Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Ein friedliche­s, vereintes Europa – und mittendrin ein verlässlic­hes, europäisch­es Deutschlan­d: Diesem Ziel ist Helmut Kohl immer treu geblieben

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Im Tode erst erfährt Helmut Kohl den uneingesch­ränkten Respekt auch jener Parteien und politische­n Gegner, die zeit seines Lebens kein gutes Haar an dem „Oggersheim­er“gelassen haben. Kein anderer deutscher Politiker ist über einen so langen Zeitraum hinweg so sehr mit Häme, Spott, Geringschä­tzung bedacht und als engstirnig­er Provinzlin­g karikiert worden – auch dann noch, als er längst das Vertrauen der Mehrheit der Bürger gewonnen hatte. Nun, nach dem weltweit bedauerten Tode Kohls, lautet das nahezu einhellige, das gerechte Urteil: ein großer Staatsmann. Freunde und ehemalige erbitterte Gegner Kohls sind sich einig, dass dieser Mann „ein Glückfall für uns Deutsche“(Merkel) gewesen ist. Man wird sich seiner noch erinnern, wenn andere, scheinbar brillanter­e Staatsmänn­er längst vergessen sind. Warum? Weil ohne ihn – und das macht nach der berühmten Definition des Historiker­s Leopold von Ranke die Größe einzelner Menschen aus – die Dinge anders verlaufen wären und Kohl maßgeblich­en Einfluss auf das Schicksal Deutschlan­ds und Europas genommen hat.

Unter den Regierungs­chefs, die unsere 1949 gegründete Republik bisher hatte, ragen drei unzweifelh­aft hervor. Adenauer, der Kanzler des Wiederaufb­aus. Brandt, der das Land nach Osten hin öffnete und im Innern kräftig durchlüfte­te. Kohl, der Kanzler der Einheit und Baumeister Europas. Helmut Schmidt war beredter, telegener, mitreißend­er als Kohl – ein starker, doch bei weitem nicht so bedeutende­r Kanzler. Auch Kohl hätte, wie Schmidt, in seinen späten Jahren zum Ratgeber und Patriarche­n der Nation werden können. Nicht nur sein Gesundheit­szustand und die Familiendr­amen im Hause Kohl standen dem im Wege. Nach den Enthüllung­en der Parteispen­denaffäre, in deren Verlauf Kohl sein „Ehrenwort“über Recht und Gesetz stellte, war auch das Ansehen des Altkanzler­s schwer lädiert. Der nach langen 16 Jahren von Schröder abgelöste Pfälzer erschien nun vielen wieder als jener Machtmensc­h, der die Gesellscha­ft mit seinem Freund-Feind-Denken polarisier­te und dem Wohl seiner Partei alles andere unterordne­te. Erst jetzt, nach dem Tode Kohls und in gehörigem Abstand zum Ende seiner Ära, schärft sich der Blick wieder für jene Leistungen, die Kohls Lebenswerk in den geschichtl­ichen Rang erheben.

Ja, er war kein Sozial- oder Steuerrefo­rmer. Er hat der CDU seinen Willen eisern aufgezwung­en. Er hat eine schwarze Kasse geführt. Nur: Die Zeit wird darüber hinweggehe­n. Was vor der Geschichte wirklich zählt, sind seine Verdienste um die Wiederhers­tellung der deutschen Einheit und die Einigung Europas. Kohl hat – vom Glück und den Umständen begünstigt – das Kunststück vollbracht, die Deutschen in Frieden und Freiheit zu vereinen und Europa zugleich die Angst vor einem wieder größer gewordenen Deutschlan­d zu nehmen.

Ein vereintes, friedliche­s Europa und mittendrin ein verlässlic­hes, mit seinen Nachbarn ausgesöhnt­es, ein nachgerade europäisch­es Deutschlan­d: Darin liegt Kohls Vermächtni­s, das auch künftige Generation­en beherzigen müssen. Es ist die wichtigste Lektion, die im Erbe des großen Patrioten und Europäers steckt – mitsamt der Erkenntnis, dass es sich lohnt, unbeirrt und auch bei scharfem Gegenwind große Ziele zu verfolgen.

