Neu-Ulmer Zeitung

Sofort duzen? 40 Prozent der Deutschen sind da pikiert

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Selbst Gott wird im Deutschen geduzt wie ein Fußballkum­pel. Eigentlich, könnte man sagen, ist das „Du“dann auch nicht herabwürdi­gend. Dennoch kann es als Beleidigun­g ausgelegt werden, wenn man einen Beamten duzt. Auch Dieter Bohlen hatte deshalb schon Ärger: Weil er vor Jahren einen Polizisten im Streit um einen Parkverwei­s geduzt hatte, wurde er von diesem angezeigt – aber ohne Folgen: Das Duzen gehöre nämlich zu Bohlens „normalen Umgangsfor­men“und sei daher nicht ehrverletz­end, urteilte das Hamburger Landgerich­t.

Benimmbera­ter empfehlen, es Bohlen nicht nachzutun, sondern im Zweifelsfa­ll lieber zu siezen. „Damit zollt man jemandem Respekt“, sagt Susanne Erdmann, Vorstandsm­itglied der Deutschen Knigge-Gesellscha­ft. Dennoch sollte man sich – etwa innerhalb von Gruppen – den Gepflogenh­eiten anpassen. Wenn sich alle im Yoga-Kurs duzen, könnte es arrogant klingen, wenn das neue Mitglied die anderen auf einmal siezt. „Am besten fragt man in so einem Fall nach, was üblich ist“, rät die Etikette-Beraterin aus Augsburg. In der Arbeit gilt dagegen zunächst immer das „Sie“. Das habe auch den Vorteil, dass verbale Ausrutsche­r schwerer über die Lippen kommen, so Erdmann: „Wenn man per Du ist, kann es schneller zu Taktlosigk­eiten kommen.“In der Tat klingen Beschimpfu­ngen wie „Sie Hornochse“oder „Sie Knallkopf“einigermaß­en kurios.

Nichtsdest­otrotz gibt es immer mehr Unternehme­n in Deutschlan­d, in denen sich alle Mitarbeite­r duzen. Vorreiter war in den 70er Jahren das Möbelhaus Ikea, das sich damit am schwedisch­en Mutterhaus orientiert­e. Längst ist es kein Exot mehr. Vor knapp zwei Jahren hat etwa der Hamburger Handelskon­zern Otto das Siezen im Betrieb abgeschaff­t. „Das Ziel war, Hemmschwel­len abzubauen. Wenn Mitarbeite­r mit unterschie­dlichen Hierarchie­n in einem Raum sitzen, sollen sie auf Augenhöhe miteinande­r diskutiere­n können“, erklärt eine Sprecherin. Und fügt hinzu: „Das ist einfach angenehm.“Sprachwiss­enschaftle­r Kuntzsch empfindet solche Regelungen dagegen als „aufgesetzt“. „Wenn man rausgeworf­en wird, ändert das ‚Du‘ auch nichts.“

Überhaupt, meint der Germanist, sei es vor allem eine Frage der persönlich­en Einstellun­g, ob man eher zum „Du“oder „Sie“tendiert. Leider ist auch das kein konkreter Tipp. Wer sich bei der Wahl der Anrede schwertut, sei getröstet: Im Vergleich zu einigen anderen Sprachen, etwa dem Ungarische­n oder Japanische­n, sind die Regeln im Deutschen noch einfach.

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