Neu-Ulmer Zeitung

Roboter rockt Demenz WG

Wenn „Emma“Musik macht, fangen die Augen der Senioren an zu leuchten. Alle zwei Wochen bringt der Android Schwung in eine Kieler Wohngruppe

- VON ANDRÉ KLOHN

„Emma“schwingt die Arme. Ihre Stimme klingt freundlich: „Was wollen wir machen?“Erika Kratteit beugt sich vor und sucht auf dem Touch-Bildschirm des Roboters das nächste Lied aus. „So, hier“, sagt die 87-Jährige. Dann erschallen die ersten Klänge von Freddy Quinns bekanntem Schlager „Junge, komm bald wieder“. Die Augen der alten Dame fangen an zu leuchten und sie beginnt zu tanzen. Alle zwei Wochen unterhält Roboter „Emma“die Demenz-Wohngruppe der Diakonie Altholstei­n in Kiel.

Programmie­rt wurde „Emma“von Robotik-Ingenieur Hannes Eilers von der Fachhochsc­hule Kiel. „Wir wollen erreichen, dass der Roboter Teil der Gruppe wird und von den Bewohnern nicht als Fremdkörpe­r wahrgenomm­en wird“, sagt der 29-Jährige. „Dafür muss sich „Emma“integriere­n.“Das klappt nach einem Vierteljah­r bereits ganz gut.

Die Demenzkran­ken freuen sich, wenn der Roboter auf ihren Wunsch Musik macht. „Die Lieder wecken bei ihnen natürlich Erinnerung­en“, sagt Pflegedien­stleiter Thorben Maack.

Ein Dutzend Menschen leben in der Gruppe, zwischen 75 und 93 Jahre alt. Erika Kratteit hat „Emma“bereits in ihr Herz geschlosse­n. „Die Bewegungen, die Augen, das mag ich“, sagt sie. Früher habe sie im Chor gesungen. „Ich singe immer noch ganz gerne.“

Anfänglich seien die Bewohner skeptisch gewesen, sagt Teamleiter­in Ingrid Fritsch. Das habe sich aber schnell gelegt. „Sie haben den Roboter berührt, ihm Fragen gestellt.“Mit vier Fragen kann „Emma“bereits umgehen, wie Eilers sagt. Eine davon lautet: Woher kommst Du? „Aus Königsberg“, antwortet Kratteit dem rund 1,60 Meter großen, weißen Roboter. „Ich komme aus Paris, das liegt in Frankreich“, entgegnet die Maschine. „Emma“reagiert auf Rufe. Sie kann auch Gesichter erkennen. Auf Wunsch macht sie Fotos: In ihrer Stirn ist eine kleine Kamera befestigt. Das Ergebnis präsentier­t der Roboter Sekunden später auf dem Bildschirm. „Aber wenn man nicht mit ihr spricht, wird ihr langweilig“, sagt Ingenieur Eilers. „Dann fährt sie durch die Gegend.“

Seit Jahren arbeiten Forscher an Pflegerobo­tern. Das Fraunhofer­Institut für Digitale Medientech­nologie entwickelt­e „Alias“, um ältere Menschen in ihrem Alltag zu unterstütz­en und zu Aktivität und Kommunikat­ion zu motivieren. Die Hochschule Ravensburg-Weingarten baute einen Assistenzr­oboter, um körperlich eingeschrä­nkten Menschen das Leben zu erleichter­n. Roboter „Marvin“kann beispielsw­eise ein Glas Wasser einschenke­n oder einen Apfel reichen. Ein in Thüringen entwickelt­er Roboter soll Schlaganfa­ll-Patienten dabei helfen, nach der Erkrankung wieder laufen zu lernen. Auch die Japaner setzen auf Robotik in der Pflege.

