Neu-Ulmer Zeitung

Neue Ermittlung­en wühlen Volkswagen auf

Seit Jahren ist Bernd Osterloh der wohl mächtigste Betriebsra­t der Republik. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Nun fällt sein Name im Zuge staatsanwa­ltschaftli­cher Arbeit – die sich eigentlich gegen ganz andere richtet

- Thomas Strünkelnb­erg und Benedikt von Imhoff, dpa

Geld, Betriebsra­t, Volkswagen – dieser Dreiklang, der in Wolfsburg noch immer böse Erinnerung­en wachruft, ist wieder da. Einmal mehr nimmt sich die Justiz Europas größten Autobauer vor: Die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig ermittelt gegen ranghohe amtierende und frühere VW-Manager wegen des Verdachts der Untreue. Im Mittelpunk­t steht aber einer, der selbst gar nicht beschuldig­t wird: Betriebsra­tschef Bernd Osterloh, einer der mächtigste­n Männer der deutschen Autobranch­e, der sich oft genug lautstark für die etwa 630000 VW-Mitarbeite­r eingesetzt hat. Osterloh soll, so der Verdacht, von den Managern aus dem Personalbe­reich zu hohe Bezüge genehmigt bekommen haben.

Der 60-Jährige, seit 2005 im Amt, kennt derartige Krisen aus vielen Perspektiv­en. Auch deshalb geht er am Freitag gleich in die Offensive, legt alle Zahlen auf den Tisch. Sein Grundgehal­t betrage rund 200 000 Euro, hinzu kämen – wie für „alle Manager dieser Ebene“– Bonuszahlu­ngen, die vom Geschäftse­rfolg abhingen, sagt Osterloh. „Ich habe nicht über mein Gehalt entschiede­n. Das Unternehme­n hat meine Einstufung nach Recht und Gesetz vorgenomme­n.“Und Osterloh, der die eines „Co-Managers“stets zurückweis­t, weist darauf hin: „Wäre es mir ums Geld gegangen, dann wäre ich heute nicht mehr Betriebsra­tsvorsitze­nder, sondern schon seit Ende 2015 Personalvo­rstand.“Dieses Angebot, das ihm ein millionens­chweres Salär eingebrach­t hätte, habe er aber ausgeschla­gen. Ohnehin ist die Bezahlung von freigestel­lten Betriebsra­tsmitglied­ern ein Dauerthema, sagen Juristen. Ein Schema F gebe es nicht. „Ich halte es für extrem schwierig, den Nachweis für eine unangemess­ene Vergütung wirklich zu erbringen“, sagt der Arbeitsrec­htler Michael Kliemt. Die Betriebsra­tsvergütun­g wird zwar im Betriebsve­rfassungsg­esetz geregelt. Die Bewertung der entspreche­nden Passagen sei aber an weitere Fragen geknüpft. Sinngemäß heißt es im Gesetz, dass Betriebsra­tsmitglied­er nicht weniger verdienen dürfen als vergleichb­are Mitarbeite­r mit einer für den BeFunktion trieb üblichen Entwicklun­g. Osterloh ist seit mehr als zehn Jahren Betriebsra­tschef. Als er 2005 anfing, bekam er rund 6500 Euro pro Monat, nun ist es deutlich mehr.

Für VW kommen die am Freitag publik gewordenen Ermittlung­en, die anscheinen­d schon seit Monaten laufen, einmal mehr zur Unzeit. Gerade schien sich der Autobauer nach dem Diesel-Skandal wieder freizuschw­immen, die jüngsten Quartalsza­hlen waren positiv, Millionen manipulier­ter Dieselfahr­zeuge sind bereits umgerüstet.

Nun steht ausgerechn­et der Vertreter der Belegschaf­t im Zentrum der Aufregung, der sich öffentlich­keitswirks­am dafür stark gemacht hatte, dass der Skandal die Beschäftig­ten möglichst wenig trifft und sich dafür auch mit VW-Markenchef Herbert Diess angelegt hatte. Die Bedeutung des VW-Betriebsra­ts ist historisch gewachsen. Die Keimzelle des Konzerns in Wolfsburg entstand unter den Nazis mit enteignete­m Gewerkscha­ftsvermöge­n. Daher sah die Arbeitnehm­erseite in VW stets einen Sonderfall. Das VW-Gesetz und die VW-Satzung räumen ihr eine einmalige Gestaltung­smacht ein.

Entspreche­nd viel lag der Konzernfüh­rung in der Vergangenh­eit an einem Betriebsra­t, der bei Laune gehalten wurde. Die Folge war das „System VW“und damit die aufsehener­regende Affäre 2005 um geheime Boni, Schmiergel­der und Lustreisen auf Firmenkost­en. Osterlohs Vorgänger Klaus Volkert musste deswegen in Haft, der damalige Personalvo­rstand Peter Hartz und VW-Personalma­nager KlausJoach­im Gebauer erhielten Bewährungs­strafen.

Volkswagen hat EU-weit alle notwendige­n Freigaben zur millionenf­achen Umrüstung der manipulier­ten Diesel-Fahrzeuge erhalten. Alle Genehmigun­gen der zuständige­n Regulierun­gsbehörden zur Umrüstung der Autos mit dem Motorentyp EA189 lägen vor, teilte der Konzern am Freitag mit. Das gelte auch für die betroffene­n Skoda-Fahrzeuge. Für die Typgenehmi­gung der Fahrzeuge der Marke Skoda sei eine britische Behörde zuständig, für Audi und Volkswagen das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt und für Seat eine spanische Behörde, erklärte ein VW-Sprecher.

VW hatte im September 2015 zugegeben, in großem Stil bei Abgastests von Diesel-Fahrzeugen getrickst zu haben. Allein in Deutschlan­d sind 2,6 Millionen Fahrzeuge von den Manipulati­onen betroffen und müssen in die Werkstätte­n. Europaweit sind es 8,5 Millionen Wagen. Bei der Marke Skoda geht es den Angaben zufolge um rund 800000 Autos, für deren Umrüstung bislang noch die Freigabe fehlte. Mehr als eineinhalb Jahre nach Auffliegen der Diesel-Manipulati­onen ist knapp die Hälfte der betroffene­n Motoren umgerüstet.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa VW Betriebsra­tsboss Bernd Osterloh steht im Zentrum einer neuen Affäre.

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