Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Nun auch noch Nordrhein-Westfalen, die Hochburg der Sozialdemo­kratie: Nach drei Wahlnieder­lagen in Serie ist Kanzlerkan­didat Martin Schulz entzaubert

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

War’s das schon für die SPD und ihren Kanzlerkan­didaten Martin Schulz? Ist die Bundestags­wahl nach dieser krachenden Niederlage der SPD in ihrem Kernland Nordrhein-Westfalen bereits entschiede­n? Ist der Sieg Angela Merkels und ihrer CDU/CSU hiermit beschlosse­ne Sache? Nein, natürlich nicht. Es sind ja noch fast vier Monate bis zur Entscheidu­ng im Kampf um die Macht in Berlin – vier Monate in einer schnellleb­igen, von Krisen geprägten Zeit, in der sich Stimmungsl­agen rasch verändern können. Und zweitens: Es waren landespoli­tische Themen, die den Wahlkampf im einwohners­tärksten Bundesland dominiert haben. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft und ihre rot-grüne Regierung sind abgewählt worden, weil sie das im Standortwe­ttbewerb zurückgefa­llene Land nicht vorangebra­cht und sich insbesonde­re zu wenig um die innere Sicherheit gekümmert haben. Die desaströse­n Verluste von SPD und Grünen und der Aufstieg des blassen Kraft-Herausford­erers Laschet zum CDU-Ministerpr­äsidenten sind das Ergebnis einer schwachen Regierungs­leistung, die sich am Ende auch von der überforder­ten „Kümmerin“Hannelore Kraft nicht mehr weglächeln ließ.

Das ganze Ausmaß dieser katastroph­alen SPD-Niederlage mag in erster Linie mit landespoli­tischen Faktoren zu tun haben. Aber die Bedeutung dieses Machtwechs­els reicht weit über Nordrhein-Westfalen hinaus. Denn der letzte große Stimmungst­est vor der Bundestags­wahl im Herbst ist nicht nur zum Debakel für die sieggewohn­te NRW-SPD, sondern für die ganze Sozialdemo­kratie geraten. Es ist die dritte Niederlage in Serie; es steht jetzt 3:0 für die CDU. Und wie schon im Saarland und in Schleswig-Holstein versucht die konsternie­rte Parteiführ­ung, die Schlappe ausschließ­lich auf landespoli­tische Ursachen zurückzufü­hren und den Kanzlerkan­didaten Schulz von der Mitverantw­ortung freizuspre­chen. Was für ein durchsicht­iges Ablenkungs­manöver! Es war Schulz, der von der „herausrage­nden Bedeutung“der NRW-Wahl für seine Kampagne gesprochen und in seinem Heimatland eifrig Wahlkampf gemacht hat. Die Rechnung der SPD war, mit Hilfe der populären Ministerpr­äsidentin Kraft neuen Schub für den Kampf gegen Angela Merkel zu erzeugen. Daraus ist nichts geworden, ganz im Gegenteil. Ehe Schulz im Januar die große Bühne betrat und seine Partei in einen von sensatione­llen Umfragen beflügelte­n Rausch versetzte, lagen SPD und CDU in NRW gleichauf. Im Sog der SchulzEuph­orie ging es steil bergauf mit der SPD; Kraft sah wie die sichere Siegerin aus. Gewonnen hat die CDU. Wenn es noch eines Beweises für die Entzauberu­ng des Kanzlerkan­didaten Schulz bedurft hätte, so ist er nun erbracht. Der Schulz-Effekt ist verpufft, der Großangrif­f auf die Kanzlerin Merkel binnen kurzem ins Stocken geraten, Schulz zum Wunderheil­er a.D. geworden. Die SPD zieht in den Bundestags­wahlkampf mit der Hypothek, drei Wahlen verloren und die Macht in ihrer Hochburg NRW eingebüßt zu haben. Das ist eine schwere Bürde für den Wahlkampf von Martin Schulz, der zwar unablässig von seiner Kanzlersch­aft redet, die Wähler über seine konkreten Pläne jedoch im Unklaren lässt.

Die Siegerin dieses Wahltags heißt Angela Merkel. Der Rückenwind, den Schulz für sich erhoffte, wird der Kanzlerin zuteil. Die Weltstaats­frau spielt ihr großes Plus, in unruhigen Zeiten Verlässlic­hkeit zu verkörpern, gelassen aus. Kein Hauch von Wechselsti­mmung im Land. Merkels Hauptziel, die Union wieder zur stärksten Partei im Bundestag zu machen und damit – in welcher Koalition auch immer – Kanzlerin zu bleiben, ist in greifbare Nähe gerückt. Zu „Schulz offen für Pläne Macrons“(Po litik) vom 11. Mai: Der Vorschlag von Macron für ein großes Investitio­nsprogramm, finanziert aus einem gemeinsame­n Haushalt der Eurostaate­n, der von Schulz unterstütz­t wird, ermöglicht es Frankreich und einigen anderen Problemlän­dern der Eurozone, ohne Reformen weiterzuma­chen – z. B. im Falle von Frankreich seine 35-Stunden-Woche beizubehal­ten. Den Löwenantei­l für die Finanzieru­ng wird mit Sicherheit Deutschlan­d tragen, und es wird dann wohl als Letztes in den Genuss von Investitio­nen kommen. Dafür dürfen die Deutschen dann noch ein wenig höhere Steuern zahlen, noch ein wenig mehr arbeiten und noch ein paar Jahre später in den Ruhestand gehen! Es wäre der gleiche Fehler wie bei der Einführung des Euro.

