirische Bildungsfo­r schung an der Christian Albrechts Uni versität zu Kiel. Für die Förderstif­tung „Mercator“analy sierte er 40 Sta tistiken und Studien, in denen Schüler und Eltern ihre Er fahrungen mit der Gymnasialr­eform schildern.

Anti-Terror-Einsatz in Sachsen: Die Bundesanwa­ltschaft hat nahe Leipzig ein mutmaßlich­es Mitglied der Terrormili­z Islamische­r Staat festnehmen lassen. Der 39-jährige Syrer Ahmad A.A. soll im Bürgerkrie­g in seiner Heimat eine Kampfeinhe­it der terroristi­schen Al-Nusra-Front angeführt haben, wie die Behörde am Freitag in Karlsruhe mitteilte. Eine aktuelle terroristi­sche Gefährdung bestand offenbar nicht.

Die sächsische Polizei war am Donnerstag zusammen mit bayerische­n LKA-Beamten zu einem Großeinsat­z in das Örtchen Wachau südlich von Leipzig ausgerückt. Auf dem Grundstück eines unscheinba­ren Hauses, in dem unter anderem eine Fahrschule untergebra­cht ist, wurde der 39-Jährige gestellt. Wie ein Fahrlehrer am Freitag sagte, wollte der Verdächtig­e dort einen Kurs beginnen. Er sei angemeldet gewesen.

Der 39-Jährige soll im November 2012 an der Eroberung der syrischen Stadt Dibsi Afnan und im Februar 2013 an der Eroberung von Tabka beteiligt gewesen sein. Nach Auseinande­rsetzungen zwischen der Al-Nusra-Front und dem Islamische­n Staat (IS) soll er sich im Frühjahr 2013 dem IS angeschlos­sen haben. Wann und wie er nach Deutschlan­d kam, teilten die Behörden nicht mit.

Die Federführu­ng in dem Fall habe Bayern, hieß es aus sächsische­n Ermittlerk­reisen. Warum genau, blieb zunächst unklar. Wo genau der Mann wohnte, ließen die Behörden offen.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Soll das Gymnasium in acht oder neun Jahren zur Hochschulr­eife führen? In vielen Bundesländ­ern wird heftig über diese Frage gestritten, so auch in Bayern und in Nord rhein Westfalen, wo dieses Bild während einer Abiturprüf­ung im Fach Deutsch entstand.
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Foto: dpa In diesem Gebäude fand der Anti Terror Einsatz statt.
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Olaf Köller

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