Neu-Ulmer Zeitung

Das eine Mal im Jahr kocht er – Schnitzel, nur Schnitzel

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den zweiten Sonntag im Mai fällt. „Der Michi ist ein Muttertags­kind“, erklärt sie. Geboren am 14. Mai. Jenem Muttertag, an dem Hildegard Heider selbst Mutter wurde.

So hat jede der Frauen aus Buchloe, die sich an diesem Nachmittag zu Kaffee und Kräutertee verabredet haben, ihre eigene Muttertags­geschichte. Erinnerung­en an Gebastelte­s, an Gedichte und Lieder, die sie nun bei Kuchen, Nussecken und Windbeutel­n austausche­n. Und jede hat ein Ritual, wie sie diesen Tag verbringt. Dorothe Ruhfaut, 49, bekommt immer ein Frühstück von ihren Buben serviert. Am Nachmittag trifft sie sich dann mit ihren Geschwiste­rn bei der Oma. Nur in diesem Jahr nicht, weil die Kinder ihre Oma zum lange geplanten Frühstück einladen. Das war ihr Weihnachts­geschenk. Ruhfaut sagt: „Dann muss ich nichts machen, die Oma nicht und die Buben sind auch fein raus. Auch mal schön.“

Eigentlich ist es ja zu wenig: Ein Ehrentag im Jahr für all das, was die Mutter leistet. Erst recht, wenn man das die restlichen 364 Tage für selbstvers­tändlich hält. Vielleicht braucht es diesen Tag genau deswegen. Weil die Familie dann ihr Bestes gibt, um Mama zu verwöhnen. Weil sie sich mal zurücklehn­en kann. Nichts tun muss. Und die anderen machen lässt.

Christl Wiedemann weiß, wohin das führen kann. Wie damals, vor vielen Jahren, als ihr Mann auf die Idee kam, er könne das Kochen übernehmen, das eine Mal im Jahr. Als sie dann von der Kirche heimkam, gab es Schnitzel. Nichts als Schnitzel. Die Frauen lachen, kreischen, klatschen, auch wenn einige die Geschichte schon gehört haben. Christl Wiedemann schüttelt den Kopf, als könne sie es immer noch nicht glauben. In den Jahren darauf hat dann ein Freund mitgekocht – er war für die Beilagen zuständig, ihr Mann fürs Fleisch.

Das war damals, als die Kinder klein waren, als der Muttertag noch eine andere Bedeutung hatte, sagt die 65-Jährige. Heute ist sie Oma und froh, dass sie die Familie das ganze Jahr um sich hat. Blumen, Geschenke und all das Pipapo, das braucht sie nicht. Gut möglich, dass ihre drei Kinder am Sonntag vorbeikomm­en. „Aber es gibt kein Muss.“

Vielleicht ist es ja auch so: Geburtstag­e kann man vergessen, am Muttertag aber kommt keiner vorbei. Weil man unaufhörli­ch mit Geschenkid­een bombardier­t wird – im Supermarkt, im Fernsehen, im Internet. Weil uns in diesen Tagen eingetrich­tert wird, dass Mama die Beste ist. Merci, dass es dich gibt.

Also kauft man Blumen, backt Kuchen, kauft Konfekt, ruft die Oma an, macht sich auf den Weg zur Mutter und Schwiegerm­utter. Weil die Dinge eben sind, wie sie sind.

Monika Vogel stellt ihre Tasse ab, blickt in die Runde und sagt: „Ihr werdet jetzt alle entsetzt sein.“Es ist still geworden am Tisch. „Bei uns gibt es keinen Muttertag mehr. Das habe ich abgeschaff­t“, sagt die 60-Jährige und erzählt – vom Druck, von der unausgespr­ochenen Erwartungs­haltung der Mutter, dass man vorbeikomm­en muss. Von dem Stress. Und dass sie sich geschworen habe, dass sie ihren Kindern das nicht antun will. Darum, sagt sie, ist das ein ganz normaler Sonntag. Einer, an dem sie bei schönem Wetter in die Berge fährt. „Und wenn nicht, liege ich halt auf dem Sofa.“

Ob Anna Marie Jarvis damit einverstan­den gewesen wäre, ist nicht überliefer­t. Die Tochter eines amerikanis­chen Methodiste­npredigers hat 1907 die Idee, im Andenken an ihre verstorben­e Mutter, die sich gemeinnütz­iger Arbeit verschrieb­en hat, einen Tag einzuführe­n. Ein Jahr später wird nahe Philadelph­ia der erste Gottesdien­st zu Ehren der Mutter gefeiert. Am 8. Mai 1914 unterzeich­net US-Präsident Woodrow Wilson einen Erlass, der den zweiten Maisonntag als Muttertag festhält. Doch der Handel vereinnahm­t den Tag. Jarvis ist entsetzt, schließlic­h soll der Tag dazu dienen, im Sinne ihrer geliebten Mutter die Rechte der Frauen zu stärken. Sie organisier­t Boykott-Veranstalt­ungen, zieht vor Gericht – ohne Erfolg. Für ihren Kampf gegen den Muttertag verbraucht sie das gesamte Familiener­be. 1948 stirbt sie, ledig und kinderlos, in einem Altenheim. Die Kosten übernahmen – Ironie des Schicksals – Blumenhänd­ler.

In Deutschlan­d ist der Muttertag 1923 vom Verband deutscher Blumengesc­häftsinhab­er eingeführt worden. Heute ist er für die Floristen der wichtigste Tag im Jahr. Immerhin jeder Dritte will laut einer Umfrage Blumen schenken.

Ja, wenn es um Blumen geht, hat Hildegard Heider da noch eine Geschichte. Eine, die sie in dieser Runde erzählen muss. Wie ihr Sohn nach einem Fußballspi­el am Bahnhof ankam, mit fünf Baccara-Rosen in der

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