Neu-Ulmer Zeitung

Alles hört auf Trump

Es ist ein Tag, an dem jeder auf jede noch so kleine Geste achtet. Schließlic­h ist erstmals der neue US-Präsident in Brüssel zu Gast. Am Ende bekommt der Mann, was er will. Das liegt auch daran, dass er dort einen regelrecht­en Bewunderer gefunden hat

- VON DETLEF DREWES UND JULIUS MÜLLER MEININGEN

Trump in Europa. Das heißt so viel wie: Jetzt geht es um alles. Krieg und Frieden, Umwelt, Händchenha­lten. Händchenha­lten?

Der US-Präsident landet Dienstagab­end in Rom, und die Boulevardp­resse hat ihr großes Thema. Warum will Melania Trump beim Verlassen des Flugzeugs nicht die Hand nehmen, die der Ehemann ihr reicht? Kurz davor in Tel Aviv auch schon – und noch viel „spektakulä­rer“, wie es in Amerikas Presse heißt und was nun rauf und runter debattiert wird. Die New Yorker Zeitung Daily News hat schon ein „Klaps-Gate“ausgemacht. Und die Bild titelt: „Sie schlägt seine Hand weg. Was die Videoszene­n über Trumps Ehe verraten.“

Was ist da schon die RusslandAf­färe des Präsidente­n in seiner Heimat? Die Zukunft der Nato, die Donald Trump erst „obsolet“und dann „nicht obsolet“nannte? Oder die Europäisch­e Union, über die er schon gesagt hat, sie sei „ein Mittel zum Zweck für Deutschlan­d“? Jetzt also Trump zum ersten Mal in Europa. Das schreit nach Momenten großer Symbolik. Wie dieser Anblick gestern in Brüssel vor dem Besucherei­ngang des neuen Hauptquart­iers der Nato.

Dort stehen zwei Denkmäler. Eines zeigt, als Symbol für die Überwindun­g von Diktatur und europäisch­er Teilung, zwei Stücke der Berliner Mauer. Daneben ist ein Trümmertei­l aus einem der Gebäude zu sehen, die 2001 beim Terrorangr­iff auf New York zerstört wurden. Davor: die deutsche Kanzlerin und der amerikanis­che Präsident. Angela Merkel spricht von einem „Ausdruck der Solidaritä­t“. Und Donald Trump rempelt selbst in diesem Moment die Nato-Partner an, weil Papst lacht, Melania, die wohl nicht alles genau verstanden hat, lächelt.

Beim 30 Minuten dauernden Zwiegesprä­ch geht es laut Vatikan um die guten Beziehunge­n zwischen USA und Rom, um Lebensschu­tz, Religions- und Gewissensf­reiheit und den Schutz verfolgter Christen im Nahen Osten. „Danke, ich werde nicht vergessen, was Sie gesagt haben“, verspricht Trump zum Abschied, ohne zu verraten, was genau er damit meint. Von Differenze­n, wie sie vor Monaten etwa im Hinblick auf Immigratio­n und Umweltschu­tz offenkundi­g wurden, keine Spur, zumindest keine sichtbare.

Am Tag darauf in Brüssel findet Trump in Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g nicht nur einen Fan, sondern offensicht­lich sogar einen Bewunderer. Deshalb hat der Chef der Allianz auch schon im Vorfeld brav alles umgesetzt, was sich Washington gewünscht hat. Dazu zählen künftige Fortschrit­tsberichte über die Verteidigu­ngsausgabe­n der Mitgliedst­aaten. Experten nennen dieses Instrument einen „ausgemacht­en Unsinn“, weil jedes Land den Wehretat nach unterschie­dlichen Kriterien berechnet und die Aussagekra­ft deshalb gering sei. Das ist Stoltenber­g egal – Trump bekommt, was er will. Und revanchier­t sich mit einem Beharren auf seinen Standpunkt­en.

Wenn es an diesem Tag wirklich so etwas wie eine gute Nachricht für die Europäer gibt, dann liegt die wohl in der Tatsache, dass der als Trump-Vollstreck­er verschrien­e Wirtschaft­sprofessor und EU-Gegner Ted Malloch doch nicht neuer Vertreter Washington­s bei der EU in Brüssel werden soll. Dagegen bleibt der Stempel, den der amerikanis­che Präsident diesem Treffen aufdrückt, fast schon beklemmend. 29 Staats- und Regierungs­chefs bekommen zu hören, sie möchten ihre

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Foto: Kay Nietfeld, dpa So nah beisammen und doch so weit voneinande­r entfernt: in der ersten Reihe von links Belgiens König Philippe, US Präsident Donald Trump (mit Smartphone in der Hand), Nato Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern in...

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