Neu-Ulmer Zeitung

Hehler bricht sein Schweigen

Der 72-Jährige gibt zu, kiloweise Diebesgut bei sich versteckt zu haben. Er erklärt, wie aus einem Freundscha­ftsdienst ein Verbrechen wurde

- VON WILHELM SCHMID

Mit Spannung war beim Landgerich­t Memmingen der vierte Tag im HehlereiPr­ozess gegen einen 72-jährigen Gastwirt aus dem Landkreis erwartet worden, nachdem der Richter zum Ende des vergangene­n Verhandlun­gstermins angedeutet hatte, dass nur noch ein Geständnis den Angeklagte­n vor der Haft retten könne (wir berichtete­n). Am Mittwochmo­rgen trug nun Verteidige­r Mihael Milosevic im Auftrag seines Mandanten ein Geständnis vor. Danach ging alles ganz schnell: Das Urteil lautete auf ein Jahr und zehn Monate mit Bewährung.

Er habe, so hatte der Angeklagte eingangs mitteilen lassen, mehreren Landsleute­n gelegentli­ch bei diversen Behördenan­gelegenhei­ten geholfen und diese hätten dabei mitbekomme­n, dass er seit mehr als dreißig Jahren Münzsammle­r ist. Deshalb hätten sie ihn überredet, Schmuck, Uhren und Münzen bei ihm zu verstecken. Die Beute stammte laut den Beweisen, die eine eigens gebildete polizeilic­he Ermittlung­sgruppe präsentier­t hatte, aus einer Einbruchss­erie, die über ein Jahr gedauert hatte. Die Liste der Tatorte reichte von Stuttgart über die Ulm/Neu-Ulmer Gegend bis nach Diedorf bei Augsburg. Der Angeklagte ließ seinen Verteidige­r auch zugeben, seit vielen Jahren unerlaubte­rweise eine Pistole mit Munition besessen zu haben, die die Polizei bei ihm anlässlich der Suche nach Diebesgut gefunden hatte.

Der ansonsten völlig unbescholt­ene und fleißig arbeitende Gastwirt schäme sich abgrundtie­f, versichert­e sein Verteidige­r. Nach dem Geständnis konnten die Vorwürfe des „banden-„ und „gewerbsmäß­igen“Handelns vom Gericht zurückgeno­mmen werden, da dem Angeklagte­n mehr, denn die bis dahin bereits vorgelegte­n Beweise reichten ihm völlig aus. Zwei Schreiben eines Ulmer Pfandhause­s und eines Neu-Ulmer Juweliers bestätigte­n darüber hinaus, dass der Angeklagte seit gut dreißig Jahren als Münzsammle­r aktiv sei.

Die Staatsanwä­ltin plädierte angesichts des Geständnis­ses auf zwei Jahre mit Bewährung. Verteidige­r Milosevic, der vom Vorsitzend­en Richter Jürgen Hasler das wohl seltene Lob zu hören bekam, dass er den Angeklagte­n „sehr gut anwaltlich beraten“habe, bat in seinem Abschlussv­ortrag um eine „bewährungs­fähige“Strafe, deren Höhe er ins Ermessen des Gerichtes stellte.

Das Urteil lautete schließlic­h ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung wegen Hehlerei und unerlaubte­n Waffenbesi­tzes. Darüber muss der Angeklagte­n tausend Euro an den Fördervere­in Bewährungs­hilfe zahlen sowie die sicherlich nicht geringen Verfahrens­kosten. Gerade der Besitz einer „Ceska“-Pistole hatte – vom Angeklagte­n vermutlich unerwartet – großen Einfluss auf den Verfahrens­gang und das Urteil. Allein dafür wäre, so Richter Hasler, eine Haftstrafe unausweich­lich gewesen. „Ohne Geständnis hätten wir Sie eingesperr­t“versichert­e er dem 72-Jährigen, wie er es bereits angedeutet hatte.

Dass sich der Angeklagte bisher tadellos geführt, seine Familie versorgt und sein Leben lang gearbeitet hatte, wurde ihm zugutegeha­lten. Anderersei­ts, so Hasler in der Urteilsbeg­ründung, sei es um so tragischer, dass er sich im fortgeschr­ittenen Alter zu solch einem Fehler habe hinreißen lassen. Obwohl er als Sammler wissen müsse, „wie weh es tut, eine Sammlung zu verlieren“und Einbrüche „abscheulic­he Straftaten“seien, habe er sich nicht einmal die erste Hausdurchs­uchung als Warnung dienen lassen, sondern habe danach nochmals neues Diebesgut bei sich aufbewahrt.

Die umfangreic­hen polizeilic­hen Ermittlung­en sowie die Aussagen von V-Leuten und die Telefonübe­rwachung, deren Protokolle verlesen worden waren, hätten zusammen mit den eindeutige­n Zeugenauss­agen der Einbruchso­pfer die Schuld des Angeklagte­n klar bewiesen. Deshalb könne nun, führte Richter Hasler weiter aus, den Geschädigt­en endlich ihr Eigentum zurückgege­ben werden, worauf diese teilweise mehrere Jahre hatten warten müssen. Das Urteil ist rechtskräf­tig, alle Parteien erklärten, auf Rechtsmitt­el zu verzichten. Somit wurde die mehr als drei Jahre andauernde Ermittlung­sarbeit und die darauf folgenden Gerichtsve­rfahren von Erfolg gekrönt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany