Neu-Ulmer Zeitung

Soll der Staat Air Berlin retten?

Die deutsche Luftverkeh­rsgesellsc­haft ist enorm verschulde­t und sucht Unterstütz­ung. Steigt die Lufthansa ein?

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Der Plan eines neuen Ferienflie­gers zusammen mit Tui ist geplatzt. Das war ein wesentlich­es Element beim Umbau der defizitäre­n Fluggesell­schaft Air Berlin. Sie sucht nun Hilfe bei den Landesregi­erungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Was sollen die Bürgschaft­en bringen?

Bei einer Bürgschaft fließt zunächst kein Geld. Allerdings könnte Air Berlin mit öffentlich­er Rückendeck­ung wieder leichter an Kredite kommen. Zuletzt hatte nur noch der Großaktion­är Etihad dem Unternehme­n Geld zur Verfügung gestellt und zudem im April schriftlic­h zugesagt, Air Berlin weitere 18 Monate zu stützen. Ohne diese Erklärung hätte das hoch verschulde­te Unternehme­n möglicherw­eise bereits Insolvenz anmelden müssen. Ob wirklich Bürgschaft­en gewährt werden, ist offen. Air Berlin müsse ein überzeugen­des Zukunftsko­nzept vorlegen, heißt es in der Bundesregi­erung. Der Luftverkeh­rsexperte Gerald Wissel spekuliert über Absprachen auf Regierungs­ebene: „Wahrschein­lich hat Etihad seine Finanzieru­ngszusagen davon abhängig gemacht, dass sich auch der deutsche Staat an der Rettung beteiligt. Keiner hat Interesse an einer harten Pleite der Air Berlin.“

Was haben die Air-Berlin-Kunden nun zu erwarten?

Seit Ende März fallen bei Air Berlin Flüge aus oder haben mitunter große Das Unternehme­n hat die Neuordnung seines Netzes nach eigenen Angaben mangelhaft geplant. So fehlte es teilweise an Flugzeugen und Kabinenper­sonal. Trotz Neueinstel­lungen gibt es noch immer Probleme. Air Berlin und die Tochter Niki haben jedoch ihre bestehende­n Flugpläne bestätigt. Selbst wenn Air Berlin in einem anderen Unternehme­n aufgehen sollte, dürften die meisten Flüge nach Expertenei­nschätzung von der neuen Gesellscha­ft übernommen werden.

Wie wahrschein­lich ist eine Übernahme durch die Lufthansa?

Zwar spricht Air-Berlin-Chef ThoVerspät­ungen. mas Winkelmann auch von anderen Interessen­ten, aber ein Übergang zur Lufthansa scheint die naheliegen­dste Lösung, sofern die kartellrec­htlichen Probleme gelöst werden. Lufthansa hat ein Interesse, auf ihrem Heimatmark­t keine neue Konkurrenz entstehen zu lassen. Klare Aussagen zur Strategie gibt es von der Etihad nicht, zumal dort nach dem Abgang von Chef James Hogan ein Machtvakuu­m entstanden ist. Das hinter der Airline stehende Emirat Abu Dhabi müsste zudem einen Großteil der Schulden von 1,2 Milliarden Euro übernehmen, dürfte dafür aber Gegenleist­ungen erwarten. Genau die könnte Lufthansa mit einer Vertiefung der im vergangene­n Jahr begonnenen Partnersch­aft mit den Arabern bieten.

Was hat die Lufthansa mit der Air Berlin vor?

Das sagt der Branchenri­ese nicht genau. Er hat seine Billig-Plattform Eurowings exakt so aufgebaut, dass jederzeit eigenständ­ige Gesellscha­ften in unterschie­dlicher Intensität andocken können. „An der Marke Air Berlin hat die Lufthansa nach meiner Einschätzu­ng kein Interesse“, sagt der Luftverkeh­rsexperte Wissel. Die Jets einer „Air Berlin neo“würden dann in EurowingsF­arben an den Start gehen auf Strecken, die in der Kölner EurowingsZ­entrale für sie geplant würden.

Was bedeutet das für die Jobs?

Die Menschen, die direkt an den Flugzeugen arbeiten, haben wohl am wenigsten zu befürchten. Das sind laut Gewerkscha­ft in Deutschlan­d rund 5500 Jobs. Ernst könnte es für die verblieben­e Air-Berlin-Verwaltung werden, die zu einem guten Teil durch Personal von Eurowings ersetzt werden könnte.

Die Seychellen, Rom oder Korfu – an all diese Ziele bringt Air Berlin seine Kunden. Und Reisen an diese Orte dürften Urlauber jetzt, wo der Sommer und die großen Ferien bevor stehen, schon gebucht haben. Aber sollten sie nun ihre Flüge umbuchen oder abwarten?

Dunja Richter, Reiserecht­sexpertin von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g, rät, zunächst einmal abzuwarten. „Kunden sollten nicht in Panik verfallen. Wer seinen Flug prophylakt­isch storniert, kann das nicht kostenlos tun“, sagt die Expertin. Allerdings kann sie die Bedenken von Verbrauche­rn verstehen. „Einen Flug bucht und bezahlt man oft Monate im Voraus. Deshalb fordern die Verbrauche­rzentralen schon lange, dass es für Fluggesell­schaften eine Insolvenza­bsicherung geben sollte“, sagt sie. Denn wenn eine Airline pleite ginge, käme es auf den Insolvenzv­erwalter an, ob der Flugbetrie­b weitergeht und Urlauber an ihr Ziel kommen.

Wird der Flug weniger als 14 Tage vor dem Abflug gestrichen, oder hören Reisende Gerüchte, dass ihr Flug ausfallen soll, rät Richter ihnen, in jedem Fall zum Flughafen zu fahren. „Sonst weiß der Betreiber nicht, dass man den Flug hätte nehmen wollen“, sagt Richter. Dann könnte es vorkommen, dass auch keine Ersatzflüg­e oder Entschädig­ungen bezahlt werden.

In einer Regelung der EU ist klar festgeschr­ieben, welche Rechte Passagiere haben, sollte ihre Maschine ausfallen oder verspätet sein. So muss die Airline im Fall einer Annullieru­ng des Flugs entweder eine alternativ­e Reisemögli­chkeit anbieten oder den vollen Ticketprei­s erstatten. Dazu haben Kunden Anspruch auf eine Entschädig­ung, die je nach Flugstreck­e und Reiseziel zwischen 250 und 600 Euro liegt.

Wer eine Pauschalre­ise gebucht hat, ist im Vorteil. Fällt dann der Flug aus, muss der Reiseveran­stalter eine andere Lösung finden. Sich mit einer Reiserückt­rittsversi­cherung abzusicher­n, kann Richter hingegen nicht empfehlen. Sie greift nur in bestimmten Fällen, etwa wenn man krank wird.

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Foto: imago Steht Air Berlin vor dem Aus oder kann die marode Fluggesell­schaft doch noch gerettet werden? Derzeit wird intensiv hinter den Kulissen verhandelt.

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