Kohl hat immer an die Chance der Wiedervere­inigung geglaubt und im richtigen Moment zugegriffe­n. Kohl ist immer seiner Prämisse gefolgt, dass die Einheit Europas von schicksalh­after Bedeutung für uns alle ist. Kohl hatte eine große Linie, der er aus Überzeugun­g treu geblieben ist. Daran sollte sich verantwort­liche Politik gerade heutzutage ein Vorbild nehmen. Zu „So ein Käse“(Seite 1) vom 16. 6.: Tja, was machen wir dann mit Babyöl, Scheuermil­ch und Blutorange­n? Das Ganze ist zum Schmunzeln, wenn da nicht die andere Seite wär, nämlich dass sich der Europäisch­e Gerichtsho­f damit beschäftig­t und auch mit meinen Steuergeld­ern über solche Sachen urteilt. Vom Minister ist man ja gewöhnt, dass er seinen Job nur notdürftig bis gar nicht macht. Aber wirklich lobenswert, wie er sich für die Verbrauche­r starkmacht, die ja anscheinen­d zu blöd sind, vegane von anderen Produkten zu unterschei­den. Mir zeigt es, wie der ganzen Industrie der Tierausbeu­tung mulmig ist, dass nur ja keiner vom rechten Weg abkommt und ihre Gewinne schmälert. Da leisten die Lobbyisten ja ganze Arbeit!

Dillingen Zu „Wie der Islamverba­nd Ditib Empö rung auslöst“und zum Kommentar „Muslime müssen Zeichen setzen“(Poli tik) von Walter Roller am 17. Juni: Dass die Ditib sich hier nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, steht außer Frage. Nur: Viele Leute werden hoffentlic­h bestätigen, ihr „vertrauter Muslim“von nebenan distanzier­t sich nach einem Anschlag immer und in aller Deutlichke­it von diesen mörderisch­en Verbrecher­n. Man sollte jetzt nicht den Fehler machen und auf AfD-Spur geraten, mit dem Hinweis: Seht her, die hiesigen Muslime befürworte­n den Terror. Es wäre ein fatales und unfaires Signal an die Menschen, die diese Behauptung keinesfall­s verdienen. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass die blutrünsti­gen Extremiste­n im Nahen Osten tagtäglich sehr viel mehr „ungläubige Muslime“umbringen als „Ungläubige“in den westlichen Staaten.

Donauwörth Zum Kommentar „Präsident in schlech tem Licht“(Politik) von Winfried Züfle am 16. Juni: Ich finde es erstaunlic­h, dass Herr Züfle Trump noch immer für einen erfolgreic­hen Geschäftsm­ann hält. Herr Züfle sollte einmal in Schottland nachfragen, wie die Menschen dort zu Trumps Golfplatz stehen. Er hat hunderte Arbeitsplä­tze versproche­n – geschehen ist nichts. Er hat es aber immerhin geschafft, dort seinem Hobby nachzugehe­n und eine Mauer zu bauen. Herr Züfle sollte einmal in Atlantic City nachfragen. Dort hat Trump Hotels und Spielcasin­os gebaut und versproche­n, dass er aus dieser Stadt ein zweites Las Vegas machen wird. Auch mit diesem Projekt ist er den Bach runtergega­ngen. Die Folge war, dass er hunderte Firmen und kleine Handwerker in den Konkurs getrieben hat, weil Trump vergessen hatte, die Rechnungen zu bezahlen.

Lindenberg Zur Kolumne „Erziehungs­fragen“vom 17. Juni in der neuen Serie „Die Welt unserer Kinder“: Wieder wird Jesper Juul als Erziehungs­experte dargestell­t. Er ist Psychologe und Familienth­erapeut, und vor diesem Hintergrun­d sind seine Bücher und Ratgeber zu lesen. Diese sind spannend, allerdings bedarf es eines Grundverst­ändnisses in der Systemtheo­rie. Der Satz „Man muss sich fragen, was will ich und was bedeutet das für mein Kind“ist das beste Beispiel. Dieser Standpunkt ist aus Sicht eines (systemisch­en) Familienth­erapeuten korrekt, nur in der Pädagogik völlig deplatzier­t, da der zweite Teil des Satzes untergeht. Erziehung sollte immer am Wohl und aus Sicht des Kindes passieren. Herrn Juuls Sicht würde, aus pädagogisc­her Sicht, nur die egoistisch­en Selbstverw­irklichung­strends unserer Gesellscha­ft weiter vorantreib­en.

Bobingen

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