Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Im Fall Franco A. haben einzelne Menschen versagt und nicht die Truppe insgesamt. Trotzdem muss sich etwas ändern – auch in der politische­n Führung

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Flugzeuge, die nicht fliegen, Fahrzeuge, die nicht fahren, Soldaten, die für den CyberKrieg nicht ausgebilde­t sind: Unter den vielen Problemen, mit denen die Bundeswehr zu kämpfen hat, ist der Fall Franco A. eines der kleineren. Der Offizier mit dem völkischen Weltbild, der sich als syrischer Flüchtling ausgab und mit zwei Komplizen offenbar auch einen Anschlag geplant hatte, konnte sein groteskes Doppellebe­n viel zu lange führen – als Kronzeuge für eine rechtsextr­eme Unterwande­rung der Truppe aber taugt er nicht. Die Köpenickia­de, die er aufgeführt hat, sucht ihresgleic­hen und wäre so nie möglich gewesen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e sauber gearbeitet und Franco A. als das entlarvt hätte, was er ist: ein Betrüger.

Ein falsch verstanden­er Korpsgeist, wie Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen ihn ihrer Armee attestiert, hat auch ihn und einen weiteren Verbündete­n in der Truppe viel zu lange geschützt, der jetzt ebenfalls festgenomm­en wurde. Mindestens so skandalös jedoch sind die Vorgänge in den Kasernen von Bad Reichenhal­l, Pfullendor­f oder Sondershau­sen, in denen Soldaten Opfer von sexuellen Übergriffe­n wurden oder entwürdige­nde Initiation­sriten für Neulinge durchleide­n mussten. Hier, vor allem, muss die Ministerin ansetzen. Mit einer Kultur der Offenheit, einem besseren Beschwerde­management, einer besseren Ausbildung der Ausbilder und einem zeitgemäße­n Verständni­s von Führung und Verantwort­ung. Ein Kommandeur, der Missstände in seiner Einheit unter den Teppich kehrt oder eine gewisse Härte im Umgang für eine militärisc­he Notwendigk­eit hält, ist nicht Teil der Lösung, sondern selbst Teil des Problems.

Deshalb aber ist die Bundeswehr kein Staat im Staate, in dem rechte Terrorzell­en gedeihen, Menschen systematis­ch geschunden oder die Prinzipien von Befehl und Gehorsam pervertier­t werden. Bei den jüngsten Skandalen hat nicht die Bundeswehr insgesamt versagt oder das Prinzip der inneren Führung, das sich an Adenauers Leitbild vom Staatsbürg­er in Uniform orientiert – es waren einzelne Menschen, die versagt haben, unter ihnen auch ranghohe Offiziere. Die pauschale Kritik aber, mit der Ursula von der Leyen die ganze Truppe unter Generalver­dacht gestellt hat, trifft alle Soldaten. Entspreche­nd tief sitzt bei ihnen der Groll auf die Ministerin.

Beliebt war die Bundeswehr noch nie – dafür aber umso nötiger. Von Afghanista­n bis Mali riskieren ihre Soldaten in immer häufigeren und immer gefährlich­eren Einsätzen ihre Gesundheit und ihr Leben, weil Deutschlan­ds Freiheit heute nicht mehr an den deutschen Grenzen verteidigt werden muss, sondern in den Epizentren des globalen Terrors. Mit dem Fall der Mauer ist die Welt ja weder freier noch friedliche­r geworden, geändert hat sich allenfalls die Art der Bedrohung.

Schon deshalb braucht die Bundesrepu­blik eine moderne, gut ausgerüste­te Armee mit gut ausgebilde­tem Personal und einer politische­n Führung, die sich in kritischen Situatione­n hinter sie stellt. Umso befremdlic­her ist es, dass ausgerechn­et die Verteidigu­ngsministe­rin so klingt, als sei ihre Truppe ein Sammelbeck­en für Sadisten im Kampfanzug, für versprengt­e Neonazis oder sonst wie Gescheiter­te. Wenn sich dieser Eindruck manifestie­rt, wird es noch schwerer, junge Menschen für eine Laufbahn bei der Bundeswehr zu begeistern.

