Neu-Ulmer Zeitung

Draxler darf Anführer spielen

In Abwesenhei­t vieler Stammkräft­e steigt der 23-Jährige zum Kapitän auf. Beim Confed Cup soll er das deutsche Spiel lenken. Das Talent dazu hätte er

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Die aufmerksam registrier­te regenbogen­farbene Kapitänsbi­nde am linken Oberarm trug Julian Draxler mit Stolz. Und das Stück Stoff löste beim jungen Fußball-Weltmeiste­r auf Anhieb die von Joachim Löw erhoffte Wirkung aus. „Er hat auf jeden Fall die Mannschaft angetriebe­n, auch verbal in der Kabine. Er hat auf dem Platz Verantwort­ung übernommen, hat gute Wege gemacht, viele Aktionen gehabt“, lobte der Bundestrai­ner Draxler nach dem 1:1 der jungen deutschen Nationalma­nnschaft am Dienstagab­end gegen Dänemark. Der Probelauf in Kopenhagen war aber nur der Startschus­s. Der gerade 23 Jahre alte Jungstar Draxler darf auch beim Confed Cup in Russland den in diesem Sommer pausierend­en Torwart Manuel Neuer als Kapitän auf Zeit vertreten.

In den sozialen Netzwerken wurde sofort eifrig über die Farbe der Binde diskutiert. Die Regenbogen­fahne ist ein Symbol der Schwulenun­d Lesbenbewe­gung, aber sie steht ebenso für die internatio­nale Friedensbe­wegung. Der Hintergrun­d klärte sich schnell auf. Es war eine Aktion des dänischen Fußballver­bandes für Offenheit und Vielfalt. Diese habe der DFB „selbstvers­tändlich“mitgetrage­n, berichtete der Verband.

Auch Dänemarks Kapitän und Torschütze Christian Eriksen trug eine Binde mit den Regenbogen­farben. Auffällig war Draxlers Auftreten auch ansonsten. Er forderte von Anfang an die Bälle und versuchte, mit hohem Engagement dem Spiel der völlig neu formierten Nationalel­f im Mittelfeld Struktur zu geben. „Ich denke, dass wir auf jeden Fall bewiesen haben, dass wir nicht nur zum Spaß hier sind. Wir wollen schon was erreichen“, verkündete Draxler mit Blick auf die spannende Confed-Cup-Aufgabe in Russland.

Das Fazit nach dem Länderspie­l wäre möglicherw­eise anders ausgefalle­n, wenn Joshua Kimmich nicht noch kurz vor Schluss mit einem sehenswert­en Fallrückzi­eher den Ausgleich erzielt hätte (88.). Die dänische Führung hatte der Münchner allerdings durch einen schlampig gespielten Pass mit eingeleite­t. Die Hauptschul­d am Treffer von Christian Eriksen (18.) trägt allerdings Antonio Rüdiger, der den Ball nicht einfach klärte, sondern im Spiel halten wollte.

In den maximal fünf Turnierspi­e- len wird Draxler das DFB-Team auch anführen. „Natürlich muss er noch in die Rolle hineinwach­sen, er ist noch jung. Das ist ein Prozess“, äußerte Löw. Sollte Draxler beim Confed Cup mal eine Spielpause erhalten, übernähme dessen Weltmeiste­r-Kollege Shkodran Mustafi. „Sie sind beide schon länger dabei, kennen die Abläufe und Ideen“, sagte Löw.

Der Bundestrai­ner sieht in dem bei Paris St. Germain weiter gereiften Draxler einen Akteur, „der in den nächsten Jahren, in der nächsten Generation nach Neuer, Khedira, Hummels oder Boateng“das Nationalte­am anführen könne. Auch Teammanage­r Oliver Bierhoff war in Kopenhagen angetan: „Julian hat eine sehr gute Präsenz gehabt. Man hat direkt gemerkt, dass er Initiative ergreift und die Führungsro­lle hier übernehmen will. Auch das sind wichtige Aspekte.“

Eine Premiere war es für Draxler nicht, die DFB-Auswahl anzuführen. Vor der WM 2014 durfte er beim 0:0 im Testspiel gegen Polen in Hamburg, als Löw insgesamt zwölf Debütanten einsetzte, schon einmal die Binde tragen. Mit 20 Jahren (Mönchengla­dbach – 46. M. Jörgensen (FC Kopenhagen), Vestergaar­d (Mönchengla­d bach), Durmisi (Betis Sevilla – 66. Sören sen (1. FC Köln) – Eriksen (Tottenham – 65. Lerager (Zulte Waregem), Delaney (Bremen), Kvist (FC Kopenhagen – 46. Schöne (Ajax Amsterdam) – Y. Poulsen (RB Leipzig – 76. Vibe (FC Brentford), N. Jör gensen (Fey. Rotterdam – 76. Dolberg (Amsterdam), Braithwait­e (Toulouse) Deutschlan­d K. Trapp (Paris St. Germain) – Süle (1899 Hoffenheim), Rüdiger (AS Rom), Ginter (Dortmund – 66. Younes (Ajax Amsterdam) – Kimmich (Bayern München), Goretzka (FC Schalke – 76. De mirbay (Hoffenheim), Rudy (Hoffenheim – 59. E. Can (FC Liverpool), J. Hector (1. FC Köln – 89. Plattenhar­dt (Hertha) – Draxler (Paris St. Germain) – Stindl (Mönchengla­d bach), S. Wagner (Hoffenheim – 67. Brandt (Leverkusen) – Zuschauer 15488 Tore 1:0 Eriksen (18.), 1:1 Kimmich (88.) (DFB) hat das Zuspiel erfreulich­erweise aufgenomme­n. Das ist gut, weil der Profi-Fußball in gesellscha­ftlichen Fragen oft eine schwache Figur abgibt. Seine integrativ­e Kraft in vielen Bereichen ist unbestritt­en. Auf anderen Feldern aber verschärft er das Trennende. Was den Umgang mit gleichgesc­hlechtlich­en Beziehunge­n betrifft, ist die Welt der Kicker noch eng und grau.

Das wäre nicht herauszuhe­ben, würde der Fußball nicht wie eine Lupe wirken. Ähnliche Vergrößeru­ngsgläser gibt es auch in der Kunst, selbst in der Politik – nur haben sie hier viel von ihrem Schrecken verloren. Deutschlan­d lebt inzwischen unaufgereg­t mit homosexuel­len Bürgermeis­tern und Ministern. Wer als Sportler dagegen hinter seiner Fassade hervortret­en möchte, begibt sich in Feindeslan­d. Wo die „schwule Sau“zum Standardre­pertoire jeder Südkurve gehört, ist zur vollen Deckung geraten. Auch Thomas Hitzlsperg­er, ehemaliger Nationalsp­ieler, hat sich erst nach seiner Karriere aus dem Schwulenve­rsteck gewagt. Der DFB will ihn als offizielle­s Mitglied seiner Delegation mit ins homophobe Russland nehmen. Vielleicht die erfreulich­ste Nominierun­g für den Confed Cup.

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Foto: Matthias Koch, imago Besitzt Talent und Eleganz: Julian Draxler beim 1:1 in Kopenhagen gegen Dänemark.
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Foto: dpa Für Vielfalt, gegen Einfalt: Eckfahne in Kopenhagen.

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