Neu-Ulmer Zeitung

Sie kommt von diesem Artikel nicht mehr los

-

kommt sie von diesem Bild nicht los. Der Artikel erzählt, welche Modeideale es in den 1930er und 1940er Jahren im Deutschen Reich gab. Auf dem Foto sind jene zwei hübschen und elegant gekleidete­n Frauen abgebildet. Aber dort steht nicht, wo das Foto aufgenomme­n wurde und wer die Frauen sind. Die rechte kommt ihr bekannt vor. Das Profil, diese Welle im Haar. Und ihrem Mann Eberhard Kinzer geht es genauso. Mit diesem Foto ist etwas. Es zieht sie förmlich an. Aber kann es einen solchen Zufall wirklich geben? Renate Kinzer glaubt, dass das auf dem Bild ihre Mutter ist. Und jetzt steht sie vor einem Rätsel, für dessen Lösung eine Telefonket­te in Gang gesetzt wird, die hunderte Kilometer umfasst. Einem Rätsel, das sie letztlich wieder mit einem Menschen zusammenbr­ingt, mit dem sie Jahrzehnte keinen Kontakt hatte.

Wirklich hundertpro­zentig sicher ist sich Kinzer anfangs nicht. Von ihrer Mutter hat sie nur sehr wenige Fotos. Und es kommt hinzu, dass die eigenen Erinnerung­en so weit zurücklieg­en, weil ihre Mutter Ilse Lippross, geborene Unbehagen, so früh starb. Da war Renate Kinzer sechs Jahre alt. Das meiste von dem, was Kinzer über ihre Mutter weiß, hat sie aus zweiter Hand erfahren. Etwa von ihrem Vater Otto Lippross, der 1952 damit begann, eine Familiench­ronik zu begründen. Er war es, der am Anfang seine Frau, „das U-Chen“, zum ersten Jahr nach ihrem Tod zu Wort kommen ließ. Der Vater berichtet, dass Ilse Unbehagen 1907 in Maceio in Brasilien geboren wurde. Es waren exotische und behütete Verhältnis­se, die Familie lebte im Wohlstand, bis Ilses Vater an Gelbfieber starb. Ilse Unbehagen war da sechs Jahre alt – genauso alt wie Renate Kinzer, als sie ihre Mutter verlor. Die Familie musste zurück nach Deutschlan­d, die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg vernichtet­e das Vermögen vollends.

Wenn man mit Renate Kinzer über ihre Mutter Ilse Unbehagen spricht, spürt man förmlich, wie gerne sie sich einmal richtig mit ihr unterhalte­n hätte. „Sie war eine besondere Frau, ein besonderer Mensch“, sagt sie heute. Während Kinzer freiwillig auf ihre eigene Karriere als Ärztin verzichtet und sich um die drei Kinder und die Praxis ihres Manns gekümmert hat, musste es ihre Mutter unfreiwill­ig machen. Denn das Geld war damals knapp. Ilse Unbehagens Mutter gab Klavierunt­erricht, um ihre Töchter durchzubri­ngen. Ilse Unbehagen musste die Schule früher verlassen und einen Beruf ergreifen, um ihre Mutter und später das Studium ihrer Schwester Mally zu finanziere­n.

„Das waren andere Zeiten“, sagt Kinzer, ihre Mutter habe früh Verantwort­ung übernommen, habe ihre Karriere zugunsten der Schwester aufgegeben. Als sie später in Jena Mitarbeite­rin des berühmten Interniste­n Ludwig Heilmeyer war, lernte sie 1936 ihren künftigen Mann Otto Lippross kennen. Und nun taucht dieses Foto auf, das aus jenen

Newspapers in German

Newspapers from Germany