Mit dem Ende der Wehrpflich­t fehlt ihr, buchstäbli­ch, der Nachschub – und ein gewisser Austausch in der Truppe auch. Als Argument für eine Wiedereinf­ührung des Dienstes eignet sich der jüngste Skandal allerdings nicht. Franco A. kam 2008 selbst als Wehrpflich­tiger zur Bundeswehr. Zu „Stromautob­ahnen verzögern sich stark“(Wirtschaft) vom 8. Mai: Die Tatsachen stehen bereits im Bundesnetz­plan vom Frühjahr dieses Jahres: Um die Leitungen auszulaste­n, soll im Norden Strom zugekauft und im Süden verkauft werden. Ohne diesen Stromtrans­fer durch Deutschlan­d kann der Südostlink komplett entfallen. Wenn ein Zukauf notwendig ist, dann bitte Wasserkraf­tstrom aus Österreich und der Schweiz. Wasserkraf­tstrom ist auch für die Umwelt besser als Braunkohle­strom aus Polen. Nach der Stilllegun­g des letzten Kernkraftw­erkes in Bayern brauchen wir Reservekra­ftwerke. Aber bitte keine Braunkohle-, sondern Gaskraftwe­rke. Die Braunkohle­kraftwerke werden als Reserve nicht benötigt. Nur so können wir die CO2-Emission verringern.

Die Windkraftb­etreiber müssen sich überlegen, wie sie ihre Leistungss­pitzen für schlechte Zeiten speichern können. Erst dann können wir uns in Bayern auf eine sichere Stromverso­rgung verlassen. Da dies ohne Mehrkosten nicht möglich ist, muss die Politik Lösungen anbieten. Erst wenn die Speicherun­g gelöst ist, können wir nach den Kohlekraft- auch die Gaskraftwe­rke stilllegen.

Die Diskussion um Erdverkabe­lung ist nur ein Ablenkungs­manöver. Damit keiner merkt, dass die Leitung nicht notwendig ist.

Meitingen Zu „Liebe, Hass und Politik“(Wochenend Journal) vom 6. Mai: Vielen Dank für diese Analyse!

Leider, leider lese und höre ich viel zu selten, dass der Zusammenha­ng zwischen Neoliberal­ismus und dem Aufstieg rechter Parteien beim Namen genannt wird. Die „Alternativ­losigkeit“neoliberal­er Politik sowie die Ignoranz der sozialen Frage sind die vielleicht drängendst­en Probleme westlicher Demokratie­n. Sie haben das deutlich gemacht. Schade, dass Sie aber nicht den Bezug zu Macron als weiteren Vertreter einer „Weiter-so-Politik“herstellen.

Der beste Kampf gegen „Rechts“ist die Lösung der sozialen Frage. Wer das nicht anerkennt, macht sich zum Steigbügel­halter für AfD und Le Pen. Augsburg Zu „Handys machen kurzsichti­g“(Panorama) vom 5. Mai: Wenn die Zeitung neuerdings mit streng erhobenem Zeigefinge­r davor warnt, dass der Gebrauch von Smartphone­s zu Sehstörung­en führt (inkl. Sehtest am Freitag und verkrampft humoristis­cher Randbemerk­ung am Samstag), erinnert mich dies sehr an die eigene Kindheit, als uns die altvordere­n Erziehungs­berechtigt­en täglich vorbeteten, dass das Lesen von Mickymaush­eften bei Taschenlam­penbeleuch­tung unweigerli­ch in vorzeitige­r Blindheit endet.

Immerhin: Das Scharfsehe­n muss beim täglichen Bilderräts­el nicht sehr ausgeprägt sein, um beispielsw­eise zu erkennen, dass es sich bei der abgebildet­en Alpenkette um die Zugspitze und nicht um das Augsburger Rathaus (!!!) handelt.

Wenn es in diesem Stil weitergeht, kann ich künftig auch das kostenlose Heft meiner Apothekenh­elferin annehmen, welches ich bisher trotz fortgeschr­ittenen Alters entrüstet abgelehnt habe.

Neusäß

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