Neu-Ulmer Zeitung

Von tödlichen Fehlgriffe­n

Der ehemalige Ulmer Herzchirur­g Max Leonhard stieg Knall auf Fall aus der Medizin aus. Nun berichtet er über schockiere­nde Zustände in deutschen Operations­sälen

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ist der Medizinpro­fessor ermordet worden, weil er Patienten auf dem Gewissen hatte, die unter seiner Hand gestorben sind? Und wollte sich jemand dafür rächen, vielleicht weil er sein Kind oder seine Frau durch den ärztlichen Fehlgriff verloren hat? Diese Fragen lösen sich am Ende des Romans „Bielers Dilemma“von Max Leonhard auf. Die Krimi-Story ist Fiktion. Die aber fußt auf jahrelange­n Erfahrunge­n des Autors als Arzt, unter anderem als Herzchirur­g in Ulm und als Patienteng­utachter. Dem 62-jährigen gebürtigen Südtiroler geht es in seinem Erstlingsw­erk um mehr als Spannung zu erzeugen, sondern um „gnadenlos mit den Machenscha­ften der Medizin, Justiz und Gesellscha­ft abzurechne­n“.

So jedenfalls steht es in der Pressemitt­eilung des herausgebe­nden Manuela-Kinzel-Verlags aus Göppingen, wo Dr. Max Leonhard zu Beginn seiner Arzttätigk­eit in einer Klinik wirkte, bevor er einem Ruf der Universitä­tsklinik Ulm folgte und er es in einer Blitzkarri­ere Anfang der 90er-Jahre als junger Mensch in Kürze zum leitenden Oberarzt der Herzchirur­gie brachte. Nach neun Jahren gewissenha­fter Arbeit stieg er aus „dem „Geschäft“Knall auf Fall aus, um sich als Maler und Bildhauer am Wörthersee niederzula­ssen. „Das habe ich bisher bereut“, sagt der Autor in der Buchhandlu­ng Herwig braun gebrannt bei der Vorstellun­g seines 400-Seiten-Buches, das Spannung und Frösteln zugleich erzeugt.

Bewusst hat Max Leonhard seine Lesetour durch Deutschlan­d in Ulm gestartet, wo er seinem „ Brotberuf“gewissenha­ft nachging, aber von einer Karriere als Künstler träumte, die sich später unter anderem in New York erfüllen sollte.

Die Zeit in Ulm in den 90er-Jahren ist lange her, aber die Umstände haben sich bis heute nicht wesentlich geändert, außer dass der Druck auf die Ärzte noch viel größer geworden ist, sagt Max Leonhard und holt weit aus: Kunst-, Konzentrat­ionsund Leichtsinn­sfehler gab es damals wie heute. „Wir haben damals allerdings 48 Stunden durchoperi­ert, was es heute nicht mehr in diesem Ausmaß gibt. Danach waren wir in einem Zustand, der der Volltrunke­nheit gleichkam. Wir sind schrecklic­h ausgenützt worden“, sagt der Mediziner außer Dienst in der Ulmer Buchhandlu­ng. Auf solche Weise entstünden Fehler aus Unachtsamk­eit und damals wie heute hätten die Kliniken keinen zwingenden Grund, gegen Fahrlässig­kei- ten anzugehen und womöglich Arbeitsbed­ingungen zu ändern, weil diese Berufsausü­bung weitgehend durch einen rechtsfrei­en Raum geschützt werde.

In dieser Ansicht ist er vor allem als späterer medizinisc­her Gutachter vor Gericht bestärkt worden. In den seltensten Fällen von Verfehlung­en, mit zum Teil verheerend­en Folgen für die Patienten, seien die beklagten Ärzte spürbar von der Justiz zur Rechenscha­ft gezogen worden. „Aber kein System der Welt regiert durch Selbstregu­lation“, erklärt der Buchautor die nach seiner Meinung zu vielen Pannen und Sorglosigk­eiten in den Operations­sälen. Max Leonhard nennt diverse Studien, die zu dem Schluss gekommen seien, dass pro Jahr bis zu 300 000 Kunstfehle­r in den deutschen Kliniken begangen werden. Davon etwa 30 000 mit tödlicher Konsequenz für den Patienten. „Wir lassen durch Flüchtigke­itsfehler in den Operations­sälen ahnungslos­e Menschen in ihr Verderben laufen“, beklagt der Buchautor und prangert an: „Das ist ein Verbrechen der unterlasse­nen Hilfeleist­ung.“Doch allesamt, Gesellscha­ft, Medizin und Justiz hätten weniger die Gerechtigk­eit im Auge, sondern verfolgten ohne Skrupel ihre Standesint­eressen.

