Neu-Ulmer Zeitung

Es bleiben nur noch wenige Tage Zeit

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und Nöte der Unternehme­r. Er lobt die soziale Marktwirts­chaft nach dem Modell des CDU-Mannes Ludwig Erhard, aber auch die Wirtschaft­spolitik des letzten SPDKanzler­s Gerhard Schröder. Unbeirrt hält Schulz die offenbar lange vor der Schleswig-Holstein-Schlappe verfasste Rede. Dass diese nun vor allem im Lichte des Fanals im Norden beobachtet wird – für die Strategen in der Parteizent­rale ist das „eine mittlere Katastroph­e“.

Denn nach dem Desaster in Kiel bleiben dem Parteichef nur noch wenige Tage Zeit bis zum noch viel wichtigere­n Urnengang in Nordrhein-Westfalen. Statt der Wirtschaft seine Aufwartung zu machen, sagen die Parteistra­tegen, müsste Schulz sich doch jetzt vor allem an die „kleinen Leute“wenden, an Arbeiter, Arbeitslos­e, Rentner. Bei einer Niederlage in seiner Heimat, dem bevölkerun­gsreichste­n Bundesland, drohen schließlic­h die Träume vom Kanzleramt zu platzen. Und damit auch der Traum der SPD, eine künftige Bundesregi­erung anzuführen. Damit dies nicht geschieht, wollen sie bei den Sozialdemo­kraten nun „die Ärmel hochkrempe­ln und den Helm aufsetzen“. Erste Aufgabe ist dabei, den Mythos vom „Schulz-Effekt“, der wochenlang die Partei zu beflügeln schien, irgendwie am Leben zu halten.

Dass es natürlich nicht an Martin Schulz gelegen habe, das betonen am Tag danach viele in der Partei. Zum alleinigen Sündenbock auserkoren ist der bisherige Ministerpr­äsident Torsten Albig. Viele SPD- Leute glauben nicht nur, dass Albigs politische Karriere beendet sein wird. Sie wünschen es sich sogar. Dabei ist es nicht nur das eigene Abschneide­n, das die SPD-Strategen in höchste Aufregung versetzt. Da ist vor allem das des großen Konkurrent­en CDU.

Wenn es stimmt, dass Angela Merkel auch im zwölften Jahr ihrer Kanzlersch­aft nichts dem Zufall überlässt, dann ist auch die Wahl ihres Blazers an diesem Montag mit einer klaren Botschaft verbunden. Die Bundeskanz­lerin und CDUChefin hat ein helles, fast gelbes Lindgrün zur schwarzen Hose aus dem Kleidersch­rank geholt und somit die Farben des Staates Jamaika gewählt – Schwarz, Grün und Gelb. Sind das auch die Farben der künftigen Landesregi­erung in Kiel – und sogar der Bundesregi­erung nach den Wahlen im Herbst? So weit will Merkel nicht gehen. Die Entscheidu­ng, welche Koalition geschlosse­n werde, überlasse die CDU ihren jeweiligen Landesverb­änden. „Das schließt Koalitione­n mit der FDP und den Grünen ein.“

Gleichwohl ist es in Berlin ein offenes Geheimnis, dass Angela Merkel dem überrasche­nden Sieger der Wahl in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, keinen Stein in den Weg legen würde, wenn er neue Pfade beschreite­n und eine Jamaika-Koalition schmieden würde. Denn sollten tatsächlic­h auch FDP und AfD in den Bundestag einziehen und es somit sechs Fraktionen geben, könnte es neben der Großen Koalition rechnerisc­h nur noch für Dreierbünd­nisse reichen.

Für Angela Merkel jedenfalls gibt es keinen Zweifel daran, dass die CDU vom Wähler zwischen Nordund Ostsee einen „klaren Regierungs­auftrag“erhalten hat. Ihren eigenen Anteil spielt sie dabei bescheiden herunter – auch wenn Günther vom „Merkel-Effekt“schwärmt (ein Seitenhieb auf Schulz?), die Beliebthei­t der Bundeskanz­lerin bei den Menschen im hohen Norden der Republik hervorhebt und vom „Spaß“erzählt, den der Wahlkampf mit ihr gemacht habe.

Merkels eigene Analyse fällt dagegen eher nüchtern und pragmatisc­h aus. Die Regierung Albig habe eine schlechte Bilanz und keine Zukunftspe­rspektive vorgelegt. Der Union sei es gelungen, die Finger in die Wunden zu legen und die Defizite anzuprange­rn. Genauso werde man es auch im Wahlkampf-Endspurt in Nordrhein-Westfalen machen, wo es gelte, Armin Laschet bei seinem Kampf gegen Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft von der SPD zu unterstütz­en. „Auch hier haben wir einen CDU-Herausford­erer, der all das, was der Landesregi­erung nicht gelungen ist, thematisie­rt.“Denn die Wähler wüssten sehr wohl zwischen einer Landtagsun­d einer Bundestags­wahl zu unterschei­den.

Ist der Schulz-Effekt also bereits verpufft? In der Union herrscht nach dem klaren Sieg im Saarland und dem Überraschu­ngstriumph in Schleswig-Holstein eine gewisse Euphorie, auch wenn Merkel vor Überheblic­hkeit warnt. „Jeder Herausford­erer der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds, auch Martin Schulz, ist eine Aufgabe, mit der ich mich respektvol­l auseinande­rsetze“, sagt sie. Daran habe sich „nichts geändert“.

Im Merkel-Lager fühlt man sich jedenfalls bestätigt. Es sei „absolut richtig“gewesen, nach dem Rücktritt von SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Ausrufung von Martin Schulz zum Kanzlerkan­didaten Ende Januar ruhig und gelassen zu bleiben und die erste Angriffswe­lle des Herausford­erers ins Leere laufen zu lassen, hört man im Adenauer-Haus unter den Getreuen der Kanzlerin. Angela Merkel müsse nicht über jedes Stöckchen springen, das man ihr hinhalte. Vor den Führungsgr­emien ihrer Partei und bei ihrem Auftritt vor der Presse verteidigt Merkel das Festhalten am vereinbart­en Zeitplan. „Landtagswa­hl ist Landtagswa­hl, Bundestags­wahl ist Bundestags­wahl.“Nun heiße es erst einmal „volle Kraft voraus in Nordrhein-Westfalen“, danach werde die Union ihr gemeinsame­s Wahlprogra­mm erarbeiten, das Anfang Juli verabschie­det werden soll.

Die Aufregung in der SPD-Zentrale hat aber noch andere Gründe als die CDU. Die Grünen sind wieder stark. Und: Die FDP ist zurück. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo Parteichef Christian Lindner als Spitzenkan­didat antritt, zeichnet sich ein gutes Ergebnis ab. Wenn Lindner ankündigt, die FDP wolle die rot-grüne Landesregi­erung „kielholen“, nehmen die Genossen das nun plötzlich wieder ernst. Zumal die Arbeit der NRW-Landesregi­erung in den jüngsten Umfragen

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Foto: Sean Gallup, Getty Images Hallo, ich bin der Neue: Der Kieler Wahl sieger Daniel Günther (CDU) bei der Kanzlerin.

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