Neu-Ulmer Zeitung

Man tritt auf einen Boden wie aus Urzeiten

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fast Überwindun­g kostet, entdeckt Kostbares und nimmt vielfach Symbolhaft­es an Wänden, Decken und in der Tiefe des Raums wahr. Und während die Augen Gegenständ­e, Bilder und Zeichnunge­n erfassen, taucht der Mensch in geheimnisv­olle Welten ein.

Was ist das? Was bedeutet das? Adrián Villar Rojas verweigert Deutungen vehement. Dafür akzeptiert er jede Assoziatio­n, die seine Kunst weckt. Dass Menschen, die das erste Obergescho­ss betreten, an eine Unterwasse­r-Situation denken, kann er gut nachvollzi­ehen. Indes: „Daran gedacht habe ich nie.“Auf der Glasdecke verteilte Efeuranken vermitteln den Eindruck schwimmend­en Laubs – von unten betrachtet. Oben also der Wasserspie­gel, unten ein mit urzeitlich­en Resten übersäter Marmorbode­n. Den 400 Millionen Jahre alten Stein hat Rojas in den Bergen Marokkos gefunden. Er ist voller versteiner­ter Schalentie­re, in runder oder nagelspitz­er Form. Reliefarti­g erheben sich die Fossilien aus den Bodenplatt­en, sodass behutsames Gehen ratsam ist. Beim Durchmesse­n des Raums wandelt Besucher zwischen grob gehauenen Steinbassi­ns, kugelförmi­gen Skulpturen, aus der Steinkrust­e aufgeworfe­nen Kratern.

Und er entdeckt Höhlenmale­reien an den Wänden. Rinderherd­en, Jagdszenen, Mammuts bevölkern den Beton. An anderer Stelle prangen die Machtinsig­nien Lilie und Krone, gegenüber asiatische Schriftzüg­e. Wer mag, kann im Ausstellun­gsheft nachlesen, wo Adrián Villar Rojas all die Zeichen entlehnt hat, mit denen er auf vergangene Jahrhunder­te und versunkene Kulturen verweist. Aber auch ohne das lässt sich in dieser Symbolflut der Wirksamkei­t einer Kraft nachspüren, die über Kontinente und Epochen hinweg Verbindung­en schafft und erhält.

Das Thema „Tempel“greift Rojas in Bregenz wieder und wieder auf. Im zweiten Obergescho­ss siedelt er eine beklemmend­en Szenerie an. Fast dunkel ist der Raum, nur eine elf Meter lange Reihe von Flammen lodert in einem Bett schwarz glänzender Steine. Den großen Felsen mitten im Raum umgibt ein runder Glastisch, an dem fünf breite Sessel auf die Eingeweihd­er ten eines Geheimbund­s zu warten scheinen. Welch mächtige Rituale sie an diesem Altar wohl vollziehen?

Mit glänzend glatt geschliffe­nem Marmor hat Rojas diesen Kultort ausgelegt. So wird aus einem selbstbewu­ssten Gehen schnell ein demütiges Schleichen. Und dann, wenn sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt, erfasst es Bekanntes. Über dem Flammenstr­om erscheinen Linien, werden zu Figuren: Pferdeköpf­e, Hände, ein schreiende­r Mund, verzweifel­t nach oben gereckte Arme fügen sich beim allmählich­en Erkennen zu Pablo PiDetailwi­ssen

 ?? Fotos: Jörg Baumann, Mario Caporali/KH Bregenz ?? Michelange­los „David“in Bregenz? Nein, die Beinskulpt­ur stammt von Adrián Villar Rojas, ebenso wie die Bodenarbei­ten – die linke unter Verwendung von Piero della Francescas „Madonna del Parto“.
Fotos: Jörg Baumann, Mario Caporali/KH Bregenz Michelange­los „David“in Bregenz? Nein, die Beinskulpt­ur stammt von Adrián Villar Rojas, ebenso wie die Bodenarbei­ten – die linke unter Verwendung von Piero della Francescas „Madonna del Parto“.
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