Umgang mit dem Thema Sucht ist schwer
Eine Großstadt ohne Trinker und zwielichtige Gestalten, die an öffentlichen Plätzen herumlungern ist in Deutschland des Jahres 2017 undenkbar. Leider. Zu groß sind die Armutsrisiken in der Gesellschaft, zu präsent die Verführungen einer trügerischen Welt der Drogen und des Vollrauschs, als das niemand je vom Pfad der Tugend abkommen würde. Eine Stadt muss lernen mit den Menschen am Rande der Gesellschaft zu leben, anstatt sie weiter an den Rand zu drängen. Die derzeitige Großbaustelle lässt „Personen aus der Punker- und Drogenszene“wie es im Jargon der Bundespolizei heißt, keinen Platz mehr vor dem Hauptbahnhof. Die Folge: Die oftmals unflätig endenden Trinkgelage werden nun halt im Ulmer Apotheker-Garten, am Karlsplatz oder auf der Donauwiese abgehalten.
Wenn der neue Ulmer Bahnhofsplatz in ein paar Jahren in neuem Glanz erstrahlt, werden die Menschen mit der Bierflasche in der Hand wieder zurückkehren. Und die Drogenhändler waren nie weg. In Ulm ist es ein offenes Geheimnis, dass rund um den Bahnhof allerlei Illegales zu erwerben ist. „Brauchst du was?“, fragen zu später Stunde junge Männer. Dass die Polizei dennoch hier keine etablierte Drogenszene erkennen mag, ist bestenfalls der Gewöhnung der Beamten an die Niederungen des menschlichen Seins geschuldet.
Einen Kontaktladen für Drogensüchtige gibt es in Ulm nach jahrelangem Kampf um die Finanzierung wieder. Wer spätabends am Ulmer Hauptbahnhof ankommt und mit den zahlreichen Trinkern konfrontiert wird, der fragt sich ob Ulm nicht zudem dem Beispiel anderer Städte folgen sollte und einen „Trinkerraum“einführen muss. Das Ziel wäre: Angehörige der offenen Trinkerszene von der Straße zu holen und Orte wie den Hauptbahnhof oder Karsplatz zu einem angenehmeren Ort zu machen. Denn die Menschen am Rande dürfen nicht noch weiter an den Rand gedrängt werden. Doch die Symptome persönlicher Schicksale dürfen auch nicht ganze Viertel beherrschen. Ein schwieriger Spagat.