Neu-Ulmer Zeitung

Berühmte Wanne

- DANIEL WIRSCHING

Sind Sie auf Facebook oder Twitter? In diesem ständigen Strom aus Interessan­tem und Nichtigkei­ten? Hier ein paar Netzfundst­ücke aus den vergangene­n Wochen, die nicht im digitalen Nirgendwo verschwind­en sollten: ● Stefan Leifert, Korrespond­ent im ZDF-Studio Brüssel, fragte rhetorisch: „Könnten wir uns darauf einigen, statt einander der ,fakenews‘ zu bezichtige­n, künftig wieder ,stimmt nicht, denn...‘ oder so was zu sagen?“Schöner Satz zur „Debattenku­ltur“in sozialen Medien. Er sollte auch bei jeder Diskussion über die gezielt im Netz verbreitet­en Falschmeld­ungen angebracht werden. ● Wo wir gerade dabei sind: Als ein Journalist auf den Start von „BR Verifikati­on“hinwies, antwortete ihm ein anderer: „Verifikati­onsTeam haben wir seit 72 Jahren. Heißt Redaktion bei uns.“Der BR jedenfalls hat nun „eine zwei Köpfe starke BR-Einheit zur Enttarnung von Falschnach­richten“Pressemitt­eilung. ● Die katholisch­e Kirche denkt in Jahrtausen­den, denken Sie? Sie ist altmodisch? Was die Nutzung sozialer Medien angeht, trifft das nicht zu. So bot das Bistum Limburg kürzlich „Instawalks“im Limburger Bischofsha­us an. Der Bischofssi­tz kostete mindestens 31 Millionen Euro; der später zurückgetr­etene Bischof hatte den Bau durch Sonderwüns­che massiv verteuert, Kosten verschleie­rt. Interessie­rte konnten jetzt „die besondere Architektu­r des Bischofsha­uses“erleben, so das Bistum. Sie konnten dort fotografie­ren und die Fotos auf ihrem Instagram-Account teilen. Sie erinnern sich? Den Bau verantwort­ete ein gewisser FranzPeter Tebartz-van Elst. Seine (künftige) Badewanne – auf dem Foto links – wurde zum Sinnbild für Verschwend­ung. Sie war bei den „Instagrame­rn“das begehrtest­e Fotoobjekt. laut seiner Der Termin beim Friseur ist vorbei, die Haare sind geschnitte­n, doch o Graus! Der Blick in den Spiegel offenbart, dass einem die neue Frisur nicht steht. Die detailverl­iebten Japaner haben für diese niederschm­etternde Erfahrung ein eigenes Wort: „Age-otori“beschreibt das Gefühl, nach einem Haarschnit­t schlechter auszusehen als zuvor. Als „Bakkushan“wird in Japan wiederum eine Frau bezeichnet, die nur von hinten hübsch ist.

Und das sind bei weitem nicht die einzigen fremdsprac­higen Begriffe, für die es im Deutschen keine Entsprechu­ng gibt: In seinem amüsanten Buch „Einzigarti­ge Wörter“hat Autor David Tripolina 333 solcher Begriffe zusammenge­tragen. Sie zu lesen, ist nicht nur unterhalts­am, sondern auch lehrreich. Ein Gewinn für jeden „Small Talk“; Wissen, das bei allen möglichen Gelegenhei­ten von Nutzen sein kann. So bezeichnet das italienisc­he Wort „Abbiocco“im genussfreu­digen Italien die plötzliche Schläfrigk­eit nach einem guten Essen. Wer im üblicherwe­ise sonnenwarm­en Spanien „Friolero“ sagt, meint das Kältegefüh­l, das dringend nach einer Umarmung verlangt. Bei einem „Pochemuchk­a“handelt es sich in Russland um einen Menschen, der eindeutig zu viele Fragen stellt. Und ein „Maskrosbar­n“ist im Schwedisch­en ein Mensch, der trotz schwierige­r Kindheit ganz nett ist.

Es gibt weitere schöne Beispiele: Norweger schwören auf ein „Utepils“, das sich mit Bier im Freien übersetzen lässt. Fast schon zum Modewort geworden ist in Deutschlan­d der dänische Begriff „Hygge“, der für ein behagliche­s Gefühl von Wärme und Zufriedenh­eit steht. Hierzuland­e völlig unbekannt dagegen: Wenn ein Mensch in Malaysia „Pisanzapra“sagt, dann meint er die Zeit, die es braucht, eine Banane zu essen.

Was beim Lesen von Tripolinas Buch auffällt, ist, dass besonders die Finnen noch für die merkwürdig­ste Situation ein Wort haben. Das dürfte zumindest Fans des für seine schrägen Filme bekannten Meisterreg­isseurs Aki Kaurismäki nicht wundern. „Kalsarkänn­it“etwa bezeichnet den Zustand eines Menschen, der sich nur mit seiner Unterhose bekleidet zu Hause betrinkt und keinerlei Anstalten macht, aus dem Haus zu gehen. Sollte er sich doch zum Verlassen des Hauses aufraffen wollen, kann ihn aus heiterem Himmel „Jaksaa“überfallen – die plötzliche Unlust auszugehen. Was ihn vor „Morkkis“bewahrt. Laut Tripolina bezeichnet das Wort die „Verlegenhe­it und Scham über die betrunkene­n Possen der vergangene­n Nacht“.

Auch ein paar deutsche Begriffe tauchen in seiner Auswahl auf. Dass sich etwa „Gemütlichk­eit“, „Heimat“oder „Weltschmer­z“allenfalls schwer in einem Wort in eine andere Sprache übersetzen lassen, ist bekannt. Dass Begriffe wie „Schnapside­e“, „Kummerspec­k“, „Sitzfleisc­h“, „Fremdschäm­en“oder „Warmdusche­r“zu den angeblich unübersetz­baren deutschen Begriffen gehören, überrascht auf den ersten Blick doch ein wenig. O

Einzigarti­ge Wörter. 333 Begriffe, die es nur in einer Spra che gibt – und was sie bedeuten. Riva, 160 Seiten, 9,99 Euro.

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Foto: dpa Lustig klingt Winnewupp ja, in andere Sprachen lässt sich das plattdeuts­che Wort für Maulwurf freilich schon übersetzen. Im Gegensatz zu Warmdusche­r etwa.
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