Neue Rituale ersetzen die alten Traditionen
wollen, dass sich ein Teil ihrer Persönlichkeit in dem Fest widerspiegelt. So kommt es, dass Ponzio auch Hochzeiten organisiert, bei denen die Torte im Star-Wars-Design serviert wird oder Feste, bei denen die Braut in einem Charleston-Kleid mit Stirnband und Satinhandschuhen zum Altar schreitet.
Für die Soziologin Andrea Bührmann wird die Hochzeit immer mehr zu einem Event, einer Art Selbstinszenierung, um das eigene Leben als besonders darzustellen. Bührmann ist Professorin an der Universität Göttingen und forscht unter anderem zum Wandel des traditionellen Hochzeitsbilds. In einem Aufsatz mit dem Titel „Hochzeiten und Heiraten als ’rite de confirmation’“wundert sich die Wissenschaftlerin über die traditionellen Rollen, die das Paar bei der Hochzeit – anders als in Job oder Haushalt – wieder häufiger einnimmt: der Bräutigam, der den Antrag macht, und die Braut, die mit viel Liebe ein Fest für Freunde und Familie gestaltet.
Die Hochzeit war schon immer eine Abfolge von Ritualen, eine Verknappung komplexer Beziehungen und Gefühle auf diesen einen Moment: Trauspruch, Ringe, Kuss. Das ist heute nicht anders, aber immer öfter sind es nicht mehr die althergebrachten Traditionen, die Brautentführung, der Polterabend, sondern neue, moderne Rituale: ein Junggesellenabschied, eine Schar von Brautjungfern oder die Braut, die – wie in einem Hollywood-Film – von ihrem Vater an den Altar geführt wird.
Michael Zeitler hat einen Namen für diesen und andere Bräuche: „Neo-Tradition“. Zeitler ist Stadtpfarrer in Landsberg, einem Ort, der mit seiner pastellfarbenen Altstadt und dem romantischem Lechwehr wie gemacht ist zum Heiraten. In diesen Monaten hat auch er viel zu tun. In seinem Kalender hat er bereits Hochzeitstermine für Juni und Juli nächsten Jahres vorgemerkt. Die meisten Brautpaare, erzählt er, feiern ihre Hochzeiten in „ganz schlichter, wohltuender Form“. Aber manchmal, da müsse er einen Spagat machen zwischen dem, was das Paar will und dem, was die Kirche ihm vorschreibt. Die Sache mit dem Brautvater ist so ein Fall. „Dieses Bild, dass der Vater seine Tochter dem Mann übergibt, das passt nicht zu unserem Selbstverständnis“, betont Zeitler. In Deutschland, das wissen viele gar nicht mehr, zieht das Paar normalerweise gemeinsam zum Altar.
Immer öfter wollen die Pärchen alles an ihrer Hochzeit selbst entscheiden, sogar den Trauspruch in der Kirche, sagt der Pfarrer und erzählt von einer Braut, die sich statt des traditionellen „bis dass der Tod euch scheidet“lieber ein „solange es gut geht“gewünscht hätte. Was ihm auch auffällt: Die Kirche, immerhin der Ort der Trauung, wird manchmal auch wie eine Location behandelt, die es nur zu buchen gilt. „Das ist ein Trend, mit dem wir uns schwertun“, sagt Zeitler. Deshalb erinnere er seine Brautpaare stets: „Bevor ihr nach der Wirtschaft schaut, fragt auch uns nach dem Termin.“
Immer öfter entscheiden sich Paare auch für eine nicht-kirchliche, aber trotzdem aufwendige Hochzeit. Jede zweite Feier, zu der Helmut Promoli seine Tauben fährt, ist mittlerweile eine freie Trauung. Vielen Brautleuten, glaubt er, geht es dabei darum, mehr Freiraum zu haben. Freiraum für die eigenen Ideen, die eigenen Vorstellungen. Und natürlich, sagt Promoli, grinst und schnipst noch einmal mit den Fingern, geht es auch hier ein bisschen um das eine: die Show.