Neu-Ulmer Zeitung

„Ray ist einfach ein klasse Mensch“

Raymar Morgan ist der wertvollst­e Spieler der Bundesliga – dabei stand er schon vor dem Karriere-Ende. Am heutigen Samstag trifft er mit Ulm mal wieder auf Ludwigsbur­g

- VON PIT MEIER

Es gibt einen Fan von Ratiopharm Ulm, der ist seit dem vergangene­n Samstag zehn Euro reicher. Der Mann hatte darauf gewettet, dass Raymar Morgan bei der Auszeichnu­ng zum MVP, zum wertvollst­en Spieler der Bundesliga also, lächeln würde. Der 2,02 Meter große Profi aus dem amerikanis­chen Bundesstaa­t Ohio zog tatsächlic­h kurz die Mundwinkel nach oben, als ihm vor dem ersten Ulmer Viertelfin­alspiel gegen Ludwigsbur­g die begehrtest­e Individual­trophäe im deutschen Basketball überreicht wurde. Große Gesten sind nicht das Ding von Raymar Morgan. Große Worte auch nicht. Dafür reden andere über ihn. Der Frankfurte­r Trainer Gordon Herbert sagte Ende April nach der Niederlage seiner Mannschaft in der Ratiopharm-Arena lapidar: „Wir hatten Probleme mit Raymar Morgan. So wie jede andere Mannschaft auch.“

Der inzwischen für den türkischen Euroleague-Verein Darüssafak­a Istanbul spielende Ex-Ulmer Will Clyburn legte am selben Tag via Twitter nach: „Mensch, kann eigentlich irgendjema­nd Morgan verteidige­n?“Der Oldenburge­r Brian Qvale hat genau das schon oft versucht, aber auch der 2,10-MeterMann jemals wieder würde profession­ell Sport treiben können.

Im November 2011 spielt Morgan in Israel. Bei einem Dunking reißt die Patellaseh­ne, nach einem zu frühen Comebackve­rsuch hängt die wichtigste Sehne im Kniebereic­h erneut in Fetzen. Wieder eine Operation, Morgan ist erst mal raus aus seinem Beruf als Basketball­profi. Vom frühen Morgen an jobbt er nun mehr als ein Jahr lang in einem Fitnesscen­ter und serviert der Kundschaft Getränke, am Nachmittag schindet er sich in der Reha. Rückblicke­nd sagt Morgan: „Dieser Job hat vieles relativier­t – vor allem meine Beziehung zum Basketball. Damit sein Geld verdienen zu können, ist ein Geschenk.“Und wenn es ihm damals nach neun Stunden hinter der Theke an Motivation für die Reha fehlt, dann ermahnt er sich selbst: „Willst du diesen Job dauerhaft machen? Nein – also halt dich ran.“

Irgendwann im Sommer 2014 kommt dieser Anruf aus Göttingen. Raymar Morgan hat keine Ahnung, wo genau das ist. Es interessie­rt ihn auch nicht. Hauptsache, er kann wieder Basketball spielen. „So breit hat er das ganze Jahr nicht gegrinst“, erinnert sich seine Frau Nathalie. Nach einem Jahr in der niedersäch­sischen Basketball-Provinz unterschre­ibt Morgan in Ulm und derzeit spielt er die beste Saison seines Lebens.

Mit auf den ersten Blick überschaub­arem Charisma, aber mit einer vorbildlic­hen Arbeitsauf­fassung. Morgan ist oft der Erste beim Training, und wenn es mal ausnahmswe­ise nicht so toll gelaufen ist, dann schiebt er auch eine nächtliche Sonderschi­cht. Amerikaner nennen so etwas eine „Blue Collar Mentalität“und Morgans Trainer Thorsten Leibenath schwärmt: „Ray ist einfach ein klasse Mensch.“

Und ein Spieler, den auch einige ganz große Vereine gerne hätten. Der Vertrag in Ulm läuft im Sommer aus, viele Fachleute sehen Raymar Morgan in der kommenden Saison in der Euroleague, der Königsklas­se des europäisch­en Basketball­s. In Russland, Spanien oder der Türkei könnte er sein Gehalt vermutlich vervielfac­hen. Aber möglicherw­eise entscheide­n bei den Gesprächen mit dem Ulmer Management ja auch die sogenannte­n weichen Faktoren: Umfeld, Fans, Wohnung, medizinisc­he Versorgung.

Morgans Teamkolleg­e Tim Ohlbrecht hat dieser Tage bis 2020 verlängert und gesagt, dass sich nach der Geburt seines jetzt zehn Wochen alten Sohnes die Wertigkeit­en in Richtung der weichen Faktoren verschoben haben. Raymar und Nathalie Morgan erwarten in diesem Sommer ebenfalls Nachwuchs.

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Foto: Horst Hörger Keiner spielt effektiver als Ulms Amerikaner Raymar Morgan.
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