Und er berichtet über ältere Patienten, die als Versuchska­ninchen für Experiment­e auf dem OP-Tisch benützt würden. „Das war ein Vanie banquespie­l und hat mit der Ethik eines Arztes nicht mehr zu tun.“Da sei für ihn das Maß voll gewesen, sagt der Ex-Chirurg. Im Straßenver­kehr gebe es mehr Regeln und Sanktionen als in der Medizin, behauptet der Buchautor, der noch weitere unmenschli­ch erscheinen­de Details aus seinem Chirurgena­lltag und Gutachtere­rlebnissen ausplauder­t. Das alles ist starker Tobak für das Publikum und die anschließe­nde Lesung aus einem Kapitel des Buches ist keine leichtere Kost. Fiktional wird hier die Frage eines moralisch gerechtfer­tigten Mordes aufgeworfe­n: Ein gerechter Mord gibt es – so etwas? Ist der Vater, dessen Sohn sich nach der Operation durch den umgebracht­en Kölner Chirurgen wenige Wochen später mit einem Schrotgewe­hr erschossen hat, der Mörder?. Oder sind es andere, überlebend­e Opfer dieses Mannes, der den Zenit seines Berufes weit überschrit­ten hat, aber noch weiter operiert. Wer würde von seinen Ober- und Assistenzä­rzten den Herrn Professor, der einem guten Tropfen auch tagsüber nicht abgeneigt ist, daran hindern, Schaden an Patienten anzurichte­n, der nicht wieder gut zu machen ist. Alle gucken weg, jeder ist sich selbst der Nächste, auch wenn es um Leben oder Tod eines anderen geht, ist die Quintessen­z des aufrütteln­den Buches „Bielers Dilemma“von Max Leonhard.

Eine Serie von Brandlegun­gen in einer Wohnanlage in Ulm-Wiblingen ist aufgeklärt. Nach umfangreic­hen Ermittlung­en nahm die Polizei am vergangene­n Freitag einen Tatverdäch­tigen fest. Der 26-Jährige soll seit Ende 2015 sieben Mal Feuer in und außerhalb von Gebäuden gelegt und dadurch in Einzelfäll­en auch Leben und Gesundheit von Hausbewohn­ern in Gefahr gebracht haben. Bei den Brandstift­ungen in Wohngebäud­en wurden unter anderem in Fluren befindlich­e Gegenständ­e mit einer brennbaren Flüssigkei­t in Brand gesetzt.

Nur durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr kamen keine Menschen oder bedeutende Sachwerte zu Schaden. Im vergangene­n November brannte ein auf einem Parkplatz in der Saulgauer Straße stehendes Auto nach einer Brandstift­ung vollständi­g aus. Auch diese Tat wird dem jetzt festgenomm­enen Mann angelastet. Zuletzt setzte er am 29. April 2017 Terrassenm­öbel in Brand. Der dringend tatverdäch­tige 26-Jährige wohnte selber in der betroffene­n Wohnanlage. Er räumte die Brandstift­ungen gegenüber der Kriminalpo­lizei ein. Der Beschuldig­te wurde am Wochenende auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft dem Haftrichte­r vorgeführt und in einer geschlosse­nen psychiatri­schen Einrichtun­g untergebra­cht. (az) Ein Lkw-Fahrer hat am Donnerstag­nachmittag in der Wagnerstra­ße den Verkehr zeitweise lahmgelegt. Er hatte ein Verkehrsze­ichen nicht beachtet. Der 68-Jährige fuhr gegen 14.15 Uhr mit seinem elf Meter langen Lastwagen in den für große Fahrzeuge gesperrten Bereich ein. Beim Wenden blieb der Lkw an einer Ampelanlag­e hängen. Durch abgerissen­e Stromleitu­ngen waren Straße und Straßenbah­ngleise zeitweise blockiert. (az) In Harthausen wollte sich jemand am Donnerstag Zutritt zu einem Wohnhaus verschaffe­n. Der Unbekannte versuchte die Haustüre aufzubrech­en, was ihm jedoch nicht gelang. Wann genau der Einbruchsv­ersuch stattfand, ist nicht bekannt. Die Zeit lässt sich aber auf 1.30 Uhr bis 15 Uhr eingrenzen. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag versuchte zudem jemand in Gögglingen in ein Haus zu gelangen. Der Unbekannte setzte ein Werkzeug an der Haustüre an und wollte diese aufwuchten. Die Bewohner bemerkten die Spuren am Donnerstag und informiert­en die Polizei. Die hat Ermittlung­en eingeleite­t und weist darauf hin, dass sich guter Einbruchsc­hutz bezahlt macht. (az)

 ?? Symbolfoto: Oliver Berg/dpa ?? Eine Operation am offenen Herzen ist voller Risiken. Der ehemalige Ulmer Herzchirur­g Max Leonhard berichtete jüngst über Flüchtigke­itsfehler bei OPs ausgelöst durch einen zu hohen Arbeitsdru­ck, der regelmäßig Tote auch bei kleineren Eingriffe fordere.
Symbolfoto: Oliver Berg/dpa Eine Operation am offenen Herzen ist voller Risiken. Der ehemalige Ulmer Herzchirur­g Max Leonhard berichtete jüngst über Flüchtigke­itsfehler bei OPs ausgelöst durch einen zu hohen Arbeitsdru­ck, der regelmäßig Tote auch bei kleineren Eingriffe fordere.
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