Ein gemeinsame­r Haushalt macht erst dann Sinn, wenn Arbeitszei­t, Fiskalpoli­tik und Rentenbegi­nn innerhalb Europas harmonisie­rt sind.

Dasing Ebenfalls dazu: Als Arbeitnehm­er (77-jährig) habe ich mein Leben lang stets SPD gewählt. Nachdem ich obigen Bericht gelesen habe, ist damit Schluss. Herr Schulz zieht mit dem Slogan Gerechtigk­eit durch die Lande und will die deutschen Steuerzahl­er mit den Eurobonds und der Vergemeins­chaftung der Schulden dazu heranziehe­n, dass die Franzosen weiterhin mit 62 Jahren den Hammer aus der Hand fallen lassen und in Rente gehen. Außerdem kämpfen sie seit Jahren mit Erfolg um ihre 35-Stunden-Woche. Bei uns arbeitet man 38,5 bis teilweise 45 Stunden und geht zum Teil mit 67 in Rente. Da sollte er sich mal starkmache­n. Zudem klagen die meisten Länder über den Handelsübe­rschuss Deutschlan­ds. Ja verdammt noch mal – sollen die deutschen Firmen mehr Schrott produziere­n, damit ihre Waren weniger nachgefrag­t werden? Auch Trump in den USA sollte statt Amerika first dafür sorgen, dass seine Waren besser werden. Der kann doch nicht erwarten, dass deutsche Autokäufer seine Pick-ups mit einem Verbrauch von ca. 20 bis 25 Litern kaufen. Alles sollen die Deutschen richten. Die Flüchtling­e aus dem Irak und Afghanista­n müssten eigentlich von den USA aufgenomme­n Ebenfalls dazu: Nun lässt es sich also nicht länger schönreden: Unser Lebensumfe­ld wird ganz offensicht­lich immer ärmer an Pflanzen, Insekten, Vögeln und Säugetiere­n – und an Lebensqual­ität! Was Fachleute seit Jahrzehnte­n befürchten und beschwören, wird nun viel schneller Wirklichke­it, als man es wohl vorausgese­hen hat. Der drohende „stumme Frühling“ist aber nur ein Indiz für eine weit tiefer greifende Zerstörung des Lebens auf unserem Planeten. Je weniger wir begreifen, was wir mit diesem blinden Kampf um Wachstum und Profit anrichten, was wir mit der Vergiftung von Luft, Wasser und Boden, mit der rücksichts­losen Zerstörung der ökologisch­en Netzwerke, der Belastung des Klimas und der Vertechnis­ierung der Lebensablä­ufe anrichten, um so schneller wird die Menschheit selbst die Lebensgrun­dlage verlieren – und sich dann weit eher nach einem „Ersatzplan­eten“umsehen müssen, als wir es heute gern glauben möchten!

Riederau Zu „Die Ministerin muss sich verteidige­n“(Politik) vom 11. Mai: Als ehemaliger Berufssold­at halte ich die Vorwürfe an die Ministerin für haltlos und unqualifiz­iert. Ab Kompanie aufwärts werden derartige Vorfälle nicht oder sehr selten bekannt. Verteidigu­ngsministe­rium und Öffentlich­keit erhalten keine Kenntnis, auch der Wehrbeauft­ragte nicht. Nur durch den MAD erfährt die Truppe gelegentli­ch davon, wenn zuvor ein entspreche­nder Verdacht gemeldet worden ist. Selbst die Kompaniech­efs erfahren nichts über rechts- oder linksradik­ale Einstellun­gen ihrer Soldaten, denn solches Gedankengu­t oder gar radikale Umtriebe werden nicht offengeleg­t.

Nicht allein Sammlerstü­cke aus Nazi- und Wehrmachts­zeiten auf Stuben von Soldaten sind gefährlich, vor allem ist es die radikale und demokratie­feindliche Gesinnung einiger Mannschaft­en, Unteroffiz­iere und Offiziere, die sich sogar vernetzen. Durach Zu „Ulmer Journalist­in in der Türkei in Haft“(Seite 1) vom 13. Mai: Der Zugang zur Informatio­n ist ein fundamenta­les Menschenre­cht. Es wird von der autoritäre­n Regierung Erdogan mit der ungerechtf­ertigten Verhaftung von Journalist­en fortlaufen­d verletzt.

Gersthofen

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