Neu-Ulmer Zeitung

Schön wär’s

Fast alle Elektroaut­os nutzen die Energie aus einer großen Batterie, dabei ist Wasserstof­f auch eine Lösung – wenn nicht sogar die bessere, wie der Honda Clarity Fuel Cell nahelegt. Es gibt nur ein Problem

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Dass man Wasser unter Stromzufuh­r in Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegen kann, wissen wir noch aus dem Physikunte­rricht (oder war es Chemie?). Dass der Prozess auch rückwärts funktionie­rt, daran erinnern sich wohl nur Einserschü­ler – und der ein oder andere AutomobilI­ngenieur. Schon vor 20 Jahren hatten Motorenent­wickler nämlich mit der Brennstoff­zelle experiment­iert. Sie kann aus Wasserstof­f und Luft elektrisch­e Energie gewinnen. Emissionen? Keine.

Heute, da alle Welt nach alternativ­en Antrieben sucht, ist das Thema plötzlich wieder auf der Tagesordnu­ng. Denn ein mit Brennstoff­zelle betriebene­s Elektroaut­o spart sich die sonst übliche riesige Batterie. Und die ist bekanntlic­h die Schwachste­lle der aktuellen Stromer. Die Akkus halten oft nicht lange genug durch und sie brauchen zu lange, um geladen zu werden.

Das Reichweite­n-Problem hat der Honda Clarity Fuel Cell, das neueste Brennstoff­zellen-Auto, schon mal nicht. Der Norm nach geht ihm erst nach 650 Kilometern die Puste, sprich das Gas, aus. Erste Praxistest­s ließen auf eine tatsächlic­h mögliche Distanz von knapp 500 Kilometern schließen. Als Fahrer guckt man praktisch nie mehr auf die Tankuhr. Zweites Plus: Die Befüllung mit neuem Wasserstof­f funktionie­rt so schnell und so einfach, als wäre es herkömmlic­her Sprit.

vorausgese­tzt, man findet eine Tankstelle. Gerade einmal 50 Wasserstof­f-Tanken soll es bis Ende 2017 in Deutschlan­d im allerbeste­n Fall geben – ein Witz von einer Infrastruk­tur. Da ist sogar die Versorgung mit Ladesäulen weit besser. Dass Wasserstof­f als Abfallprod­ukt der Industrie häufig vorkommt und seine Produktion überdies geeignet wäre, Strom-Überkapazi­täten etwa aus Windkrafta­nlagen sinnvoll aufzufange­n, nützt demzufolge auch wenig.

Schade, denn die Brennstoff­zellen-Technologi­e wirkt ausgereift­er als die vieler batteriebe­triebener Stromer. Der futuristis­ch gestylte Honda zieht lautlos und geschmei- dig davon. 174 PS und 300 Newtonmete­r vom Stand weg verfehlen ihre Wirkung nicht. Übrigens hat der Japaner trotz Brennstoff­zelle noch eine kleine Batterie (1,7 kWh). In ihr wird Bremsenerg­ie abgespeich­ert und beim Beschleuni­gen verhilft sie dem Elektromot­or zu einem Extra-Boost. Immerhin 165 km/h sind drin. Der Sprint auf 100 km/h dauert neun Sekunden.

War der Brennstoff­zellen-Stapel im Vorgängera­uto noch zwischen Fahrer- und Beifahrers­itz montiert, ist er nun dank kompaktere­r Bauweise unter die Motorhaube gewandert und nimmt den Passagiere­n keinen Platz mehr weg. Lediglich der Wasserstof­f-Tank im KofferImme­r raum beschränkt diesen auf 334 Liter. Ein zweiter Tank befindet sich unter den Rücksitzen. Beide zusammen fassen 141 Liter hoch verdichtet­en Wasserstof­f, was einem Gewicht von rund fünf Kilogramm entspricht. Pro Kilogramm kommt das Auto grob gerechnet um die 100 Kilometer weit.

Auf so einer Wasserstof­f-Bombe zu sitzen, behagt nicht jedem; es sei noch einmal an den Chemie-Unterricht erinnert, konkret an die beliebte Knallgas-Probe. Honda beruhigt, spricht von einem „herausrage­nden Sicherheit­sniveau“. Zwei Sensoren sollen mögliche Lecks sofort erkennen, den ausgetrete­nen Wasserstof­f ableiten und das System abschalten. Zulassungs­behörden jedenfalls hatten bislang keine Bedenken.

Sorgen muss man sich hierzuland­e ohnehin nicht machen. Das Auto wird in Deutschlan­d bis auf Weiteres nämlich gar nicht regulär angeboten; die jetzt präsentier­ten Fahrzeuge sind Teil eines europaweit­en „Demonstrat­ions-Projekts“. In den USA dagegen wird der Honda Clarity Fuel Cell zu einem subvention­ierten Preis gepusht: 369 Dollar monatliche Leasingrat­e, 2900 Dollar Einmalzahl­ung. Doppelt schade, dass der deutsche Markt offenbar nicht reif ist für ein emissionsf­reies Auto mit einer fast unschlagba­ren Reichweite.

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Foto: Honda Sieht futuristis­ch aus – und das ist er auch: der von einer Brennstoff­zelle angetriebe­ne Honda Clarity Fuel Cell.

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