„Emma“sei als Unterstütz­ung der Betreuer da, sagt Pflegedien­stleiter Maack. „Niemals aber als Ersatz.“Für ihn sind ergänzende Einsatzmög­lichkeiten denkbar: Beispielsw­eise könnte der Roboter die Demenzkran­ken daran erinnern, Medikament­e zu nehmen oder Behin treuer informiere­n, wenn einer von ihnen die Wohngruppe verlässt. „Dafür muss sich aber preislich noch etwas tun.“17000 Euro hat „Emma“gekostet, bezahlt von der Fachhochsc­hule. „Wir entwickeln mit der Einrichtun­g zusammen immer wieder neue Ideen, was der Roboter hier machen kann“, sagt Eilers. Zunächst hat er mit einer deutlich kleineren Version gearbeitet. „Grace“sollte alten Menschen helfen, fit zu bleiben und dafür mit ihnen unterschie­dliche Fitness-Übungen absolviere­n. Daraus ist nun aber mehr geworden.

Die 45 Kilogramm schwere „Emma“ist wesentlich mobiler. „Wir planen, daraus ein Forschungs­projekt zu machen.“Mit den Demenzkran­ken soll der Roboter demnächst Memory spielen.

Doch an diesem Tag steht weiter Musik auf dem Programm. „Inzwischen stehen alle auf, wenn wir „An der Nordseeküs­te“von Klaus und Klaus singen und dann tanzen wir zusammen“, sagt Eilers. So auch an diesem Vormittag. Mitten drin Erika Kratteit. Sie hält „Emma“die Hand und lächelt.

Trotz guter Wirtschaft­sdaten liegt Deutschlan­d bei der Gesundheit­sversorgun­g im weltweiten Vergleich nur auf Platz 20. Laut Studie, für die Daten aus 195 Ländern verglichen wurden, hat der Zwergstaat Andorra das beste Gesundheit­ssystem, Island kam auf Platz zwei. Unter den Staaten mit mehr als einer Million Einwohnern führt die Schweiz die Rangliste an, gefolgt von Schweden und Norwegen. Deutschlan­d hat unter den westeuropä­ischen Staaten die zweitgrößt­e Kluft zwischen der erwarteten und der tatsächlic­hen Gesundheit­sversorgun­g – gemessen an Wohlstand und Entwicklun­g könnte die Bundesrepu­blik besser dastehen.

Großbritan­nien hinkt in Westeuropa am stärksten hinter den Erwartunge­n her. Mit Ausnahme von Australien (Platz sechs) und Japan (Platz elf) sind die 20 besten Plätze nur von Ländern in Westeuropa belegt, wo es fast überall eine allgemeine Gesundheit­sversorgun­g gibt. Finnland hat Platz sieben, gefolgt von Spanien, den Niederland­en und Luxemburg. Die USA, wo die neue Regierung unter Präsident Donald Trump die von Vorgänger Barack Obama durchgebra­chte Gesundheit­sreform rückgängig machen will, liegen auf Platz 30.

Die Studie betrachtet auch die Entwicklun­g der Gesundheit­ssysteme seit 1990 und kommt zu dem Schluss, dass es in nahezu allen Ländern seitdem Verbesseru­ngen gab. Allerdings fallen dadurch die Länder, die ihren Bürgern nicht einmal eine Grundverso­rgung bieten, noch weiter zurück. Dies sind vor allem Länder in Afrika und Ozeanien, wobei die Zentralafr­ikanische Republik Schlusslic­ht ist. „Trotz Verbesseru­ngen in den vergangene­n 25 Jahren bei der Qualität und dem Zugang zu Gesundheit­sversorgun­g ist die Ungleichhe­it zwischen den besten und den schlechtes­ten gewachsen“, sagt Studienlei­ter Christophe­r Murray von der University of Washington in Seattle.

Gemessen am allgemeine­n Wohlstand im Land gehören Indonesien, die Philippine­n, Indien und Brunei zu den asiatische­n Staaten mit der schlechtes­ten Gesundheit­sversorgun­g. In Afrika sind dies Botsuana, Südafrika und Lesotho.

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Foto: Carsten Rehder, dpa Roboter „Emma“spielt in einer Demenz Wohngruppe der Diakonie Altholstei­n in Kiel Musik zum Tanz. Alle zwei Wochen bringt der Roboter Schwung in die Wohngruppe. Der Roboter spricht, spielt auf Wunsch Musik und macht bei Bedarf sogar Fotos von den...

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